von Wladimir Struminski
Markiert das Treffen von Annapolis den Einstieg in einen israelisch-palästinensischen Frieden oder reiht es sich – möglicherweise mit fatalen Folgen – an die bisher schon gescheiterten Versuche, den in- zwischen über 100 Jahre alten Konflikt beizulegen? Diese Frage stellt sich nach der von den USA mit der Perfektion einer Oscarverleihung in Szene gesetzten Friedenskonferenz. Aus der Sicht der amerikanischen Gastgeber sollte an der Marine-akademie im Bundesstaat Maryland die internationale und arabische Unterstützung für israelisch-palästinensische Friedensverhandlungen bekundet werden.
Das ist, im Großen und Ganzen, gelungen. Vor einer orientalisch-okzidentalen Statistenmannschaft durfte Präsident George W. Bush eine Erklärung von Israels Premier Ehud Olmert und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verlesen. Darin verpflichten sich die Konfliktparteien, »jede Anstrengung zu unternehmen«, um bis Ende 2008 einen Friedensvertrag zu erreichen. Der angestrebte Vertrag, stellten sie klar, müsse alle strittigen Fragen klären. Im Klartext: Auch die von Jerusalem bisher gemiedenen Themen, wie die Grenzziehung zwischen Israel und Palästina, die Teilung Jerusalems sowie die Zukunft palästinensischer Kriegsflüchtlinge und deren Nachkommen, kommen auf den Tisch.
Die bilateralen Verhandlungen laufen am 12. Dezember an. Einen Vorgeschmack auf die Krisen, die auf die Verhandlungsteams warten, bekam man bereits in Annapolis: Auf ihre gemeinsame Erklärung konnten sich die Israelis und die Palästinenser erst sieben Minuten vor deren Verlesung einigen. Da ist es kein Wunder, wenn die Amerikaner die Verhandlungen aus unmittelbarer Nähe begleiten wollen.
Allerdings bleiben auch die Gegner des historischen Kompromisses nicht untätig. Wie lange Olmerts kunterbunte Links-Mitte-Rechts-Regierung den Friedensprozess überleben kann, ist unklar. Die israelische Rechte formiert sich bereits zu einer Anti-Annapolis-Front. Palästinensische Friedensverweigerer putzen schon eifrig ihre Waffen. Die Hamas verkündete vorsorglich, sich an keine von Abbas getroffene Vereinbarung mit Israel halten zu wollen. Das bedeutet unter anderem: Selbst wenn Israel und die palästinensische Westbank-Führung einen Friedensvertrag erreichen, kann dieser im Gasastreifen erst nach einer Niederwerfung des dortigen Hamas-Regimes – durch wen auch immer – durchgesetzt werden. Abbas und seine Regierung wurden von den Friedensgegnern zu Verrätern und Kollaborateuren und damit zu einem legitimen Ziel des »Widerstands« erklärt. Den Israelis drohte die Hamas eine Intensivierung der Terrorangrif- fe an. Offiziell sprach ein Vertreter der fundamentalistischen Bewegung davon, mehr und schlagkräftigere Kassam-Raketen aus Gasa abzufeuern; auch gilt eine Wiederaufnahme der Selbstmordanschläge im israelischen Kernland als möglich.
Ob die Annapolis-Initiative Olmert, Abbas und Bush den Friedensnobelpreis beschert oder aber auf dem Kehrichthaufen der Geschichte landet, ist unter diesen Umständen bestenfalls offen.