Hilde Domin

»Du darfst dich nicht gewöhnen«

von Wolf Scheller

Man hat sie eine Lyrik-Klassikerin genannt. Aber vor ihrem 4o. Lebensjahr hatte Hilde Domin kein einziges Poem verfaßt. Das Gedichteschreiben begann sie erst 1951 in der dominikanischen Republik. Dorthin war die Kölner Jüdin Hilde Palm, geborene Löwenstein, mit ihrem Mann vor den Nazis geflohen. Der Künstlername Domin war eine Reverenz an das Exilland: »Ich nannte mich/ich selber rief mich/mit dem Namen einer Insel.«
Hilde Löwenstein stammte aus einem assimilierten Elternhaus. Ihr Vater, ein erfolgreicher Anwalt, betrachtete sich nicht als Jude, sondern als Deutscher. Die 1909 geborene Tochter, die Ende der zwanziger Jahre in Heidelberg studierte, hörte sich die Tiraden Hitlers aus der Nähe an und wußte Bescheid. Mit ihrem Freund und späteren Ehemann, dem Kunsthistoriker Erwin Walter Palm, ging sie 1932 nach Italien und promovierte in Florenz über Staatstheorie der Renaissance. Die Flucht vor Hitler zwang das Ehepaar Palm zu einer Odyssee, die über Rom, Paris und London schließlich nach Santo Domingo führte, von wo sie erst 1961 wieder nach Deutschland zurückkehrten.
Zwei Jahre zuvor war Hilde Domins erster Lyrikband erschienen. Eines der Gedichte dort heißt Mit leichtem Gepäck: »Gewöhn dich nicht./Du darfst dich nicht gewöhnen./Eine Rose ist eine Rose./Aber ein Heim/ist kein Heim.« Walter Jens meinte damals, das Bild der Rose stehe für die deutsche Sprache, an die sich die Dichterin in den Jahren des Exils habe klammern können. Das trifft die Sache ziemlich genau. Hilde Domin war vor ihren Landsleuten geflohen, nicht vor ihrer Sprache. In der hatte sie sich immer aufgehoben gewußt. Nicht von ungefähr war sie während ihres Exils Lektorin für Deutsch an der Universität von Santo Domingo.
Die Gedichtbände Rückkehr der Schiffe von 1962 und Hier von 1964 umkreisten noch diese Erfahrung der eigenen Sprach-odyssee. In Höhlenbilder 1968 und Ich will dich 1970 begann die Dichterin, sich zunehmend mit gesellschaftlichen Fragen zu befassen. Die Schülerin des Philosophen Karl Jaspers und des Soziologen Karl Mannheim hatte sich immer ein intensives Interesse für Politik bewahrt, auch einen Sinn für Widerstand. In ihrem Essay Wozu Lyrik heute? Dichtung und Leser in der gesteuerten Gesellschaft 1968 beschrieb sie die Position des Lyrikers als die eines »Widerständlers«, der sich »auf der Kippe zweier Gesellschaftsstrukturen (befindet), Ausschau haltend nach einer dritten«.
Die Poeme aus dieser Zeit zeigen auch, wie Hilde Domin stilistische Vollkommenheit im Einfachen suchte, wie sie Genauigkeit und Alltagsnähe der Sprache zusammenzubringen verstand. So konnte sie in der 68er Zeit, als Lyrik verpönt war, ganz bewußt auch ein nicht-intellektuelles Publikum ansprechen.
Hilde Domins Lyrik umarmt die Welt und formuliert zugleich gegen das Vergessen. In ihrer Poetik-Vorlesung an der Frankfurter Universität hat sie erzählt, wie ihr erstes Gedicht entstand: »Es passierte, wie wenn einer überfahren wird. Oder wie Liebe.« Vergangene Woche ist Hilde Domin im Alter von 96 Jahren in Heidelberg gestorben.

Magdeburg

Batiashvili und Levit mit Kaiser-Otto-Preis ausgezeichnet

Der Kaiser-Otto-Preis ist die höchste Auszeichnung der Stadt Magdeburg. Er wurde im Jahr 2005 anlässlich des 1.200-jährigen Stadtjubiläums zum ersten Mal verliehen. In diesem Jahr ging er an zwei Künstler, die sich gesellschaftlich engagieren

von Oliver Gierens  03.07.2025

Israel

Gideon Saar: Mehrheit der Regierung will Gaza-Deal

Israels rechtsextreme Minister Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich möchten einen neuen Gaza-Deal verhindern. Laut Außenminister Saar sind die meisten Regierungsmitglieder aber anderer Ansicht

 02.07.2025

Politik

Dobrindt in Israel - Treffen mit Netanjahu geplant

Innenminister: »Ich will zeigen, dass wir Israel als engsten Partner im Kampf gegen den Terror unterstützen.«

 28.06.2025

Berlin

Frei informiert die Fraktionschefs über Lage in Nahost

Die Bundesregierung ist nach dem US-Angriff auf den Iran im Krisenmodus. Am Vormittag findet ein Informationsgespräch im Kanzleramt statt, an dem auch die rechtsextremistische AfD teilnimmt

 23.06.2025

Ethik

Zentralrat will sich für Schächten auf europäischer Ebene einsetzen

In manchen Ländern und Regionen Europas ist das Schächten verboten

 22.06.2025

Iran-Krieg

Steinmeier sieht noch Chancen für Diplomatie

Für Diplomatie ist im nahen Osten derzeit kein Raum. Das muss aus Sicht von Bundespräsident Steinmeier aber nicht so bleiben

 18.06.2025

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025