Palästinenser-Wahl

Hamas, Abbas oder was?

von Wladimir Struminski

Eine absolute Mehrheit für die Hamas. Damit hatte vor den palästinensischen Parlamentswahlen auch in Israel niemand gerechnet – die Nachrichtendienste einge-
schlossen. Umso stärker sitzt den Israelis der Schock in den Knochen. Vom einfachen Bürger über die Medien bis hin zur hohen Politik wird über die Frage debattiert, was jetzt, nach dem scheinbar Unvorstellbaren, zu erwarten ist. Urteilt man nach den Äußerungen der Hamas-Führer selbst, müssen sich die Israelis auf eine Offensive des Terrors gefaßt machen, die alles Bisherige in den Schatten stellt. »Der Widerstand gegen Israel wird weitergehen«, drohte der Leiter des Hamas-Politbüros, Chaled Maschal, nach dem Sieg. Nach dem Gasastreifen, kündigte der Listenführer der Hamas-Fraktion, Ismail Hanije, an, sollen »auch andere Teile des Vaterlandes befreit werden«.
Israelische Geheimdienstkreise gehen jedoch davon aus, daß die Hamas zumindest in der nächsten Zeit von einer Terror-offensive absehen werde. Jochanan Tzoref, Forscher an der Bar-Ilan-Universität und ehemaliger Berater der israelischen Behörden im Gasastreifen, hofft sogar, daß die Organisation unter dem Druck der Realität am Anfang eines Wandlungsprozesses steht. »Wir müssen versuchen, die Entwicklung aus palästinensischer Perspektive zu sehen«, sagt Tzoref. Und da sehen die Dinge anders aus. »Chaled Maschal hat erklärt, die Hamas werde die von der Palästinensischen Nationalbehörde im Rahmen des Friedensprozesses eingegangenen Verpflichtungen erfüllen, falls sie den palästinensischen Interessen entsprechen. Das ist, trotz der Einschränkung, eine echte Revolution.«
Zudem, gibt Joram Schweitzer, Terrorismusexperte am Tel Aviver Jaffee-Zentrum für strategische Studien zu bedenken, hat die Hamas mit der Parlamentsmehrheit keine absolute Macht übernommen. Vielmehr verfüge der Vorsitzende der Palästinensischen Nationalbehörde (PNA), Machmud Abbas, über weitreichende Machtbe-
befugnisse. Und auf diese will er, wie die vergangenen Tage gezeigt haben, nicht verzichten. Der PNA-Chef ist auch für die Außenpolitik und die Verhandlungen mit Israel zuständig.
Unter diesen Umständen sieht sich die israelische Regierung einem Dilemma gegenüber. Auf der einen Seite muß sie versuchen, den Konflikt mit der Hamas nicht unnötig zu verschärfen. Auf der anderen Seite darf sie nicht den Anschein erwecken, daß sie der Terrororganisation Legitimität verleiht. Auf der Suche nach der goldenen Mitte rückte der kommissarische Ministerpräsident Ehud Olmert von der anfänglichen Parole ab, eine palästinensische Regierung mit Hamas-Beteiligung könne »kein Partner« sein. Anfang dieser Woche nannte Olmert Bedingungen, unter denen Israel mit der Hamas sprechen will: eine Abkehr vom Terrorismus, Israels Anerkennung und Abschaffung der Hamas-Charta sowie die Anerkennung aller von der PNA eingegange-
nen Verpflichtungen.
Und wie wird sich das Ergebnis der palästinensischen Wahl auf die Resultate der Knesset-Wahl Ende März auswirken? Die israelische Rechte nahm den Hamas-Sieg zum Anlaß, die Räumung des Gasa-streifens erneut anzuprangern. Der Rückzug, so Benjamin Netanjahus Likud, habe direkt zum Sieg der Hamas geführt. Zumindest ein Teil der Wähler glaubt das auch. In einer am Montag veröffentlichten Umfrage konnte der Likud gegenüber der Vorwoche drei Mandate zulegen und würde heute 16 Knesset-Sitze erringen. Gleichwohl liegt Scharons Kadima in den Umfragen mit prognostizierten 42 Abgeord- neten unangefochten vorn.

Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt: Verfassungsschutz sieht Demokratie bedroht

Im Osten ist die AfD besonders stark. Allerdings etablieren sich auch andere rechtsextremistische Bestrebungen

von Christopher Kissmann  19.05.2025

Erinnerungskultur

Beauftragter Klein will neues Konzept für NS-Gedenkstätten

Sie erinnern an die NS-Verbrechen und lenken den Blick auf die Gegenwart: Gedenkstätten. Sie bräuchten verlässlich Gelder und gut ausgebildetes Personal, sagt der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus

von Leticia Witte  19.05.2025

Berlin

»Israelfeindliche Schriftzüge« an Humboldt-Universität

Laut Polizei sind Fassaden am Haupt- und an einem Seiteneingang betroffen

 19.05.2025

Berlin

Linnemann: Migrationsabstimmung mit AfD führte zu Polarisierung

Im Januar ließ die Union über einen Antrag und Gesetzentwurf zur Verschärfung der Migrationspolitik abstimmen. Sie nahm in Kauf, dass die AfD zustimmt. Die Abstimmung hätte besser nicht stattgefunden, meint der CDU-Generalsekretär jetzt

 19.05.2025

Den Haag

Zehntausende fordern härteren Israel-Kurs

Demonstranten tragen symbolisch rote Kleidung, um eine rote Linie für die niederländische Regierung zu markieren

 18.05.2025

Nahost

Militärexperte: Vorgehen in Gaza führt zu Erstarken des islamistischen Terrors

Carlo Masala warnt vor einer Erhöhung des Konfliktpotenzials in der Region

 17.05.2025

Jerusalem

»Der Papst hat Lust auf Dialog«

Abt Nikodemus Schnabel über die Wahl von Leo XIV., das jüdisch-christliche Gespräch und Hoffnung auf Frieden in Nahost

von Michael Thaidigsmann  14.05.2025

Geiseln

Edan Alexander ist frei

Die palästinensische Terrororganisation Hamas hat die Geisel an das Rote Kreuz übergeben

 12.05.2025 Aktualisiert

Margot Friedländer

»Ihrem Vermächtnis gerecht werden«

Am Freitag starb die Holocaust-Überlebende und Zeitzeugin im Alter von 103 Jahren in Berlin. Ein persönlicher Nachruf

von André Schmitz  10.05.2025