Der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt sieht im Rechtsextremismus ein erhebliches Bedrohungspotenzial für die Demokratie in Deutschland. »Wir sehen eine gestiegene Gewaltbereitschaft bei Rechtsextremisten, auch bei aktionsorientierten Jugendlichen«, sagte Landesverfassungsschutzchef Jochen Hollmann. »Der Rechtsextremismus stellt in seiner ganzen Bandbreite eine erhebliche Bedrohung für unsere Demokratie dar.«
Seit 2022 wird ein Zuzug rechtsextremistischer Akteure, insbesondere aus Nordrhein-Westfalen, in den Landkreis Harz beobachtet. Diese bundesweit bekannten Rechtsextremisten nehmen etwa in Halberstadt immer wieder an Montagsdemonstrationen teil, an denen sich auch AfD-Anhänger beteiligen.
»Rechtsextremisten können in den ländlichen Räumen Ostdeutschlands ihre Bestrebungen offensichtlich leichter entfalten als in anderen Teilen Deutschlands. Sie erfahren vergleichsweise geringen Widerspruch«, sagte Hollmann.
CDU kooperiert mit AfD
In Sachsen-Anhalt wird 2026 ein neuer Landtag gewählt. Doch bereits jetzt übt die AfD in einigen Kommunen Einfluss aus. Eine Brandmauer seitens der CDU gibt es häufig nicht, in einigen Kommunalvertretungen gibt es punktuell eine Zusammenarbeit mit der AfD. Die AfD wird in Sachsen-Anhalt schon seit Längerem als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.
Der Magdeburger Rechtsextremismus-Experte David Begrich vom Verein Miteinander sieht insgesamt eine Normalisierung von rechten Deutungs- und Politikangeboten. In Roßlau etwa konnte mit AfD-Ortsbürgermeister Laurens Nothdurft zum 80. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai ein Mann sein Geschichtsverständnis in offizieller Funktion darlegen, der sich einst im rechtsextremen Verein Heimattreue Deutsche Jugend engagierte. Die deutschen Opfer nannte er nach Teilnehmerangaben zuerst, es folgten die russischen. Worte zu den von den Nationalsozialisten ermordeten Juden gab es keine.
»Vor zehn Jahren wäre das anders behandelt worden. Es wäre ein bundesweiter Skandal gewesen, dass er dort überhaupt spricht«, sagte Begrich. Er beobachtet eine Abstumpfung und Ermüdung im öffentlichen Diskurs. »Die AfD und ihr politisches Vorfeld setzen auf diese Erschöpfung. Die öffentliche Debatte wird geflutet, um den Gegnern keine Atempause zu geben.«
»Wunsch nach Systemsturz«
Weil die AfD in der Politik laut ist und den Ton verschärft, gedeihen in ihrem Windschatten aus Sicht von Begrich auch andere rechtsextreme Bestrebungen, die sich an Kundgebungen wie im Harz beteiligen. Wut auf den Staat, wie sie etwa auch bei Demos zum Ausdruck komme, sei nicht verboten, so Begrich. Aber: »Halberstadt ist mehr. Da gibt es einen diffusen Wunsch nach einem Systemsturz.«
Die AfD in Sachsen-Anhalt weist solche Vorwürfe zurück. »Wir als AfD sind eine zutiefst demokratische Partei«, heißt es auf Anfrage. Häufig würden der AfD »unrichtige bis unwahre Dinge zugeschrieben, weil sich politische Kontrahenten dadurch einen eigenen Vorteil erhoffen«. Überdies liege es in der Verantwortung eines jeden Bürgers, »ob und an welchen Veranstaltungen er sich beteiligt, solange es sich um friedliche, legale Demonstrationen handelt«.
Unlängst wurde die AfD auch bundesweit als »gesichert rechtsextremistisch« eingestuft. Diese Einordnung des Verfassungsschutzes wurde kurz darauf ausgesetzt, bis die juristischen Möglichkeiten der AfD, dagegen vorzugehen, erschöpft sind. (mit ja)