„Ghetto“

Es war einmal in Wilna

von Jessica Jacoby

SS-Obersturmbanführer Kittel (Sebastian Hülk), Herr über Leben und Tod im Wilnaer Ghetto, hat ein Auge auf die jüdische Sängerin Haya (Erika Marozsán) geworfen und läßt das Theater, dessen Star sie war, wiedereröffnen. Seine Mätresse wird Chaja trotzdem nicht. Statt dessen flüchtet sie in die Wälder, um sich den jüdischen Partisanen anzuschließen. Ghettokommandant Kittel erschießt darauf das verbliebene Ensemble auf offener Bühne.
Soweit kurz und knapp die Handlung von Ghetto, dem Theaterstück, das den israelischen Dramatiker Joshua Sobol vor rund 20 Jahren in Deutschland bekannt machte. Legendär bis heute ist die Berliner Aufführung in der Volksbühne mit Esther Ofarim als Chaja und Michael Degen als Ghettopolizeichef Jakob Genz. Giora Feidman spielte dazu auf.
Der Erfolg von Ghetto war nicht nur der populären Besetzung geschuldet. Sobols Drama stand für die Bereitschaft der israelischen Kulturszene, auch kontroverse Themen aufzugreifen. Ghetto zeigt das ungeschminkte Bild einer jüdischen Gemeinde kurz vor ihrer Vernichtung. Es gibt die unkorrumpierbaren Chronisten und den militanten Widerstand, aber auch die Menschen, die kollaborieren, um ihre eigene Haut oder die der nächsten Verwandten zu retten, und sei es um den Preis eigener Schuld. Bei Sobol treten auch die jüdischen Profiteure auf, die sich im Schatten der mörderischen Macht gut eingerichtet haben und sich in falscher Sicherheit wiegen. Obwohl das Stück mit fast dokumentarischer Genauigkeit reale Personen und Ereignisse des Wilnaer Ghettos und seines Theaters nachzeichnet, geht es Sobol gleichzeitig um alle Ghettos im nationalsozialistisch besetzten Europa.
Jetzt hat der litauische Regisseur Audrius Juzenas Ghetto an Originalschauplätzen in seinem Heimatland verfilmt. An diesem Donnerstag läuft der Film in den Kinos an. Wenn ein erfolgreiches Theaterstück verfilmt wird, begründet man das meist damit, daß ein Film ein noch größeres Publikum erreicht. In diesem Fall kann das be- zweifelt werden. Erstens kommt die Kinofassung reichlich spät. Zweitens, und das ist die eigentliche Crux, bleibt Juzenas allzusehr der Bühnenvorlage verhaftet. Der Film scheitert an seiner Treue zum Bühnenstück, dem er filmisch nichts hinzuzufügen versteht. aber dabei doch mehr sein will als Dokumentation einer Theateraufführung.
Kino und Bühne sind nun einmal unterschiedliche Kunstformen. Theater typisiert seine Figuren. Wird das aber, wie hier, im Film übernommen, wirken die Protagonisten flach; die Zuschauer bleiben emotional unbeteiligt. Und was auf der Bühne notwendigerweise ausgespielt werden muß, um die Zuschauer zu erreichen, wirkt, wenn es bruchlos im Film übernommen wird, hemmungslos überspielt. Wenn in der Kinoversion Gens (Heino Ferch), der Chef der jüdischen Ghettopolizei, mit Obersturmbanführer Kittel um die Anzahl der zu ermordenden Juden feilscht, verschwindet die historische Tragik hinter einer Seifenoper-Dramatik, die nur den Voyeurismus des angestrebten breiten Publikums bedient. Erst recht, wenn der SS-Mann sich hinter Chaja stellt, erst einen, dann den anderen Träger ihres Abendkleides löst und ihre Brüste entblößt. Bei soviel Peinlichkeit hilft auch nicht, daß Frau Marozsán wunderschön anzuschauen ist und ebenso singt.
Ghetto auf der Bühne war große Kunst. Ghetto auf der Leinwand ist nur Kunstgewerbe geworden.

Magdeburg

Batiashvili und Levit mit Kaiser-Otto-Preis ausgezeichnet

Der Kaiser-Otto-Preis ist die höchste Auszeichnung der Stadt Magdeburg. Er wurde im Jahr 2005 anlässlich des 1.200-jährigen Stadtjubiläums zum ersten Mal verliehen. In diesem Jahr ging er an zwei Künstler, die sich gesellschaftlich engagieren

von Oliver Gierens  03.07.2025

Israel

Gideon Saar: Mehrheit der Regierung will Gaza-Deal

Israels rechtsextreme Minister Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich möchten einen neuen Gaza-Deal verhindern. Laut Außenminister Saar sind die meisten Regierungsmitglieder aber anderer Ansicht

 02.07.2025

Politik

Dobrindt in Israel - Treffen mit Netanjahu geplant

Innenminister: »Ich will zeigen, dass wir Israel als engsten Partner im Kampf gegen den Terror unterstützen.«

 28.06.2025

Berlin

Frei informiert die Fraktionschefs über Lage in Nahost

Die Bundesregierung ist nach dem US-Angriff auf den Iran im Krisenmodus. Am Vormittag findet ein Informationsgespräch im Kanzleramt statt, an dem auch die rechtsextremistische AfD teilnimmt

 23.06.2025

Ethik

Zentralrat will sich für Schächten auf europäischer Ebene einsetzen

In manchen Ländern und Regionen Europas ist das Schächten verboten

 22.06.2025

Iran-Krieg

Steinmeier sieht noch Chancen für Diplomatie

Für Diplomatie ist im nahen Osten derzeit kein Raum. Das muss aus Sicht von Bundespräsident Steinmeier aber nicht so bleiben

 18.06.2025

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025