Gemeinwohl

Gute Geister

von Wladimir Struminski

Um halb sechs Uhr morgens ist es in der Notaufnahme des Hadassah-Krankenhauses im Südjerusalemer Stadtteil Ein Karem noch ruhig. Doch auf einmal wird die Schwingtür aufgestoßen. Sanitäter des Roten Davidsterns rollen mehrere Verletzte in den großen Saal, die Opfer des ersten Verkehrsunfalls an diesem Morgen. Sie übergeben die Unfallopfer der Obhut der Ärzte. Die Helfer sind keine Angestellten der jüdischen Erste-Hilfe-Organisation, sondern Freiwillige. Sie sind auffällig jung, wirken mit ihren Sprüchen übermütig und abgebrüht zugleich. »Heute hattest du Glück«, ruft Moishe seiner Krankenhauskollegin zu. »Sonst wirst Du bei jeder Schicht vollgekotzt, bloß diese Nacht nicht.« Die Gruppe, inklusive der Angesprochenen, bricht in schallendes Gelächter aus. Die Freiwilligen verschwinden aus der Notaufnahme und warten auf ihren nächsten Einsatz – Leben retten ist angesagt.
Mit ihrem Engagement steht die kleine Freundesrunde nicht allein. Hunderttausende von Israelis machen sich um ihre Mitbürger verdient und erhalten keinen Schekel dafür. Fast jeder sechste Erwachsene ist als Freiwilliger tätig – international ein Spitzenwert, sagt das Zentralamt für Statistik in Israel. Der Grad ihres Engagements schwankt. In der jüdischen Bevölkerung leisten etwa ein Drittel der Ultraorthodoxen und unter den Modernorthodoxen ein gutes Viertel als sogenannte Volunteers Hilfsdienste. Und unter nichtreligiösen Juden, Drusen, Moslems und Christen ist die Freiwilligenquote mit acht bis vierzehn Prozent immer noch beträchtlich.
An Einsatzmöglichkeiten mangelt es nicht. Die Freiwilligen können Kranke und Behinderte betreuen oder in Armeeküchen mitarbeiten. Sie unterrichten an Schulen, erleichtern Neueinwanderern das Einleben in Israel oder gehen als Polizeihelfer auf Israels Straßen Streife. In der Regel wenden sie mehrere Stunden monatlich für den unbezahlten Dienst an der Allgemeinheit auf, meist eine Schicht pro Monat. Jeder Dritte nimmt sich mehr als zehn Stunden Zeit für seinen freiwilligen Dienst, manche kommen sogar auf vierzig Stunden.
So flexibel die Einsatzgebiete, so unterschiedlich ist auch der Bedarf der Einrichtungen an Freiwilligen. In der Bürgergarde der Polizei leisten rund 70.000 Volunteers ihren Dienst. Dagegen kommen kleinere Institutionen mit einigen Dutzend hilfsbereiten Geistern aus. Dabei engagiert sich nur jeder zweite Freiwillige bei einer Organisation. Die andere Hälfte tut rein privat Gutes, ob sie nun für ältere Nachbarn einkaufen oder Jugendlichen das Fußballspielen beibringen. Allerdings muss es sich auch hierbei um einen Dienst an Fremden handeln: Hilfe innerhalb der Familie und des Freundeskreises wird von der Statistik nicht als Freiwilligenarbeit erfasst.
Für die israelische Gesellschaft ist die Freiwilligenarbeit ein Segen. Zwar ersetzen pro Schicht 20 bis 30 unbezahlte Kräfte einen fest angestellten Mitarbeiter, doch in Krisensituationen lassen sich die Freiwilligen im Großaufgebot mobil machen. »Bei einem Terroranschlag mit zahlreichen Verletzten brauchen wir möglichst viel Personal vor Ort, und zwar möglichst schnell«, erklärt der Freiwilligenkoordinator beim Roten Davidstern, Moti Nave. »Oft sind unsere Freiwilligen die Ersten, die am Tatort eintreffen und Erste Hilfe leisten.« Dabei kann die Organisation auf 12.000 aktive Helfer zurückgreifen.
Ganz uneigenützig ist die Freiwilligentätigkeit jedoch trotzdem nicht. Die Helfer werden zwar für ihre Tätigkeit nicht bezahlt, sie ziehen aber einen enormen immateriellen Wert aus ihrem Handeln: das Bewusstsein, das Richtige zu tun. Für die meisten ist freiwillige Tätigkeit ein nicht mehr wegzudenkender Teil ihres Lebens.
Auch für Hadas Saaroni. Die Klimaforscherin und Dozentin an der Universität Tel Aviv ist Mutter von zwei Söhnen. Ihr ältester Sohn Gal kam infolge einer während der Schwangerschaft aufgetretenen Gehirnblutung mit zerebraler Lähmung zur Welt. Bis zu seinem zwölften Lebensjahr konnte Gal zu Hause betreut werden. Seit zehn Jahren lebt er in Beit Uri, einer Wohnstätte für geistig Behinderte in Afula. Hadas Saaroni nutzte die dadurch gewonnene Freizeit jedoch nicht für sich selbst, sondern schloss sich der Behindertenfürsorge-Organisation AKIM an. Heute kümmert sich die Klimaforscherin sowohl um Gal als auch um andere Familien mit ähnlichem Schicksal. Über die AKIM-Hotline steht sie Betroffenen als Gesprächspartnerin zur Verfügung. »Ich versuche, Eltern von behinderten Neugeborenen zu vermitteln, dass sie nicht allein sind. Ich helfe ihnen, über den ersten Schock hinwegzukommen, sie zu beraten«, schildert Hadas Saaroni ihre Arbeit.
Oft erreicht die Freiwillige die Herzen ihrer Gesprächspartner, weil sie mit ihnen nicht als Amtsperson, sondern als Leidensgenossin spricht. Die engagierte Dozentin trifft sich auch mit anderen Angehörigen von Behinderten und führt Informationsveranstaltungen durch. »Den Freiwilligen-Geist habe ich aus meinem eigenen Elternhaus mitgebracht«, erzählt sie. »Meine El-
tern haben sich immer um die Schwächeren gekümmert. Auch ich kann nicht anders.«

Capri

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