Antisemitismus

Geschichte abgeräumt

von Carsten Dippel

Die SED behauptete stets, in der DDR sei der Faschismus »mit Stumpf und Stiel« ausgerottet worden. Wie verlogen diese Haltung war, macht eine vergangene Woche von der Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin eröffnete Wanderausstellung deutlich. Ein Jahr lang sind 76 Jugendliche in acht ostdeutschen Städten auf Spurensuche gegangen. Sie haben Zeitzeugen befragt und Akten gewälzt. »Das hat’s bei uns nicht gege- ben!«, schlug es ihnen häufig entgegen. So lautet denn auch der Titel des auf 36 Tafeln mit Texten, Fotos und Dokumenten präsentierten Projekts. Die Ausstellung zeigt, dass der Antisemitismus in der DDR viele Gesichter hatte. Im mecklenburgischen Hagenow etwa fanden die Jugendlichen einen als Türschwelle missbrauchten Grabstein. Der alte jüdische Friedhof war in den 60er Jahren vollständig »abgeräumt« worden. Auf dem Gelände parkten später Müllfahrzeuge. Wer wusste, dass das in Auschwitz eingesetzte Zyklon B in Dessau produziert wurde? An dieses Kapitel der Stadtgeschichte wollte sich niemand so recht erinnern. Im DDR-Geschichtsunterricht fiel dazu kein Wort. Und welcher DDR-Bürger ahnte, dass die SED unter »Solidarität mit dem palästinensischen Volk« die Ausbildung von PLO-Terroristen verstand und dem Drahtzieher des Münchner Olympiaattentats von 1972, bei dem elf israelische Sportler entführt und ermordet wurden, Unterschlupf gewährte?
Selbst hinter dem sich wandelnden Ton gegen Ende der DDR, als man mit großem Tamtam den Wiederaufbau der Synagoge in der Oranienburger Straße begann, steckte politische Absicht, wie Wolf Biermann auf dem abendlichen Podium zur Ausstellungseröffnung bemerkte. SED-Chef Honecker sehnte sich nach außenpolitischer Reputation und spekulierte dabei auf die Hilfe einer als einflußreich vermuteten »jüdischen Lobby« in den USA.
Der Antisemitismus in der DDR besaß, wie die Ausstellung zeigt, aber auch alltäglichere Formen. In Schulbänke geritzte SS-Runen, antisemitische Schmierereien, Sieg-Heil-Parolen. Sogar eine »SS-Division« gab es: In Wolgast hatte eine Gruppe junger Männer schwarze Uniformen geschneidert, Hakenkreuzfahnen gebastelt. Die Stasi hat dies genau dokumentiert und zugleich alles dafür getan, die Aktion nicht öffentlich werden zu lassen. Solche Vorfälle wurden gezielt verharmlost oder ganz unter den Teppich gekehrt. Manche mussten sich zwar vor dem »Kollektiv« rechtfertigen, selten jedoch ging man juristisch vor. Eine ernsthafte, gar öffentliche Auseinandersetzung mit verbreiteten antijüdischen Ressentiments wurde vermieden, gerade weil das ideologische Korsett des Antifaschismus den kritischen Blick in die eigene Vergangenheit verhinderte.
Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, erinnert daran, dass die Wurzeln von Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus im heutigen Ostdeutschland weit in die DDR zurück reichen. In Berlin ist die Ausstellung noch bis zum 24. April im Rathaus Lichtenberg (Möllendorffstr. 6, Mo-Fr 10-18 Uhr) zu sehen.
www.amadeu-antonio-stiftung.de

Berlin

Wagenknecht-Bündnis gegen Waffenexporte nach Israel

Das Bündnis Sahra Wagenknecht fordert einen kompletten »Waffenstopp«

 22.04.2024

Capri

G7 warnen Israel und Iran vor Eskalation

Der Iran wird aufgefordert auf, die Unterstützung der Terrororganisation Hamas zu beenden

 19.04.2024

Frankfurt am Main

Angriff Israels auf Iran belastet Aktienmarkt

Der Leitindex Dax sackte gleich zu Beginn des Handelstages ab

 19.04.2024

Jerusalem

Baerbock trifft Premier Netanjahu und Präsident Herzog

 17.04.2024

Israel

Omer und ich

Ich habe einen neuen Mitbewohner, einen neuen Freund. Omer Shem Tov ist bei mir eingezogen. Er hat wunderschöne Augen, blaugrün und gutmütig, während ich derzeit schlecht schlafe, schließt er sie nie

von Gabriella Meros  15.04.2024

Naher Osten

G7 verurteilen Angriff auf Israel

Die sieben großen Industriestaaten hatten am Sonntag ein Treffen einberufen

 14.04.2024

Berlin

Zentralrat der Juden ruft Deutschland und die EU zu einer harten Position gegenüber Iran auf

Zentralrat hat den Großangriff Irans auf Israel mit aller Schärfe verurteilt

 14.04.2024

Rechtsextremismus

Zentralrat: »AfD-Funktionäre müssen immer wieder mit ihren radikalen Ansichten konfrontiert werden«

Zentralratspräsident Josef Schuster äußert sich zum TV-Duell

 12.04.2024

NRW

Haftbefehl gegen drei Jugendliche wegen Terrorverdachts

Sie werden verdächtigt, einen islamistisch motivierten Anschlag geplant zu haben

 12.04.2024