Tony Blair

Nahost statt Cricket

von Oliver Marc Hartwich

»That’s it, the end«, sprach Premierminister Tony Blair am Ende der letzten parlamentarischen Fragestunde seiner über zehnjährigen Amtszeit, und das Unterhaus spendete ihm Standing Ovations. Blair wäre jedoch nicht Blair, wenn er es tatsächlich so gemeint hätte. Für ihn war das Ausscheiden aus der britischen Regierung nur der Aufbruch zu neuen Herausforderungen.
Bereits Wochen zuvor hatte er sich im Hintergrund eine neue Aufgabe für die Zeit nach 10 Downing Street gesichert. Als Gesandter des Nahostquartetts aus Europäischer Union, Vereinigten Staaten, Vereinten Nationen und Russland soll er für Frieden im Nahen Osten sorgen. Wie aus Blairs Umfeld zu hören war, will er sich aber auch weiterhin der Armutsbekämpfung in Afrika und dem Klimawandel widmen. Unterhalb dieser Weltprobleme macht es Blair nicht.
Viel war zuvor darüber gerätselt worden, welchen Posten Tony Blair nach seiner Regierungszeit anstrebt. Ein Ruhestand wie bei seinem Vorgänger John Major, der bereits einen Tag nach seiner Abwahl beim Cricket gesichtet wurde, kam für den energischen 54-Jährigen nicht in Frage. Dass er sich aber an die Spitze einer Bürokratie stellen ließe, zum Beispiel als Weltbankchef, war ebenfalls unwahrscheinlich. Schließlich galt Blair nie als »Aktenfresser«, sondern vor allem als Kommunikator. So schien die Rolle des Nahost-Vermittlers für Blair wie geschaffen, zumal er aus den letztlich erfolgreichen Friedensverhandlungen für Nordirland über reichhaltige Erfahrungen im Umgang mit verfeindeten Konfliktparteien verfügt.
Die Nahostvermittler-Rolle passt auch in anderer Hinsicht zu Blair. In die Geschichtsbücher möchte der um sein politisches Vermächtnis besorgte Blair keinesfalls als Kriegspremier eingehen. Doch gerade dies war nach den militärischen Interventionen in Kosovo, Sierra Leone, Afghanistan und Irak zu befürchten. Zudem ist bekannt, dass ihm der Nahe Osten eine Herzensangelegenheit ist.
Zugute kommen Blair zweifellos seine politischen Kontakte im Nahen Osten. Obwohl er unter der arabischen Bevölkerung als George W. Bushs angeblicher »Pudel« auf Vorbehalte stößt, genießt er doch das Vertrauen vieler arabischer Führer. Auch in Jerusalem wurde Blairs Ernennung zum Quartettgesandten begrüßt.
Die britische jüdische Gemeinschaft hat Blair stets als »Freund und Verbündeten« betrachtet, wie es das Board of Deputies, die zentrale Vertretung britischer Juden, kürzlich formulierte. International habe er sich für eine friedliche Zweistaatenlösung des Nahostkonflikts eingesetzt, während er in England die Gründung neuer jüdischer Schulen förderte.
Doch Blairs Popularität in der jüdischen Gemeinschaft in Großbritannien und Israel könnte sich letztlich zum Nachteil Israels auswirken. Dies meint zumindest der Nordirland- und Terrorismusexperte Dean Godson. »Er wird den Palästinensern Konzessionen machen und gegenüber Israel Härte zeigen, bloß um den Verdacht zu entkräften, er sei ›nur‹ der Freund Israels«, glaubt Godson. »Für Israel wäre es besser gewesen, wenn ein einseitiger Palästinenser-Unterstützer den Job bekommen hätte.«
Ob Blair einst aus seiner neuen Rolle unter dem Beifall aller Parteien verabschiedet wird? That’s the question.

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