Schriftsteller

Exil im Bergischen Land

von Constanze Baumgart

Das Beil von Wandsbek ist einer der bekanntesten Romane von Arnold Zweig. Doch die wenigsten wissen, dass dieses Werk der deutschen Exilliteratur zuerst auf Hebräisch erschien. Zu sehen ist die 1943 in Palästina herausgekommene Erstausgabe seit Sonntag in einer Dauerausstellung mit dem etwas sperrigen Titel »Himmel und Hölle zwischen 1918 und 1989. Die verbrannten Dichter. Sammlung Jürgen Serke« im Kunstmuseum Baden in Solingen. Wie Ha Kardom chel Wandsbek, erzählen auch die anderen Exponate dieser Literaturausstellung die Geschichte von deutschsprachigen Schriftstellern und Schriftstellerinnen, die im Dritten Reich wegen ihrer politischen Überzeugung, ihrer »Rasse« oder Religion verfolgt, verbannt, entrechtet wurden. Dabei spannen die Ausstellungsmacher in der nur vier Räume umfassenden Schau den Bogen historisch weit: vom Ausgang des Ersten Weltkriegs bis zum Ende der DDR, von dem deutsch-jüdischen Revolutionär und Schriftsteller Ernst Toller bis zu dem ostdeutschen Autor Jürgen Fuchs, den die DDR-Behörden 1977 zur Ausreise zwangen.
In unaufdringlich gestalteten, klar gegliederten Vitrinen werden dem Besucher mit Büchern, Fotos, Briefen und Widmungen verfolgter Autoren deren Lebensgeschichten und Werke präsentiert. Für die zahlreichen deutschsprachigen jüdischen Schriftsteller, deren Bücher 1933 verbrannt wurden, die ins Exil flüchteten und ihre Sprache verloren, stehen stellvertretend Else Lasker-Schüler, Rose Ausländer, Arnold Zweig, Erich Fried und Mascha Kaléko.
Der Titel der Ausstellung, Die verbrannten Dichter, geht auf ein Buch und eine »Stern«-Serie von Jürgen Serke aus den 70er-Jahren zurück. Jahrelang hatte der Journalist Werke und Zeugnisse widerständiger und verfolgter Schriftsteller gesammelt. Seine »Initiationsgeschichte«, wie er sie nennt, fand in Prag statt, wo Serke als Korrespondent im Prager Frühling 1968 erlebte, wie Schriftsteller wie Milan Kundera und Pavel Kohout sich gegen die Diktatur zur Wehr setzten. »Als ich wieder zurück in Deutschland war, sagte ich mir, so, jetzt schaue ich mir mal unseren Widerstand gegen die Nazis an«, erzählt Serke. Er begann zu sammeln und zu schreiben – erst eine überaus erfolgreiche Ar- tikelserie im »Stern« und später das Buch. So ist der vierte Ausstellungsraum auch nicht den Dichtern, sondern Serke und seiner Arbeit gewidmet. Artikel von ihm und über ihn bedecken die Wände. Deutlich werden soll die Rezeptionsgeschichte der Verbrannten Dichter. Ein sinnvolles Anliegen, auch wenn man sich hiervon etwas weniger gewünscht hätte zugunsten zusätzlicher Exponate über die verfolgten Schriftsteller.
Dass ausgerechnet das kleine, außerhalb des Bergischen Lands unbekannte Solinger Museum die Sammlung Serke zeigt, ist kein Zufall. Treibende Kraft bei der Realisierung der Ausstellung war die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft aus Solingens Nachbarstadt Wuppertal. Deren Gründer Hajo Jahn hatte Anfang der 90er-Jahre gemeinsam mit dem PEN-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland einen Aufruf zum Bau eines »Zentrums der verfolgten Künste/Dichter« veröffentlicht, unterschrieben von Günther Grass, Sarah Kirsch, Siegfried Lenz, Yehuda Amichai, Tuvia Rübner und Jakob Hessing. Als er hörte, dass die Sammlung Serke zu erwerben war, löste Jahn die Else-Lasker-Schüler-Stiftung auf und kaufte mit dem Stiftungsvermögen die Bücher und Autografen. Dass sie jetzt als Dauerleihgabe im Museum Baden stehen, hat aber nicht nur mit der geografischen Nähe zu tun. Bereits seit 2004 verfügt das Haus mit der »Bürgerstiftung für verfemte Künste mit der Sammlung Gerhard Schneider« über ein qualitätvolles Ensemble von Werken der sogenannten »verschollenen Generation«, wie Kunsthistoriker die Künstler bezeichnen, die wegen der nationalsozialistischen Verfolgung – von der Brandmarkung als »entartet« bis hin zur physischen Vernichtung – nie den verdienten Bekanntheitsgrad erreichten. Gemälde und Grafiken, meist dem Expressionismus oder der Neuen Sachlichkeit zuzurechnen, können die Besucher hier (wieder)entdecken.
Mit diesen beiden Sammlungen steht Solingens »Museum der verfolgten Künste« – das einzige seiner Art in Europa – jetzt auf zwei soliden Säulen. Hinzu kommen mehrere Sonderausstellungen. Die Bilder des Dichters und Malers Peter Kien, der noch als Häftling in Theresienstadt malte und zeichnete und 25jährig in Auschwitz ermordet wurde, führen exemplarisch ein jüdisches Künstlerschicksal in der Schoa vor Augen. Mit den Arbeiten von Sigalit Landau schlägt das Haus sehr elegant den Bogen zur Gegenwart: Die israelische Künstlerin, die zur Zeit auch im New Yorker MOMA ausstellt, ist eine »Enkelschülerin« von Peter Kien: Einer seiner Schüler war ihr Kunstprofessor.
Diese inhaltliche Vielfalt erkennbar zu einer Einheit zu binden, ist allerdings eine Herausforderung, die die Beteiligten voraussichtlich noch länger beschäftigen wird. Noch stehen für die Museumsbesucher die beiden Ausstellungen zur verfolgten Kunst und Literatur räumlich und optisch unverbunden nebeneinander. Hajo Jahn zitiert dazu Brecht: »Die Mühen der Berge haben wir hinter uns, vor uns liegen die Mühen der Ebene.«

