Alice Miller

Die Freundin der Kinder

»Das Kind ist immer unschuldig.« Mit diesem Satz aus ihrem wichtigsten Buch Das Drama des begabten Kindes hat Alice Miller selbst ihr theoretisches Programm vielleicht am prägnantesten umschrieben. Kindheitsforscherin nannte sich Miller, auf keinen Fall durfte man sie Psychoanalytikerin nennen.
Alice Miller wurde 1923 im damals zu Polen gehörenden Lemberg geboren. Sie studierte unter anderem an der Geheimen Universität Warschau während des Zweiten Weltkriegs. 1953 promovierte sie mit einer psychologischen Arbeit in Basel. Danach wurde Miller in freudianischer Psychoanalyse ausgebildet und arbeitete in einer eigenen Praxis. Erst in den 80er-Jahren vollzog sie den Bruch mit Sigmund Freud. »Meine persönlichen Erfahrungen halfen mir schließlich zu begreifen«, schrieb sie einmal, »dass die Psychoanalyse die neuen Erkenntnisse über die Kindheit niemals integrieren wird, weil sie es ihrem Wesen nach nicht kann.« Freud habe, warf sie ihm vor, das Leid, das Kinder früh erführen, als Fantasie abgetan. Dabei sei genau dies der Schlüssel zum Verständnis der Menschen: »In jedem noch so schrecklichen Diktator, Massenmörder, Terroristen steckt ausnahmslos ein einst schwer gedemütigtes Kind, das nur dank der absoluten Verleugnung seiner Gefühle der totalen Ohnmacht überlebt hat.«
Miller untersuchte die Biografien von Elvis Presley, Virginia Woolf, James Joyce, Franz Kafka, aber auch von Saddam Hussein auf Hinweise von frühkindlicher Kränkung. Fand Miller keine – das monierten ihre Kritiker –, sei das für sie bloß ein Indiz für besonders konsequente Verleugnung. Sogar Adolf Hitler und sein Handeln glaubte sie so erklären zu können.
Doch selbst Gegner zollten Alice Miller für ihre materialreiche Arbeit Respekt. Wie aktuell ihr großes Thema Kindesmissbrauch ist, zeigte sich gerade in den vergangenen Wochen. Doch Miller, die streitbare Kindheitsforscherin, konnte nicht mehr mitdebattieren. Anfang April teilte sie auf ihrer Website mit: »Es ist mir leider nicht mehr möglich, meine Tätigkeit auf dieser Seite fortzusetzen.« Starker Muskelverlust habe sie geschwächt, sie rechne mit ihrem baldigen Tod.
Alice Miller ist, wie erst Ende vergangener Woche bekannt wurde, am 12. April im Alter von 87 Jahren in der Provence gestorben. Die Beisetzung fand, wie der Suhrkamp-Verlag mitteilte, im engsten Kreis statt. Martin Krauß

Dresden

Sachsen unterstützt neue Antisemitismus-Projekte

Abgedeckt werden unter anderem der Umgang mit Verschwörungsmythen und die Befähigung zur argumentativen Gegenwehr

 01.06.2023

Unglück auf dem Lago Maggiore

Geheimdienst-Mitarbeiter und israelischer Ex-Agent unter den Toten

Israels Außenministerium bestätigt den Tod eines etwa 50 Jahre alten israelischen Staatsbürgers

 30.05.2023

Streaming

Warum Serien über ultraorthodoxe Juden so erfolgreich sind

»Shtisel« und »Unorthodox« fanden weltweit ein großes Publikum auf Netflix. Mit der Serie »Rough Diamonds« steht jetzt wieder eine ultraorthodoxe Familie im Mittelpunkt

von Christiane Laudage  30.05.2023

Studie

Ist Grüner Tee wirklich gesund?

Israelische und kanadische Forscher finden heraus, dass Grüner Tee ungeahnte Gefahren bergen könnte

von Lilly Wolter  28.05.2023

Wissenschaftler über Berg in Brienz: Es gibt drei Szenarien - zwei sind besonders dramatisch

von Beni Frenkel  25.05.2023

Ermreuth

Angeklagter räumt versuchten Brandanschlag auf Synagoge ein

Die Generalstaatsanwaltschaft geht von einem »rechtsextremen und judenfeindlichen Tatmotiv« aus

 25.05.2023

Bayern

Prozessbeginn wegen versuchten Brandanschlags auf Synagoge Ermreuth

Der Angeklagte soll versucht haben, einen Feuerwerkskörper zu entzünden, um ihn ins Innere zu werfen

 25.05.2023

Plön

Bhakdi-Prozess mit Anklage-Verlesung fortgesetzt

Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Bhakdi (76) Volksverhetzung in zwei Fällen vor

 23.05.2023

Judenhass

Prozess wegen Volksverhetzung gegen Corona-Kritiker startet

Der Mediziner Sucharit Bhakdi soll seine Zuhörer zu Hass auf Juden aufgestachelt haben

 23.05.2023