Konferenz

Dialog statt Dialüge

Dialog statt Dialüge

Eine Konferenz zum weltweiten Umgang mit dem Holocaust

von Ingo Way

In Teheran tagten am Montag die Holocaust-Leugner. In Berlin trafen sich zur selben Zeit renommierte internationale Wissenschaftler wie Raul Hilberg, Peter Longerich, Wolfgang Kraushaar und David Menashri zu einer Konferenz der Bundeszentrale für politische Bildung und des Zentrums für Antisemitismusforschung. Ihr Thema: »Der Holocaust im transnationalen Gedächtnis«.
Nathan Sznaider wies in seinem Vortrag auf die Fallstricke einer »transnationalen« Erinnerung an die Schoa hin: Sie habe mittlerweile eine universale Bedeutung erlangt. Dadurch, so Sznaider, gerate aber mehr und mehr in Vergessenheit, daß es sich um ein Verbrechen speziell an den Juden, nicht »der Menschheit«, gehandelt habe. Der Holocaust würde nunmehr zu einem »Allgemein-Bösen« umgedeutet und als Chiffre für alle möglichen, ganz anders gearteteten historischen Ereignisse benutzt. Bei so unterschiedlichen Themen wie Sklaverei, Kolonialismus oder Nahostkonflikt würden heute Parallelen zum Holocaust gezogen.
Der Soziologe Harald Welzer beobachtet die Tendenz, daß sich das öffentliche Gedenken an die NS-Zeit dem privaten Gedenken deutscher Familien angleiche – nach dem Motto »Mein Opa war kein Nazi«, sondern selber Opfer (etwa des Bombenkriegs). Die Gleichsetzung der NS-Zeit mit der Politik Israels von heute sei allerdings kein deutsches Phänomen, sondern überall in Europa zu beobachten. Forderungen nach mehr historischer Aufklärung betrachtet Welzer mit Skepsis. Mangelndes Wissen sei nicht das Problem; wer sich die Welt nun einmal mit Hilfe des Antisemitismus erkläre, den könnten Fakten nicht überzeugen.
Auf dem von Caroline Fetscher moderierten Podium »Der Holocaust und die muslimische Welt« bemerkte David Menashri von der Universität Tel Aviv, es sei zwar banal festzustellen, daß nicht alle Muslime Antisemiten seien. Das ändere aber nichts daran, daß die überwiegende Mehrheit der Muslime sich auch nicht ablehnend gegenüber Antisemitismus äußere. Im Iran sähe die Situation zwar etwas anders aus, die Bevölkerung sei bei weitem nicht so antisemitisch wie die Führung, doch auch hier fehle es an elementarem historischen Wissen über die Judenvernichtung. Dies bestätigte auch die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur. Ahmadinedschad ziele mit seinen israelfeindlichen Äußerungen weniger auf die eigene Bevölkerung als vielmehr auf die arabische Öffentlichkeit, der er sich als islamischer Einiger andienen wolle. Menashri kündigte an, selbst ein Buch über den Holocaust in persischer Sprache zu verfassen und via Internet jungen Iranern zugänglich zu machen.
Wohlmeinenden Interpretationen, denen zufolge Antisemitismus unter Migranten mit deren Erfahrung von Ausgrenzung zu tun hätte oder die Iraner Ahmadinedschad nur aus Protest gegen Korruption gewählt hätten, erteilte die Filmemacherin Esther Schapira eine Absage: Die Leute wüßten sehr gut, wen sie wählten, und sie meinten, was sie sagten. Ein Dialog, der alles Strittige von vornherein vermeide, um ernsthafte Konflikte auszuschließen, führe zu nichts.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025

Israel

Geisel-Angehörige fordern Ende des »Albtraums«

Seit bald 600 Tagen hält die Hamas noch 58 lebende und tote israelische Geiseln im Gazastreifen fest. Israelis demonstrieren vehement für ihre Freilassung und fordern ein Ende des Krieges

 24.05.2025

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025

Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt: Verfassungsschutz sieht Demokratie bedroht

Im Osten ist die AfD besonders stark. Allerdings etablieren sich auch andere rechtsextremistische Bestrebungen

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London

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 19.05.2025