Sukkot

Krisensicher

von Rabbiner Baruch Rabinowitz

Dieser Tag ist Ihr Alptraum: Nach der Arbeit hetzen Sie zum Einkaufen. Die Verkäuferin an der Supermarktkasse zieht Ihre Kreditkarte zum x-ten Mal durchs Lesegerät. Schließlich verkündet sie Ihnen (und allen, die hinter Ihnen in der Schlange stehen), dass Ihr Konto gesperrt sei. Ärgerlich zahlen Sie in bar. Zum Glück reicht das Geld in Ihrem Portemonnaie gerade noch. Anschließend schlagen Sie den Heimweg ein, Sie wollen sich ausruhen, ein Glas Wein trinken, etwas fernsehen und dann ruhig einschlafen.
Zu Hause angekommen, finden Sie sich plötzlich vor einem Gebäude wieder, das einmal Ihnen gehört hat. Die Türen sind verschlossen und versiegelt. Auf die letzte Minute schaffen Sie es noch zu Ihrer Bank, bevor sie schließt. Dort schaut Ihr Finanzberater eine Weile auf seinen Bildschirm. Es sind nur wenige Sekunden – aber Ihnen erscheinen sie wie eine Ewigkeit. Wissend schaut der Bankangestellte Sie an und teilt Ihnen dann mit, dass Sie Ihr ganzes Kapital verloren haben. Das g-a-n-z-e K-a-p-i-t-a-l. Ihr Kontostand: »Weit im Minus.« Es dauert eine Weile, bis diese Botschaft in Ihr Bewusstsein vorgedrungen ist. Wie angewurzelt bleiben Sie am Schalter stehen. Dann kommen die Sicherheitsleute. Freundlich aber bestimmt werden Sie gebeten, das Gebäude zu verlassen, weil die Filiale jetzt schließt. Sie holen tief Luft und fragen sich, wie all das kommen konnte. Vor ein paar Stunden waren Sie doch noch ein vermögender Mensch. Die Antwort ist simpel, sie lautet: Finanzkrise.
Sie verlassen Ihre Bank – ohne Geld, ohne Trost, ohne Rat. Sie sind pleite. Ihre Kreditkarten sind gesperrt, Ihr Haus wurde beschlagnahmt. Sie haben Ihren gesamten materiellen Besitz verloren. Jetzt bleibt Ihnen nur noch die Frage nach dem, was Ihnen geblieben ist. Ein Alptraum-Szenario, wie es in jüngster Zeit immer wiederkehrt. Im Jahr 2001 platzte der Finanzmarkt in Argentinien. Banken wurden geschlossen, Konten gesperrt. Was sich so mancher Argentinier vor 2001 locker leisten konnte, ist bis 2008 für viele noch immer nicht wieder in greifbare Nähe gerückt.
Heute platzen die wichtigsten Finanzmärkte. Nicht in Lateinamerika, sondern in den USA. Und der Unglückswind weht inzwischen auch in Richtung Deutschland. Die Botschaft, die uns die Medien vermitteln, ist folgende: »Passt auf, nichts ist mehr sicher!« Zumindest nichts von dem, was materiell ist und nicht umsonst »vergänglich« genannt wird.
Diese Zeit der weltweiten Unsicherheit und der Ängste passt gut zur Botschaft, die uns Gott durch den Feiertag Sukkot vermitteln will. Eine ganze Woche sollen wir unser Zuhause verlassen und zeitweise in einem wackeligen Zelt wohnen. Diese Zeit soll ganz besonders mit Freude erfüllt sein, denn die Laubhütte ist ein Zeichen der besonderen Liebe Gottes zu seinem Volk. Gott erwartet, dass wir uns in der vergänglichen Laubhütte genauso glücklich und zufrieden fühlen wie in unseren vertrauten und vermeintlich sicheren vier Wänden. Die acht Tage des Laubhüttenfestes sind uns gegeben, um unsere Werte ein weiteres Mal zu überprüfen. Woran hängen wir, was macht uns glücklich? Wo fühlen wir uns sicher und geborgen? Wir alle planen, sparen, legen Vermögen an, nehmen Kredite auf. Das alltägliche Leben scheint uns dazu zu zwingen. Wir wollen uns und unsere Familien möglichst gut versorgen.
Doch was passiert, wenn das alles nicht mehr geht? Wenn wir unsere Ansprüche auf Wohlstand und Annehmlichkeiten plötzlich einschränken müssen? Wenn wir uns nicht mehr leisten können, was wir gerne hätten? Werden wir nun zutiefst unglücklich? Oder bleibt trotz allem das Wesentliche unberührt? Die Liebe, das Vertrauen, der Glaube? Wenn unser Bankkonto uns mehr Ruhe und Zuversicht gibt als das Vertrauen in Gott und seine unvergänglichen Werte, dann haben wir die Lehre des Laubhüttenfests nicht begriffen.
Wir feiern Sukkot in Erinnerung an den Auszug aus Ägypten. Genauso wie an Pessach identifizieren wir uns auch am Laubhüttenfest mit unseren Vorfahren und gehen mit ihnen ein Stück des Weges. Auf diese Weise werden wir zu einem winzigen Glied in der ewigen Kette des jüdischen Volkes. Durch uns wird die Vergangenheit mit der Zukunft verbunden. Wir waren Sklaven. Gott hat uns die Freiheit geschenkt, und mit seiner Hilfe haben wir Ägypten verlassen. Und wir haben hinter uns gelassen, was uns gehalten hat.
Die Botschaft zu Pessach ist, den Besitz in Ägypten hinter sich zu lassen und im Glauben den langen Weg durch die Wüste ins Gelobte Land zu gehen. Zu Sukkot werden wir aufgefordert, den Besitz nicht zu vermissen. Denn ein Mensch ist erst dann wahrhaftig frei, wenn er nichts Materielles mehr zu verlieren hat, das ihn unglücklich machen würde. Einmal im Jahr verdeutlichen wir uns also, dass nicht etwa gilt: »My home is my castle«, sondern »My God is my castle«, dass alles, was wir haben und besitzen dürfen, von Ihm kommt. Denn Sein ist die Erde und das, was sie ausmacht. Geld ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr. Die Tora lehrt uns, unseren Wohlstand zu genießen, ihm aber dennoch nie die Möglichkeit zu geben, unser Herz zu erobern. Gott ruft uns auf, Ihm allein zu vertrauen, Ihn allein zu unserer Burg und Festung zu machen. Das ist die Garantie, immer und unter allen Umständen den Halt im Leben zu bewahren. Dann kann uns auch nach dem höchsten materiellen Verlust das Wesentliche nicht mehr genommen werden.

Der Autor war bis 2005 Rabbiner der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal.
www.judaic.de

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