Buber-Rosenzweig-Medaille

Hinter den Bildern

Von Fritz Wolf

In einem Text über die Ermordung des holländischen Filmemachers Theo van Gogh heißt es, für Journalisten dürfe es »keine No-go-Areas im Kopf« geben. Denn dann bekomme das demokratische Fundament Risse, »dann definiert nicht das Gesetz und nicht der erstrittene gesellschaftliche Konsens die Grenzen des Zulässigen, sondern die Gewalt der Aufklärungsgegner, deren Opfer jeder und jede werden kann.«
Geschrieben hat den Text der Fernsehjournalist Georg M. Hafner. Für ihn und für Esther Schapira könnte das als journalistisches Credo gelten. Die beiden Journalis-ten, die am Sonntag in Mannheim die »Buber-Rosenzweig-Medaille« der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit erhalten, arbeiten beim Hessischen Rundfunk als leitende Redakteure im Ressort Politik. Ihr Themenkreis ist mit einigen Stichworten umrissen: Nazivergangenheit, Rechtsradikalismus, Antisemitismus, demokratische Grundrechte und vor allem der israelisch-palästinensische Konflikt.
Als präziser Ausdruck für das journalis-tische Selbstverständnis der beiden Journalisten kann die Reihe Das rote Quadrat gelten, die vom Hessischen Rundfunk für die ARD produziert wurde. Die journalistische und journalismuskritische Idee dahinter: den Bilderfluss anhalten und die Geschichte hinter einem bekannt gewordenen Bild suchen.
Einen der streitbarsten und umstrittens-ten Filme aus dieser Reihe drehte Esther Schapira: Drei Kugeln und ein totes Kind – Wer erschoss Mohammed Al Dura? (2002). Darin ging sie einem Fernsehbild nach, das weltweit Aufsehen erregt hatte: Ein Junge mit seinem Vater, in einen Schusswechsel im Gazastreifen geraten, versucht sich vor den Kugeln zu schützen und wird erschossen. Die Schützen, so die allgemeine Vermutung, waren Israelis. Esther Schapira rekonstruierte puzzleartig die Ereignisse und kam zu dem Ergebnis, weit eher könnte eine palästinensische Kugel den Jungen getötet haben.
Für Konzeption und Durchführung der Reihe Das rote Quadrat bekam die Redaktion den Adolf-Grimme-Preis. Die Auszeichnung verhalf noch zu einer zweiten Staffel, dann war Schluss. Die Quoten entsprachen nicht den Vorgaben, die die ARD auf diesem Sendeplatz haben wollte. Etwas später starteten Hafner und Scha-pira eine neue Reihe unter dem Titel Der Tag als. Die Konzentration auf einen einzigen Tag sollte in vergleichbarer Weise Hintergrund und Ursachen politischer Konflikte ausleuchten. In ihrer Konzeption war die Reihe allerdings nicht gleichermaßen schlüssig. Eines der Glanzlichter der Reihe kam wieder von Esther Schapira: Der Tag als ich ins Paradies wollte – Der Weg einer lebenden Bombe (2005). Sie spricht hier mit einem verhinderten jugendlichen Selbstmordattentäter, den ein israelischer Busfahrer in letzter Sekunde gestoppt hatte, als er seine Bombe zünden wollte. Schapira erfragt Motive, Lebensumstände und Zukunftsvorstellungen und fördert zutage, in welchem Maße solche Jugendlichen intensiver Gehirnwäsche ausgesetzt waren. Vor der Kamera sprechen sich die Eltern des Jungen eindeutig gegen Selbstmordattentate aus.
Mit ähnlicher Akribie hat sich Georg M. Hafner mit Umfeld und Biografie von Mohammed Bouyeri befasst, dem Holländer marokkanischer Abstammung, der im Herbst 2004 am helllichten Tag mitten in Amsterdam den Filmemacher Theo van Gogh hinrichtete. Hafner kommt in seiner Analyse zum Ergebnis, das Attentat habe vor allem der Demokratie gegolten. Der Westen, so seine Schlussfolgerung, dürfe nicht ängstlich zurückweichen. Es sei ein »Irrglaube, durch Beschwichtigung, durch verständnisvolles Nachgeben, den Aggressor milde stimmen zu können, durch Wohlverhalten verschont zu werden.« Diese Ansicht vertritt Hafner pointiert auch in seinen Tagesthemen-Kommentaren. Sein Ton ist in den letzten Jahren, wenn nicht alles täuscht, schärfer geworden, dringlicher.
Gleichermaßen pointiert äußert Hafner sich auch zu innenpolitischen Themen. Als 2002 der hessische Ministerpräsident Roland Koch Verdi-Chef Frank Bsirske mit der Bemerkung attackierte, die Namensnennung reicher Deutscher sei »eine neue Form von Stern an der Brust«, äußerte Hafner lapidar: »Vergleiche zur Nazizeit, allesamt unsäglich, hatten stets und haben nach wie vor Konjunktur.«
Hafner und Schapira haben auch zahlreiche Fernsehdokumentationen gemeinsam gedreht. Ihre wichtigste Arbeit ist sicherlich Die Akte B. - Alois Brunner, die Geschichte eines Massenmörders (1998). Akribisch rekonstruiert der Film den Lebensweg des Deportationsspezialisten Alois Brunner und die Blutspur, die er durch Europa zog. Sie sprechen mit Opfern, deren Zeugenaussagen noch nicht nachgefragt worden waren. Brunner hatte nach dem Krieg eine zweite Karriere gestartet, für den BND gearbeitet und war dann in Syrien untergetaucht. Der Film über diesen Massenmörder ist ein wichtiges Dokument der Fernsehgeschichte geworden, entstanden ganz ohne Jahrestagszwang und ohne den Pomp der Knoppschen Unterhaltungshistory, sondern: weil er notwendig und weil er dringlich war.

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