Selbstständigkeit

In Gottes Namen

von Chajm Guski

Zuweilen knirscht es in der Eltern-Kind-Beziehung. Die Eltern wollen nur das Beste für ihr Kind, versuchen es zu beschützen und das, so lange es möglich ist. Ihr Verhalten findet jedoch nicht immer die uneingeschränkte Zustimmung der Kinder. Verantwortungsbewusste Eltern stellen Regeln für ihre Kinder auf und sanktionieren die Übertretung oder Einhaltung dieser Regeln. Mit der Zeit erhalten die Heranwachsenden immer mehr Autonomie und können ihre eigenen Erfahrungen sammeln. Im Schutz und mit dem Rückhalt der eigenen Familie können falsche Entscheidungen abgefangen oder abgemildert werden. Dabei haben die Eltern meist ein Ziel vor Augen: Ihr Kind auf ein verantwortungsbewusstes Leben vorzubereiten.
Die Parascha dieser Woche gleicht einem Appell an ein Kind, das die Eltern in die Zukunft entlassen, in eine Zukunft voller Möglichkeiten, aber auch voller Gefahren. Das Bild der Eltern-Kind-Beziehung ist sogar Bestandteil des Wochenabschnittes: »So erfasse es denn mit deinem Herzen, dass der Ewige dein Gott dich erzieht, wie ein Vater sein Kind erzieht.« (5. Buch Moses 8,5). So wie man versucht, Kinder in einen schützenden Rahmen Autonomie zu gewähren, so wurden auch die Kinder Israels, trotz aller Widrigkeiten, noch immer nicht der tatsächlichen Härte des »realen Lebens« ausgesetzt. In der Tora heißt es »… und gab dir das Man zu essen, von dem du nichts wusstest und deine Vorfahren nichts wussten, um dich zu der Erkenntnis zu bringen, dass nicht vom Brot allein der Mensch lebt, sondern durch den Ausspruch des Ewigen der Mensch lebt. Das Kleid an deinem Körper zerfiel nicht und dein Fuß schwoll nicht an in diesen vierzig Jahren.« (8,3-4). Die Kinder Israels sind hier völlig auf Gott angewiesen, ja abhängig von seinem Schutz.
Solange Gott acht auf die Kinder Israels gab, waren sie eine »Gemeinschaft«, eine »Nation«. Moses und Aaron waren während der Wüstenwanderschaft präsent und gaben auf Israel acht und führten es auf dem Weg, den Gott gewiesen hatte, in geografischer und moralischer Hinsicht.
Nun steht das Volk unmittelbar vor der »Entlassung« in sein selbstbestimmtes Schicksal. Um jedoch das Volk und die Aufgabe der Kinder Israels zu bewahren, durften sie nicht ausschließlich nach dem eigenen Wohlergehen streben. Vielmehr sollten sie eine Gesellschaft bilden, die füreinander sorgt. Der Tora scheint es nicht abwegig, ja sogar selbstverständlich, dass Gott davon ausgeht, dass der Mensch diese Werte in den Hintergrund drückt oder einfach vergisst, sobald er einen gewissen Grad an Wohlstand erreicht hat. »Du möchtest sonst, wenn Du isst und satt bist und schöne Häuser baust und darin wohnst, und wenn deine Rinder und Schafe sich mehren, dein Silber und Gold sich mehrt, du möchtest sonst hochmütig werden und den Ewigen, deinen Gott, vergessen...« (8,13-14).
Heute neigt der Mensch durchaus zur Selbstzufriedenheit, und die Frage nach der Existenz Gottes ist für viele offen. Nur in Notsituationen oder emotionalen Extremsituationen möchte der ein oder andere auf ein wenig göttliche Hilfe zurückgreifen oder erbittet sogar göttliche Hilfe.
Um Gott nicht auf diesen beliebigen »Zugriff« zu beschränken, schreitet Moses ein und stellt dem Volk eine, mehr rhetorische, Frage: »Und nun Israel, was verlangt denn der Ewige, dein Gott von dir?« Die Antwort folgt auf dem Fuße: »… doch nur, dass du den Ewigen, deinen Gott fürchtest, in seinen Wegen wandelst und ihn liebst, dass du dem Ewigen, deinem Gott, mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele dienst, dass du die Gebote und Gesetze des Ewigen, die ich dir heute gebe, beachtest, auf dass es dir wohl ergehe.« (10,12-13).
Mit dieser Antwort soll sichergestellt werden, dass die Gesellschaft auch ohne äußere Kontrolle funktionieren kann. Die »Gebote und Gesetze« Gottes verlangen nicht nur die Liebe zu Gott, sondern auch Liebe zu den Menschen. Doch kann man Liebe erzwingen oder herbeizitieren? Nein, sagt der Talmud. »Alles untersteht der Macht des Himmels, außer dass jemand sich dafür entscheidet, Gott zu verehren.« (Berachot 33b). Es ist ein Prinzip des Judentums, dass der Mensch frei ist, sich für Gott zu entscheiden oder gegen ihn. Der Mensch hat den freien Willen erhalten, um sich aus freien Stücken für »Seine Wege« zu entscheiden, oder eben dagegen. Tatsächlich ist Liebe oder Verehrung nicht erzwingbar, wenn man den Begriff »Liebe« in einer oberflächlichen, romantischen Lesart begreift. Die Liebe ist in dem Wochenabschnitt aber mehr als ein Gefühl oder eine Geisteshaltung zu verstehen, die tiefe und zugewandte Verbundenheit zu einer Person ausdrückt und die keinem speziellen Zweck verpflichtet ist. Sie schließt eine aktive Wendung an das Gegenüber mit ein.
Im Toraabschnitt Ekew bedeutet Liebe konkrete Taten: die Unterstützung der Armen, der Obdachlosen, der Witwe, des Waisen und des Fremden. Nicht um Gottes Wohlwollen zu erkaufen, sondern um Gott zu danken, dass all dies möglich ist. Der Prophet Michah wird es später etwas knapper fassen: »Er hat dir kundgetan, Mensch, was gut ist und was der Ewige von dir verlangt: Nur Recht zu tun, Barmherzigkeit zu lieben und demutsvoll vor deinem Gott zu wandeln.« (Michah 6,8)
Nachdem Gott wie ein Vater liebend auf Israel achtgab, ist nun Israel in der Lage, seinerseits nicht nur geliebt zu werden, sondern auch selber zu lieben. Es verlässt das Abhängigkeitsverhältnis des Kindes von seinen Eltern und kann nun frei wählen.
Der Abschnitt Ekew erinnert uns daran, dass nichts selbstverständlich ist und nichts ausschließlich in unserer Macht steht und zeigt, wie es erreichbar ist, dass alle Menschen in einer gerechten Welt leben, auch wenn sie zuweilen dazu tendieren, sich mit vollem Magen ungern daran zu erinnern.

Ekew: 5. Buch Moses 7,12 bis 11,25

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