Konrad W. Sprai

Lust und Frust

von Elke Wittich

Von Ärzten und Rechtsanwälten ist be-
kannt, dass sie auf Partys lieber nicht er-
zählen, welchen Beruf sie haben, weil sie sonst kostenlose Ratschläge und Diagnosen stellen müssen. Wie mag es da erst jemandem gehen, der Psychologe und Sexualberater ist? »Die Zeiten, in denen ich Parties gefeiert habe, sind vorbei«, lacht der 82-jährige Konrad W. Sprai, erinnert sich aber gleichzeitig, dass die Gäste bei Feiern in zwei Gruppen aufgeteilt werden konnten: »Die einen hielten sich von mir fern, weil sie Angst hatten, dass ich ihre erotischen Fantasien erraten könnte, die anderen stürzten auf mich zu, um in einer Art Gratiskonsultation über ihre Träume zu sprechen.«
Auch wenn er sich also auf Partys und Festen nicht mehr sehen lässt, sein Name ist den Lesern von Boulevardmedien allerdings gut bekannt, denn der Berliner wird oft als Experte zitiert, wenn das Verhalten der deutschen und internationalen Prominenz beurteilt werden soll. Zudem ist er auch gefragter Interviewpartner in Fernseh- oder Hörfunksendungen.
Konrad W. Sprai wurde 1924 in Lankwitz geboren. »Meine Eltern waren gläubige, liberale Juden. Trotz ihrer Scheidung im Jahr 1929 verlebte ich eine sehr glückliche und unbeschwerte Kindheit«, sagt er, »bis zur Nazi-Katastrophe«. Sprai spricht nicht gern über diese Zeit. Seine Mutter hatte einen Nichtjuden geheiratet, sein Vater war in die USA ausgewandert, wo er in New York einen Kunsthandel gründete. Sprai junior lebte in der Illegalität. »Bis ich dann im Oktober 1944 bei einer Razzia verhaftet worden bin – ironischerweise vom Militär, das eigentlich auf der Suche nach versteckten Deserteuren war.« Sprai wurde ins Lager Stutthoff gebracht. Nach der Befreiung durch die Rote Armee zog er zum Vater nach New York, wo er seine Ausbildung absolvierte.
»Die Stadt war zu der Zeit das Mekka der Psychologie, da lag es nahe, dies dort zu tun«, erinnert sich Sprai. Dass er schon als kleiner Junge Psychologe werden wollte, könne man allerdings »so nicht sagen, aber ich war immer eher geisteswissenschaftlich orientiert.«
Nach der Ausbildung wurde Sprai Betriebspsychologe bei einem großen Konzern. Das Unternehmen schickte ihn in die peruanische Hauptstadt Lima. Die Zeit in Südamerika sei fantastisch gewesen – bis zu einem Staatsstreich 1968. »Die ausländischen Firmen wurden verstaatlicht und die Ausländer entlassen. Ich bin immer Deutscher geblieben, also stand ich nun auch ohne Arbeit da.«
Gemeinsam mit seiner damaligen Frau zog Sprai zurück nach Europa und ließ sich in Madrid nieder. Die spanische Hauptstadt war »ein Kompromiss, denn meine Frau war Französin und wollte in Paris leben, ich dagegen lieber wieder nach Berlin zurück.«
Fünf Jahre lang blieben die Sprais in Ma-
drid und gingen dann für kurze Zeit nach Peru zurück. »Ich liebe Südamerika, die Menschen und deren Offenheit und die Art zu leben. Die politische Lage war je-
doch so instabil wie die wirtschaftliche schlecht«, bedauert Sprai. Außerdem habe er Berlin sehr vermisst. 1975 ging es dann endlich zurück in die Stadt seiner Kindheit. Beruflich verlegte sich der Psychologe auf Sexual- und Partnerschaftsberatung, »da-
mals ein Thema, das sehr en vogue war«.
Mit 70 begann Sprai seine beruflichen Erfahrungen in Büchern zu verarbeiten. Provokante Titel wie »Liebe, Lust, Frust. Über die Unfähigkeit der Männer, Frauen glücklich zu machen« sind Programm und hatten viele Talkshow-Einladungen zur Folge. Denn Sprai geht davon aus, dass »die monogame Zweierbeziehung auf Ausschließlichkeitsbasis ein soziologisches Konstrukt ist, das nicht der menschlich-biologischen Veranlagung entspricht.« Und zu entsprechend vielen Problemen in Ehe und Partnerschaft führt.
Fünfzig Prozent aller Ehen in den In-
dustrieländern seien kaputt, sagt Sprai, »90 Prozent der Partner bleiben allerdings aus Erwägungen zusammen, die nichts mit Liebe zu tun haben.« Alle Gefühle, so fährt er nüchtern fort, »erschöpfen sich nun einmal früher oder später, da macht die Liebe keine Ausnahme.«
Sprai und seine vierte Ehefrau, die Kunsthistorikerin Sibylle Einholz-Sprai, leben bewusst in getrennten Wohnungen. »Diese Ehe ist meine glücklichste«. Ihm sei »Flexibilität in allen Lebenslagen« zum Beispiel sehr wichtig. Entsprechend habe er weder feste Essens- noch feste Schlafenszeiten. »Ich entscheide einfach gern spontan. Was allerdings nicht heißt, dass ich vollkommen planlos vor mich hinlebe, Termine halte ich grundsätzlich ein«.
So auch jetzt. Eine Illustrierte erwartet an diesem Nachmittag ein Sprai-Statement zu einem Prominenten, der Psychologe schaut regelmäßig auf die Uhr und sagt schließlich: »Eine Viertelstunde haben wir noch.« Genug Zeit für eine kurze Wohnungsbesichtigung. Etwas stolz zeigt Sprai gesammelte Gemälde und Skulpturen und die von ihm selbst gemalten Bilder.
Auf seinem Nachttisch liegt ein Buch, das bald ausgelesen ist. Der Stapel neuer Bücher auf der benachbarten Kommode verrät seine Leidenschaft für Literatur. »Ich bin eigentlich dauernd in den großen Buchläden der Stadt. Entsprechend habe ich einen Riesenvorrat«, gibt Sprai la-
chend zu. »Ich lese jeden Tag mindestens drei, vier Stunden, wobei ich nicht vor zwei Uhr nachts einschlafe.« Aktuell lese er Amos Oz und Edgar Hilsenrath, »an-
sonsten liebe ich auch die Klassiker wie Kafka und Dostojewski.«
Fünf Minuten noch bis zum Anruf der Redaktion, fünf Minuten, um noch eine letzte Frage zu stellen: Was bedeutet ihm sein Judentum? »Ich bin kein religiöser Mensch, ich denke rational, und die Ratio schließt alles Mystische aus.« Er sieht das Judentum eher als Schicksalsgemeinschaft. »Allerdings habe ich auch ein starkes Zugehörigkeitsgefühl und eine starke Verbindung«.

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