Der Repräsentativrat der jüdischen Institutionen Frankreichs (CRIF) hat vergangene Woche den Sicherheitsbericht für 2006 vorgestellt. Daraus geht hervor, dass Gewalttaten mit antisemitischem Hintergrund um 45 Prozent angestiegen sind. Lars Weber unterhielt sich mit dem Sprecher des Sicherheitsdienstes der jüdischen Gemeinschaft, Ariel Goldmann.
Wie erklären Sie sich den Anstieg der antisemitischen Übergriffe 2006?
goldmann: Es gab 2006 zwei Schlüsselmomente: Der erste war die Entführung und Ermordung von Ilan Halimi, wodurch Folgetäter ermutigt wurden. Der zweite war der Krieg Israels gegen die Hisbollah, dessen Medienpräsenz zu einem Anstieg antisemitischer Taten geführt haben dürfte. Aber diese beiden Ereignisse erklären noch nicht die generelle Zunahme. Man muss aber auch relativieren. Wir sind weit entfernt von den sehr hohen Zahlen von 2004. Insgesamt sind Gewalttaten gegen Menschen 2006 um 30 Prozent gestiegen. Die Hemmschwelle scheint generell niedriger zu sein. Jüdische Opfer stellen keine Ausnahme bei diesem nationalen Trend dar.
Wer sind die Opfer?
goldmann: Sehr viele Minderjährige sind betroffen. Die Angriffe laufen häufig in zwei Stufen ab: Zunächst wird etwas gestohlen, Geld oder ein Handy, und wenn der Täter bemerkt, dass er ein jüdisches Opfer vor sich hat, wird es beschimpft und vielleicht noch verprügelt. Das Klischee, dass Juden reich sind, ist immer noch weit verbreitet.
Wer sind die Täter?
goldmann: Die Täter sind unterschiedlichster Abstammung und kommen aus diversen sozialen Schichten: Franzosen genauso wie Nordafrikaner und Portugiesen. Es gibt somit keinen eindeutigen Tätertyp. 2004 kam die Mehrheit der Täter aus dem Maghreb. Als zweite Tätergruppe war die extreme Rechte zu erkennen. Für 2006 galt dies nicht.
Wie gehen Franzosen mit Antisemitismus um?
goldmann: In den Medien und der Politik gibt es einen Prozess der Sensibilisierung. In der französischen Bevölkerung habe ich dagegen das Gefühl, dass Antisemitismus banalisiert wird. Nach dem Tod von Ilan Halimi gab es nur wenige Demonstrationen, deren Teilnehmer hauptsächlich Juden waren. Man nimmt hin, dass es Antisemitismus gibt.
Ariel Scharon hat die französischen Juden vor einigen Jahren aufgefordert, nach Israel auszuwandern. Wie denken Sie heute über diese Aussage?
goldmann: In Frankreich geht es den Juden nach wie vor gut. Frankreich bekämpft den Antisemitismus, auch mit juristischen Mitteln. Somit hat Scharons Aufruf keine Gültigkeit.