Michail Chodorkowski

Moskaus Gefangener

von Ute Weinmann

Seit dem 3. März muss sich Michail Chodorkowski, der wohl bekannteste Strafgefangene Russlands, in Moskau erneut vor Gericht verantworten. Die russische Staatsanwaltschaft formulierte eine umfangreiche Anklage gegen den ehemaligen Chef des russischen Ölkonzerns Yukos, der derzeit eine achtjährige Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung und Betrug verbüßt, und dessen vormaligen engen Mitarbeiter, Platon Lebedew.
Beiden wird die Unterschlagung von Einnahmen im Wert von umgerechnet etwa 19 Milliarden Euro in den Jahren von 1998 bis 2003 vorgeworfen. Sollte die mit großem Aufwand betriebene Neuauflage des Gerichtsverfahrens zu einer Verurteilung führen, droht dem im Kreml in Ungnade gefallenen Ex-Milliardär eine Verlängerung seiner Haftzeit um 22 Jahre. »Chodorkowski soll in Haft bleiben, weil er die charismatischste Figur in der russischen Opposition darstellt und in Freiheit zu deren Konsolidierung beitragen wird«, vermutet der oppositionelle Bürgerrechtler Lew Ponomarjow von der Bewegung »Für Menschenrechte«.
Einen nicht ganz unerheblichen Sieg durfte Chodorkowski allerdings bereits für sich verbuchen. Am 25. Februar lehnte ein Moskauer Gericht die Klage seines ehemaligen Zellengenossen Alexander Kutschma gegen ihn ab. Wegen angeblicher sexueller Belästigung forderte jener einen Schadensersatz von umgerechnet 11.000 Euro.
Der Vorfall soll im März 2006 in der Strafkolonie in der Nähe der Stadt Tschita passiert sein. Wegen unerlaubten Teetrinkens wurden die beiden Häftlinge zu zweit für sieben Tage in eine Zelle strafversetzt, wo sie unter ständiger Beobachtung der Gefängniswärter standen. Drei Wochen später griff Alexander Kutschma seinen schlafenden Zellennachbarn mit einem Messer an. Erst im August 2008 führte Kutschma als Ursache für seine Aggression an, dass Chodorkowski ihn zuvor in der Strafzelle sexuell bedrängt hätte. Just zu dem Zeitpunkt wurde über Chodorkowskis Antrag auf vorzeitige Haftentlassung verhandelt, den das Gericht letztlich ablehnte.
»Es liegt auf der Hand, dass die Angelegenheit Chodorkowski vom russischen Präsidenten persönlich gesteuert wird«, sagt Ponomarjow. »Durch seine Einmischung wird das Gericht die Klage wegen sexueller Belästigung abgewiesen haben.«
Alla Gerber, die Präsidentin der Holocaust-Stiftung Moskau ist sich sicher, dass die jüdische Herkunft des Vaters von Chodorkowski und somit antisemitische Motive bei den jüngsten Vorwürfen keine Rolle spielen. Vielmehr interpretiert sie den erneuten Prozess und die Vorwürfe wegen sexueller Belästigung als Begleichung einer persönlichen Rechnung. »Die Zielscheibe ist Michail Chodorkowski als Person«, sagt sie. »Es ist reiner Wahnsinn. Dieses Mal soll offenbar eine endgültige Bestrafung erfolgen.« Sorgen bereitet ihr auch, dass sich in der russischen Öffentlichkeit kaum noch Fürsprecher für den Regierungskritiker finden. Auch jüdische Organisationen halten sich zurück. Der Russische Jüdische Kongress wollte den Vorfall gar nicht erst kommentieren, da der Pressesprecher sich derzeit im Urlaub befinde.

In eigener Sache

Technische Probleme bei der Jüdischen Allgemeinen

Zurzeit können zahlreiche Fotos nicht angezeigt werden

 19.09.2024

Nahost

Hisbollah kündigt Vergeltung an

Zeitgleich explodieren im Libanon Hunderte Pager. Neun Menschen werden getötet

 17.09.2024

USA

Secret Service verhindert mutmaßliches Attentat auf Donald Trump

In der Nähe des Ex-Präsidenten fielen Schüsse. Die Polizei nahm einen Verdächtigen fest

 15.09.2024

Meinung

Wir Muslime dürfen nicht zum islamistischen Terror schweigen

Ein Kommentar von Eren Güvercin

von Eren Güvercin  15.09.2024

Islamismus

Syrer wegen Anschlagsplänen auf Bundeswehrsoldaten in U-Haft

Mit zwei Macheten möglichst viele Bundeswehrsoldaten während ihrer Mittagspause töten - das soll der Plan eines 27-Jährigen in Oberfranken gewesen sein. Doch vorher klicken die Handschellen

von Frederick Mersi  13.09.2024

Gazastreifen

Mehr als 550.000 Kinder haben erste Polio-Impfung bekommen

Die erste Runde der Impfkampagne scheint ein Erfolg gewesen zu sein

 12.09.2024

Bericht

Deutschland und die »Diskriminierungskrise«

Ihr Kollege Felix Klein fordert, die Diskriminierung von Israelis endlich ernsthaft zu bekämpfen

 11.09.2024

Münster

Oberverwaltungsgericht verhandelt über jüdisches Bethaus in Detmold

Hintergrund ist ein jahrelanger Streit um eine verfallende Synagoge aus dem 17. Jahrhundert

 11.09.2024

Berlin

Vorstellung des bundesweiten Berichts zu Diskriminierung

Neben Antidiskriminierungsbeauftragter Ataman auch Antisemitismusbeauftragter Klein anwesend

 10.09.2024