Plastikbeutel

Land der Tüten

von sabine Brandes

Plastikbeutel sind billiges Gut in Israel – den Käufer kosten sie nichts. Ob schicke Boutique, Kiosk um die Ecke oder Supermarktkette: Sie alle geben die Tüten kostenlos an ihre Kunden aus. Die Umwelt aber kommen sie teuer zu stehen. In Jerusalem hängen sie in Bäumen und Sträuchern, in Tel Aviv liegen sie in jedem Rinnstein, und in Eilat gefährden sie das Rote Meer mit seinem fragilen Korallenriff.
Jetzt soll ein Gesetzesentwurf der Gruppe Israel – Unser Zuhause dem Tütenwahn ein Ende bereiten. Ladenketten sollen statt Plastikbeutel Papiertüten benutzen. Geschäfte, die sich nicht daran halten, drohen empfindliche Geldstrafen. »Der Wind verteilt die leichten Tüten überall und verdreckt das Land. Zumal Plastik ein Material ist, das nicht vergeht und die Natur stark belastet«, begründet Knessetmitglied Esterina Tratman ihren Vorschlag.
Umweltexperten jedoch sind bis heute uneinig, ob es überhaupt sinnvoll ist, von Plastik auf Papier umzustellen. Denn bei der Herstellung der Tragetasche aus Polyäthylen wird weniger Energie verbraucht. Allerdings vergehen Hunderte von Jahren bis sie zerfallen. Mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union brachte die Umweltschutzvereinigung Friends of the Earth, Middle East (FOEME) eine einfache Tasche aus Baumwolle auf den Markt. Doch bis heute ist die umweltfreundliche Shoppingvariante in kaum einem Geschäft des Landes zu sehen.
Stoffbeutel, Flaschenpfand und Mülltrennung sind für die meisten Israelis Fremdworte, die erst mühevoll gelernt werden müssen. Menschen, die ihre Pappkisten sorgfältig zerlegen und dann in den Altpapiercontainer stecken, werden argwöhnisch beäugt und eher als verschroben belächelt.
»Wenn ich zehn Sachen kaufe, bekomme ich 20 Plastiktüten«, berichtet Yael Gudan. In den meisten großen Supermärkten gibt es einen Service, der in Deutschland unbekannt ist: Angestellte packen für die Käufer ein und trennen dabei sorgfältig. Vor allem in Sachen Kaschrut: Kein milchiges Produkt darf mit einem fleischigen zusammenkommen. So endet fast jeder Einkauf in einem Tütenmeer. Anfangs nahm es die Frau, die vor anderthalb Jahren aus Deutschland eingewandert ist, mit Humor. Mittlerweile macht es sie wütend. »Wenn ich mir anschaue, wie verschwenderisch mit den Ressourcen umgegangen wird, sehe ich unser wunderschönes Land bald in Plastik ersticken.« Viele Tüten würden im Anschluß an den Einkauf noch nicht einmal für Hausmüll benutzt. »Sie sind zu dünn und reißen meist schon nach dem ersten Gebrauch.« Gudan meint, Israelis müßten sich in Sachen Umweltschutz ein Beispiel an den Europäern nehmen.
Zwar ist die Bevölkerung in den vergangenen Jahren umweltbewußter geworden, doch vieles scheint lediglich im Schneckentempo vorangebracht und halbherzig umgesetzt zu werden. So stehen vielerorts Container für Papier und Plastikflaschen zum Recycling bereit, doch der Großteil landet nach wie vor im Hausmüll. Auch beim Pfand sieht es nicht besser aus: Wein-, Bierflaschen und andere Getränkebehälter bis zu einem halben Liter Inhalt werden zurückgenommen, doch für 25 Agorot (umgerechnet 4,5 Cent), macht sich kaum einer die Mühe. Zumal ausschließlich Getränkeflaschen bis 0,5 Liter mit Pfand belegt sind. Bei dem Gesetzeserlaß vor fünf Jahren hatten die religiösen Parteien eine Ausnahme für die gängigen 1,5-Literflaschen mit der Begründung durchgesetzt, strenggläubigen Familien mit vielen Kindern sei es nicht zuzumuten, die Unmengen von Flaschen, die täglich anfallen, in den Supermarkt zurückzubringen. Jährlich werden 1,36 Milliarden Getränkebehälter verbraucht.
Eine Umstellung, wenn sie denn tatsächlich kommen sollte, wird schwer. Die Menschen lieben ihre »Nylons«, wie sie schlicht genannt werden. Ins Ausland reisen auch die Israelis mit Koffer oder Reisetasche, doch innen drin ist alles Plastik. Egal, ob schmutzig oder sauber, Socken, T-Shirts und Unterwäsche werden sorgfältig in Kategorien eingeteilt und in Plastiktüten verpackt.
Verglichen mit europäischen Standards ist Israel beim Umweltschutz Entwick-
lungsland. An den guten alten Einkaufskorb statt Tüte hat offensichtlich noch niemand gedacht. So werden die Plastikberge wohl weiter in endlose Höhen wachsen.

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