Museum Baden, Wuppertaler Straße 160,
42653 Solingen-Gräfrat
www.museum-baden.de

Berlin

Bundestagspräsidentin will Angehörige israelischer Geiseln treffen

In dieser Woche sind Angehörige der von der Hamas verschleppten Geiseln in Berlin. Am Dienstag kommt Bundestagspräsidentin Klöckner mit ihnen zusammen. Sie formuliert im Vorfeld klare Erwartungen

 07.07.2025

Magdeburg

Batiashvili und Levit mit Kaiser-Otto-Preis ausgezeichnet

Der Kaiser-Otto-Preis ist die höchste Auszeichnung der Stadt Magdeburg. Er wurde im Jahr 2005 anlässlich des 1.200-jährigen Stadtjubiläums zum ersten Mal verliehen. In diesem Jahr ging er an zwei Künstler, die sich gesellschaftlich engagieren

von Oliver Gierens  03.07.2025

Israel

Gideon Saar: Mehrheit der Regierung will Gaza-Deal

Israels rechtsextreme Minister Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich möchten einen neuen Gaza-Deal verhindern. Laut Außenminister Saar sind die meisten Regierungsmitglieder aber anderer Ansicht

 02.07.2025

Politik

Dobrindt in Israel - Treffen mit Netanjahu geplant

Innenminister: »Ich will zeigen, dass wir Israel als engsten Partner im Kampf gegen den Terror unterstützen.«

 28.06.2025

Berlin

Frei informiert die Fraktionschefs über Lage in Nahost

Die Bundesregierung ist nach dem US-Angriff auf den Iran im Krisenmodus. Am Vormittag findet ein Informationsgespräch im Kanzleramt statt, an dem auch die rechtsextremistische AfD teilnimmt

 23.06.2025

Ethik

Zentralrat will sich für Schächten auf europäischer Ebene einsetzen

In manchen Ländern und Regionen Europas ist das Schächten verboten

 22.06.2025

Iran-Krieg

Steinmeier sieht noch Chancen für Diplomatie

Für Diplomatie ist im nahen Osten derzeit kein Raum. Das muss aus Sicht von Bundespräsident Steinmeier aber nicht so bleiben

 18.06.2025

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025