Entschädigungsgesetz

Hauptstadt-Bonus

von Jan Opielka

Die polnische Hauptstadt Warschau möchte einst enteignete Immobilienbesitzer entschädigen. Ein Gesetzentwurf sieht vor, Grundstücke und Häuser zurückzugeben, oder, wenn dies nicht möglich ist, sie in Form einer »Rekompensation« oder einer Entschädigung abzugelten. Die Rückgabemöglichkeit ist ein großer Unterschied zum jüngst vorgestellten Entwurf für ein landesweites Entschädigungsgesetz, das für ganz Polen außer Warschau gelten soll. Dort sind nur Entschädigungszahlungen bis zu 20 Prozent des Immobilienwerts vorgesehen (vgl. Jüdische Allgemeine vom 16. Oktober).
Grund für die Sonderstellung der Hauptstadt sind die sogenannten Bierut-Dekrete, auf deren Basis in Warschau enteignet wurde. In diese Verfügung – benannt nach dem einstigen Führer der Kommunistischen Partei, Boleslaw Bierut – war schon 1945 eingeschrieben worden, dass Enteignete Anspruch auf Entschädigungen haben sollten. Nun möchte die Sejm-Fraktion der regierenden Partei Bürgerliche Plattform (PO) den Entwurf ins polnische Parlament einbringen.
Laut städtischem Projekt sind Immobilien allerdings dann von der Rückgabe ausgeschlossen, wenn sie an Dritte veräußert wurden oder heute öffentlich genutzt werden. Ausgeschlossen von möglichen Rückgaben sollen zudem Personen sein, die Ansprüche vonseiten anderer Staaten hätten geltend machen können. Auch sonst sind für mögliche Rückgaben enge Grenzen gesetzt, sodass die Mehrzahl der Fälle – sollte das Gesetz tatsächlich eines Tages in Kraft treten – über Entschädigungszahlungen geregelt werden dürfte.
Erstaunlicherweise klammert der Gesetzesentwurf die wichtige Frage aus, wie hoch die Ausgleichszahlungen sind. Die Höhe der Entschädigungen soll sich am Immobilienwert zur Zeit der Enteignung orientieren. Ein Entwurf mit vielen offenen Fragen, die das verantwortliche Stadtbüro trotz wiederholter Anfrage der Jüdischen Allgemeinen nicht beantworten wollte.
Die Sozialkulturelle Gesellschaft der Juden in Polen (TSKZ), die größte jüdische Organisation des Landes, hat noch keine Stellung zu dem Gesetzesprojekt bezogen. Wie Henryk Albert vom Warschauer TSKZ-Büro sagte, werde sie dies auch nicht tun, denn »wir sind keine Opfervertretung«.
Piotr Kadlcik, Vorsitzender des Landesverbandes der jüdischen Konfessionsgemeinden vermutet, dass in Warschau nur wenige polnische Juden Entschädigungsforderungen stellen werden – noch weniger als die geschätzten 14 Prozent jüdischer Anspruchsberechtigter, die sich auf das geplante landesweite Gesetz berufen könnten.
Nach Angaben des Warschauer Anwalts Jan Stachura seien im Vorkriegs-Warschau 38 Prozent aller Immobilien in jüdischem Besitz gewesen. Stachura, der sich auf Streitfälle von Enteignungen und Grundstücksrückgaben spezialisiert hat, vertritt derzeit auch einige jüdische Mandanten, die ihre Immobilien zurückerhalten wollen. »Die überwiegende Zahl der ehemals jüdischen Grundstücke wird nie mehr in die Hände ihrer rechtmäßigen Besitzer oder Nachfahren gelangen«, sagt Stachura. Grund dafür sei vor allem der Holocaust, in dem nahezu alle Warschauer Juden ermordet wurden.
Zum anderen hätten jüdische Nachfahren, die rechtmäßige Erben seien und noch lebten, wesentlich mehr Schwierigkeiten, ihre Ansprüche glaubwürdig darzustellen als nichtjüdische Polen, so Stachura. Denn die zivilrechtlichen Stamm- akten von Juden, etwa zu Heirat und Nachkommenschaft, seien im Krieg und danach von Deutschen und später auch von Polen zum großen Teil vernichtet worden. Die Akten von katholischen Polen hingegen würden in gut erhaltenen Kirchenarchiven geführt.
Bei dem städtischen Projekt sieht Stachura aber auch ein Verfassungsproblem: »Es kann durchaus sein, dass das Verfassungsgericht das Warschauer Gesetz kassiert, weil hier die Rückgabe von Immobilien möglich sein soll, im restlichen Polen jedoch nicht.«
Ob es also ein oder zwei Gesetze geben werde und ob überhaupt eine abschließende Regelung komme, sei fraglich, so Stachura. »Ich habe schon viele Gesetzesentwürfe kommen und gehen sehen.«

Interview

»Sehr präzise und äußerst wirksame Schläge«

Arye Sharuz Shalicar über Israels Angriff auf den Iran, die Situation der iranischen Bevölkerung und die Zukunft des Mullah-Regimes

 15.06.2025

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025

Israel

Geisel-Angehörige fordern Ende des »Albtraums«

Seit bald 600 Tagen hält die Hamas noch 58 lebende und tote israelische Geiseln im Gazastreifen fest. Israelis demonstrieren vehement für ihre Freilassung und fordern ein Ende des Krieges

 24.05.2025

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025