Ankara

Eiszeit

Eiszeit

Ankara friert die
türkisch-israelischen Beziehungen ein

Für Verschwörungstheorien haben die Türken immer viel übrig, doch das jüngste Produkt der Gerüchteküche paßt ganz besonders gut in die politische Landschaft. Islamistische Politiker wollen herausgefunden haben, wer für das gefährliche Krim-Kongo-Fieber verantwortlich ist, das von Zecken übertragen wird und das in den vergangenen Wochen mehrere Menschen in der Türkei das Leben gekostet hat: Eine Besuchergruppe aus Israel, die aus getarnten Agenten bestehe, habe die Krankheit ins Land gebracht.
Die israelischen Luftangriffe auf Ziele in Libanon lassen in der Türkei den Anti-semitismus erstarken. »Terrorist Israel« titelte die regierungsnahe Zeitung Yeni Safak nach dem folgenschweren Angriff in Kana. Die moslemische Türkei war lange Zeit stolz auf ihre engen Beziehungen zum jüdischen Staat – beide Länder verstehen sich traditionell als Vorposten der westlichen Demokratie im Nahen Osten. Doch von diesem Stolz ist nichts mehr zu spüren.
Regierung, Gewerkschaften und erst recht islamistische Kreise in der Türkei verdammen das israelische Vorgehen in Libanon und kritisieren den Westen, weil er nichts tut, um Israel in den Arm zu fallen. Gleichzeitig wächst die Bereitschaft, sich mit den Moslems in der Region zu solidarisieren. So schickte der türkische Rote Halbmond 10.000 Tonnen Mehl in die Palästinensergebiete. Demonstrativ fuhren Minister der türkischen Regierung die ersten Meter im Konvoi mit.
Auch außerhalb der Regierung gibt es in der Türkei derzeit kaum jemanden, der gut auf Israel zu sprechen wäre. Die Beamtengewerkschaft Memur-Sen appellierte an den Westen, er solle Israel Einhalt gebieten. Die islamistische Zeitung Milli Gazete forderte in einem Kommentar die Solidarität aller Moslems mit Hisbollah: Selbst das Engagement türkischer Säkularisten sei gefragt. Denn eines Tages könnte auch die Türkei ins Fadenkreuz des Westens geraten.
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wird schon seit längerem nachgesagt, nicht besonders viel für die Partnerschaft zwischen der Türkei und Israel übrig zu haben. In den vergangenen Jahren sorgte Erdogan für eine erhebliche Abkühlung im Verhältnis zu Tel Aviv, indem er der israelischen Regierung wegen der gezielten Tötung militanter Palästinenser »Staatsterror« vorwarf.
Zwar sieht sich die Türkei nach wie vor in einer einzigartigen Position im Nahen Osten: Die Nachfolgerin des Osmanischen Reiches, das lange Zeit die Region beherrschte, strebt eine Vermittlerrolle an. Als vor wenigen Wochen die Spannungen zwischen Israel und der Hamas-Regierung wegen des in Gasa entführten israelischen Soldaten eskalierten, schickte Erdogan seinen außenpolitischen Berater Ahmet Davutoglu nach Damaskus, um mit der syrischen Regierung und der Exil-Führung von Hamas zu sprechen. Doch unparteiisch ist die Haltung des selbsternannten Vermittlers Türkei nicht: »Man kann nicht ein ganzes Land und alle seine Zivilisten vernichten«, sagte Erdogan über Israels Angriffe in Libanon.
Noch läßt sich nicht absehen, wie tiefgreifend und dauerhaft die derzeitige Abkühlung im türkisch-israelischen Verhältnis sein wird. Zumindest bis zu einem Waffenstillstand in Libanon dürfte es aber bei der antiisraelischen Rhetorik der Regierung und bei der Stimmung in der Öffentlichkeit bleiben. Thomas Seibert

Meinung

Gibt es ein palästinensisches Volk?

Rafael Seligmann antwortet dem israelischen Finanzminister Bezalel Smotrich

von Rafael Seligmann  23.03.2023

Wissenschaft

Oumuamua ist kein außerirdisches Raumschiff

Lange verblüffte der interstellare Besucher Astronomen: Dass Oumuamua auf seiner Bahn beschleunigte, befeuerte sogar Spekulationen über ein außerirdisches Raumschiff. Nun liefern Forscher eine Erklärung

 22.03.2023

FU Berlin

Knochenfunde werden beerdigt

Ein Teil der Gebeine könnte von Opfern nationalsozialistischer Verbrechen stammen

 22.03.2023

Italien

Polizei: Mann mit »Hitlerson«-Trikot bei Rom-Derby ist Deutscher

Aufnahmen der Überwachungskameras führten die Behörden zum Täter

 22.03.2023

Italien

Empörung nach antisemitischen Vorfällen bei Römer Derby

Der Verein Lazio Rom verurteilte »jegliche diskriminierende, rassistische oder antisemitischen Kundgebungen«

 21.03.2023

CDU

Friedrich Merz reist nach Israel

Der deutsche Oppositionsführer wird Ministerpräsident Netanjahu treffen

 17.03.2023

Hessen

Verfassungsschützer warnt vor »trügerischer Ruhe« bei Islamismus

Seit Ende des vergangenen Jahres sei eine »verstärkte Agitation« zu beobachten, sagt Bernd Neumann

 16.03.2023

Initiative

»Internationale Wochen gegen Rassismus« ab Montag

Einsatz gegen Rassismus, aber auch Antisemitismus und andere Formen des Menschenhasses soll sichtbar werden

 16.03.2023

Einspruch

Das Vertrauen erodiert

Susanne Urban empört sich darüber, dass ein antisemitischer Polizei-Chat ungeahndet geblieben ist

von Susanne Urban  10.03.2023