von Christine Schmitt
31 ausgedrückte Zigaretten liegen am Abend im Aschenbecher. Im Foyer vor dem großen Saal im Gemeindehaus an der Fa-
sanenstraße wird gequalmt – obwohl meh-
rere Rauchverbotszeichen an den Wänden angebracht sind. »Gilt nur an Schabbat«, hat ein Witzbold in Hebräisch auf ein Schild gekritzelt. »Also, man darf hier immer rauchen – nur an Schabbat eben nicht«, interpretiert ein Raucher diesen Hinweis schmunzelnd und zieht genussvoll an seiner Zigarette.
Seit Anfang des Jahres gilt das Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in elf Bundesländern – auch in Berlin. Diese neue Bestimmung verbietet das Rauchen in öffentlichen Gebäuden, Hotellerie und Gastronomie.
»Das betritt natürlich auch unsere Einrichtungen«, sagt André Lossin, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Vorbei seien die Zeiten, in denen während der Repräsentantenversammlungen vor dem Sitzungssaal ein Glimmstängel nach dem anderen angezündet worden sei. Auch Gemeindeparlamentarier, die während der Debatte im Saal direkt unter dem Rauchverbotsschild sitzen und paffen, wird es kaum noch geben – denn es drohen Geldstrafen. »Auch im Gemeindehaus darf man sich keine Zigarette mehr anstecken, sonst kann es teuer werden«, meint Lossin. Er wolle in Zukunft mehr darauf achten.
Tatjana Gabriel vom Restaurant »It’s Gabriel« im Gemeindehaus Fasanenstraße seufzt: »Wir müssen uns ja auch ans Rauchverbot halten. Leider.« Etliche ihrer Gäste seien darüber verärgert, dass nun nicht mehr gequalmt werden darf. »Aber das betrifft ja nicht nur uns, sondern alle Restaurants und Kneipen.«
Im »Bleiberg« musste der blaue Dunst schon immer draußen bleiben – denn seit den vier Jahren des Bestehens des Cafés gilt absolutes Rauchverbot. »Rauchen ist nicht koscher«, meint Manuela Hoffmann-Bleiberg. Zudem sollten ihre Gäste, die ohne Rauchschwaden ihre Speisen und Getränke genießen wollten, nicht vertrieben werden. Die seien dankbar, dass es bei »uns nicht stinkt«. Raucher, die in ihrer Pension übernachten, müssen notfalls vor die Tür gehen – aber sie könne sich nicht erinnern, dass das wirklich mal vorgekommen sei. Und trotz oder eben wegen der frischen Luft seien die Zimmer stark frequentiert.
Seit 17 Jahren gibt es das Beth Café, das Restaurant der Synagogengemeinde Adass Jisroel in der Tucholskystraße – und ebenso lange gilt dort bereits das Rauchverbot. In ihren Räumen sei noch nie eine Zigarette angezündet worden, heißt es dort. »No smoking« gilt auch für das »Lechaim«, das koschere Restaurant im Jüdischen Bildungszentrum Münsterschen Straße. »Wir sind hier direkt neben der Synagoge – da darf natürlich nicht geraucht werden«, sagt Anna Spark, die gerade in der Gaststätte aushilft. Das sei für alle selbstverständlich.
»Heute weiß man, wie schädlich das Konsumieren von Zigaretten für Raucher und Passivraucher ist«, sagt Gemeinderabbiner Yitshak Ehrenberg. In Tora und Talmud stehe schon geschrieben, dass man auf seine Gesundheit achten müsse. »Jeder hat die Pflicht, seine Gesundheit zu schützen und auch anderen keinen Schaden an-
zutun«, betont er. Wer raucht, würde genau das Gegenteil tun. »Ich bin froh, dass das Schmöken nun in öffentlichen Gebäuden verboten ist«, so der 58-Jährige.
Das lässt Uri Faber, Mitarbeiter der Jüdischen Gemeinde und passionierter Raucher, unberührt. Er weiß genau, was er am 18. März tun wird. »Da werde ich zu einem ›Smoke in‹ einladen«, sagt er. Denn an diesem Tag vor 150 Jahren sei das Rauchen auf öffentlichen Straßen erlaubt worden, nachdem das Volk dafür gekämpft habe. In der deutschen Märzrevolution 1848 hätten die Demokraten in Berlin das Recht erstritten. Am 25. März 1848 sei es amtlich geworden: »Das Verbot des nicht feuergefährlichen Tabakrauchens in den Straßen der hiesigen Residenz und der Vorstädte ist aufgehoben.« Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts gelte als Zeitalter des stilvollen »Genussrauchens«. Grund genug für Uri Faber, diesen Tag »würdig« zu begehen.
Bis Juli gibt es für ihn und andere noch eine Schonzeit. Vom Sommer an werden die Raucher, die am falschen Ort ihre Zi-
garetten anzünden, vom Ordnungsamt zur Kasse gebeten. Bußgelder von 5 bis zu 1.000 Euro drohen. Theoretisch gilt das auch für die Einrichtungen der Jüdischen Gemeinde.