Schule

Im Lehrreich

von Marijana Miljkovic

In die Schule fahren ist wie ans Ende der Welt fahren. So zumindest kommt es einem vor, wenn man sich auf den Weg zur Wiener Zwi-Perez-Chajes-Schule macht, Europas größtem jüdischem Schulkomplex. In der Simon-Wiesenthal-Gasse im 2. Bezirk steht der Neubau, der seit Schulbeginn am 1. September in Betrieb ist und am Mittwoch feierlich eröffnet wurde. Eingekesselt zwischen der Baustelle des Maimonides-Zentrums, eines jüdischen Altenheims, und einer U-Bahn-Baustelle steht das dreistöckige Gebäude mit der offenen Fensterfront. Einen Steinwurf entfernt liegt die A23, die Südosttangente, eine der am stärksten befahrenen Autobahnen bei Wien.
»Arm sind die, die nicht im 2. Bezirk wohnen«, sagt Chaja, Schulsprecherin am Gymnasium. »Doch das sind die wenigsten«, ergänzt sie. Dass viele Wiener Juden im 2. Bezirk, in der Leopoldstadt, leben, ist historisch gewachsen und hat sich auch nach 1945 nicht geändert. 15.000 bis 20.000 Juden gibt es heute in Österreich, die meisten von ihnen leben in Wien. Rund 7.000 sind Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG). Knapp drei Viertel der jüdischen Kinder und Jugendlichen gehen in jüdische Schulen und Kindergärten. »Das ist die höchste Dichte in Europa«, sagt IKG-Präsident Ariel Muzicant. »Im europäischen Schnitt gehen 80 Prozent der jüdischen Kinder nicht in jüdische Schulen, in Wien sind es nur 30 Prozent.«
Gegründet wurde die heutige Zwi-Perez-Chajes-Schule 1919 von dem gleichnamigen Oberrabbiner. 1938 musste das Gymnasium schließen. Anfang der 80er-Jahre gründete die IKG die Schule neu – zunächst den Kindergarten, dann die Volksschule und schließlich auch das Gymnasium.
Im Neubau des Wiener Architekten Thomas Feiger sind Kindergarten, Volksschule und Gymnasium untergebracht. Das Projekt hat rund 16 Millionen Euro gekostet. Mit weiteren drei Millionen Euro schlägt die Ausstattung zu Buche: Von einem modernen Werkraum über gut ausgestattete Biologie- und Physiksäle bis hin zu Laptops für die Schüler ist alles dabei. Doch was noch fehlt an der neuen Schule, ist die Synagoge, die sich über zwei Stockwerke des Gebäudes erstrecken soll. Rund 400.000 Euro wird sie kosten – Geld, das die Gemeinde nicht hat.
Die Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht finanziert sich über Schulgebühren. Das koschere Mittagessen und die Nachmittagsbetreuung sind extra zu bezahlen. Was die Schule von anderen unterscheidet: Die Kinder lernen vom Kindergarten an Hebräisch. Das Alephbet ist auch das Zentrum der Schule, im wahrsten Sinn des Wortes: Wie ein Gemälde sind die Buchstaben an der großen Wand im zweiten Stock des Gebäudes aufgehängt. Doch auch die Pinnwände und Türen ziert das hebräische Alphabet. Auch die Türen der Kindergartengruppen. An einer hängt ein Zettel: »Wir haben Läuse«, steht am Eingang zur »Schneckengruppe«. Der Fröhlichkeit der »Schnecken« können die kleinen Tierchen aber nichts anhaben: Sie feiern lautstark Geburtstag.
»Die meisten Kinder bleiben von der Krippe bis zur Matura an der Schule«, sagt Daniel Brandel, der administrative Leiter. Die Statuten der Schule – koscheres Essen, Kippot für die Jungen, Gebete zu den Mahlzeiten, schulfrei an jüdischen Feiertagen – gelten für alle Kinder. »Jede jüdische Familie, ob orthodox oder weniger religiös, kann ihre Kinder hierherschicken«, sagt Natalie Neubauer vom Schulverein. Judith Zinner, Leiterin der Volksschule ergänzt: »Religion wird nicht als Pflicht angesehen. Was wir machen, ist, jüdische Identität, Jiddischkeit, zu vermitteln.« Zugelassen sind nur Kinder, die registrierte Mitglieder der Kultusgemeinde sind. Die meisten Lehrer allerdings sind nicht jüdisch. Die drei Schulformen haben je einen jüdischen und einen pädagogischen Leiter oder Leiterin.
Neu eingeführt zum neuen Schuljahr wurde die Schuluniform – hellblaue Blusen und Hemden, T-Shirts und Sweater. Hosen und Röcke sind Angelegenheit der Schüler. Ob ihnen das gefällt? »Eine gute Idee«, sagt die 15-jährige Sara. Ihr Mitschüler Nathan ist weniger begeistert: »Eher nicht«, sagt er, räumt aber ein: »Es herrscht keine Konkurrenz untereinander. Aber es nervt, immer das Gleiche zu tragen.« Schulsprecherin Chaja nennt einen anderen Grund für die Uniform: »Damit man sich nicht allzu offenherzig kleidet.«
Farblich abgestimmt auf die Schuluniform sind die Gänge und Gemeinschaftsräume. Sie sind in Hellgrau und Weiß gehalten. Jedes Stockwerk hat seine Farbe, von hellrosa bis pink gehen die Abstufungen in einem Stockwerk. Der Zweck ist der Wohlfühlfaktor – die Schüler sollen ihre Klasse als ihr Zuhause empfinden.
Das benachbarte Sportzentrum Hakoah, das vor einem halben Jahr eröffnet wurde und mit der Schule durch einen Kellergang verbunden ist, können die Schüler auch in der Freizeit nutzen. Genauso wie das Kreativzentrum »Jehuda Halevi«. Dort laufen derzeit Proben zu einem Musical über den Novemberpogrom. Am 17. November ist die Uraufführung, vier Mal sollen die Schüler mit professionellen Schauspielern auf der Bühne stehen. Der Erlös aus den Kartenverkäufen fließt in die letzte Baustelle der Schule, die Synagoge. Wenn die fertig ist, dann ist auch der Campus am Wiener Stadtrand komplett.

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