Artur Brauner

Der letzte Tycoon

von Rüdiger Suchsland

Er hat einmal gesagt: »Ich werde Filme produzieren bis zu meinem Tod«. Er hat Emigranten wieder nach Deutschland geholt, Robert Siodmak zum Beispiel, mit dem er neun Filme gedreht hat, Fritz Lang, mit dem es immerhin noch für drei reichte, und Gottfried Reinhardt, den Sohn des berühmten Max Reinhardt. Später war er einer von denen, die in Westdeutschland Western machten und Edgar-Wallace-Filme, die das Erbe des Kino-Expressionismus mit seinen schwarz-weißen Licht-Schatten-Spielen wieder zurück auf die Leinwände und ins Fernsehzimmer brachten. Er hat mit Orson Welles gedreht und mit Omar Sharif, mit den Lieblingen des deutschen Kriegs- und Nachkriegskinos, Romy Schneider, Heinz Rühmann, O. W. Fischer und Curd Jürgens sowieso. Er ist der dienstälteste (seit 1946) und erfolgreichste Produzent Europas. Er hat sehr gut verdient mit seinen Filmen, aber er hat mit ihnen auch viel Geld verloren, vor allem mit denen, die ihm eine Herzensangelegenheit waren und die er mit den anderen bezahlte. Und er hat solche Filme trotzdem immer wieder gemacht.
Artur Brauner ist, um es nüchtern und unpathetisch zu sagen, das, was der deutsche Film am meisten braucht und was er am wenigsten hat: ein Profi. Er ist aber auch einer der letzten Überzeugungstäter im Filmgeschäft, und dass das deutsche Kino auch die dringend braucht, wird es wohl erst begreifen, wenn es Menschen wie Artur Brauner nicht mehr gibt.
Geprägt haben den 1918 in Lodz geborenen Sohn eines Holzgroßhändlers die Stunden, die er als Kind vor der Leinwand verbrachte. Schon mit sechs Jahren, sagt Brauner, sei er »sieben oder acht Mal in der Woche nach der Schule direkt ins Kino gegangen«. Cowboyfilme hat er gern gesehen, aber auch Deutsches, Fritz Lang vor allem: Metropolis und Dr. Mabuse, der Spieler. Es ist bestimmt kein Zufall, dass Brauner später immer wieder zu dieser Figur zurückgekehrt ist, in der Lang schon 1921 das dämonische Doppelantlitz des deutschen 20. Jahrhunderts zum Ausdruck ge-bracht hatte. Insgesamt sieben Mabuse-Filme hat Brauner zwischen 1960 und 1971 produziert.
Als die Deutschen 1939 in Polen einfielen, studierte Artur Brauner am Polytechnikum. Rechtzeitig vor der Deportation tauchten er und seine Familie unter. Sie überlebten in der Sowjetunion. Über Einzelheiten der Flucht und die Monate in den polnischen Wäldern bei den Partisanen hat Brauner bis heute nie gesprochen. Als sein Spielfilm Der letzte Zug (Regie: Josef Vilsmaier) 2006 in die Kinos kam, sagte er, einer der Gründe für den Filmsei, dass er selbst der Deportation nur knapp entwichen sei, und er berichtete von seinen Albträumen, in denen er sich im Viehwaggon wiederfand: »Ich beschloss, dass ich diejenigen, die keine Gesichter mehr hatten, und die man nur durch Zahlen vermerkte, für immer unvergessen machen muss.«
Gleich nach Kriegsende kam der Überlebende ins zertrümmerte Berlin, gründete 1946 die »Central Cinema Company« (CCC), versetzte den Nerzmantel der Schwiegermutter und finanzierte so 1947 seinen ersten Film Herzkönig. Die Kostümkomödie war ein Erfolg. Brauners zweite Produktion im selben Jahr handelte von der Schoa: Morituri – übrigens der erste Film mit Klaus Kinski – sprach das Thema der deutschen Schuld frontal an, und zeigte, was vermeintlich bis heute undarstellbar ist: ein deutsches KZ, Selektion und Mord sowie die Flucht einiger Häftlinge. Doch der mit großem Risiko produzierte Film blieb kommerziell erfolglos. Für noch so vage Holocaust-Anspielungen war im deutschen Kino genauso wenig Platz wie für »Trümmerfilme«. Im Westdeutschland des beginnenden Wirtschaftswunders dominierte die Sehnsucht nach Vergessen und Weltflucht durch unpolitische, süße Blödigkeit: Heimatfilme, Komödien, Exotisches. Für den Rest waren Amerikaner und Franzosen zuständig. Brauner produzierte, was gewollt war, Filme mit Titeln wie Maharadscha wider Willen, Die Unschuld vom Lande, Ein Engel auf Erden, später die so erfolgreichen Karl-May-Verfilmungen. Aber auch Der 20. Juli, gedreht 1955, als Stauffenberg noch weithin als »Verräter« galt oder Mensch und Bestie 1963 über eine Flucht aus einem KZ. Daneben immer wieder der Versuch, ein deutsches Hollywood zu bauen, an das große deutsche Industriekino vor 1933 anzuknüpfen. Auch darum hat Brauner Remakes von alten Ufa-Erfolgen wie Die Nibelungen gedreht und poppiges Sixties-Blockbusterkino wie Kampf um Rom versucht, das vielleicht naiv ist, aber auch wunderschön und glamourös.
Fast 300 Filme hat dieser rastlose Work-aholic gemacht und vor allem in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer wieder versucht, Niveau und Massenwirkung zu verbinden. Die Geschichte Oskar Schindlers etwa hatte Brauner bereits in den frühen 80er-Jahren verfilmen wollen; die deutschen Förderanstalten lehnten damals ab. Mit István Szabó machte er das Verführungsspektakel Hanussen und mit Agnieszka Holland Hitlerjunge Salomon, der Millionen ins Kino lockte und für den Oscar nominiert war, allerdings nicht von Deutschland. Brauner verfilmte auch das Massaker von Babi Jar, eindringlich, unangenehm, jenseits der Gefälligkeiten der gegenwärtigen Holocaust-light-Moden.
Wer mit Artur Brauner spricht, spürt bei allem Charme immer wieder auch die Verletzungen, die ihm entstanden sind durch die Missachtung seiner besseren Filme, durch die Arroganz, mit der der Bildungsdünkel dem Aufsteiger und dem Aufsteigermedium Kino immer wieder begegnet. Aber irgendwie steht Artur Brauner auch darüber. Wenn man ihn heute besucht in seiner gar nicht übertrieben luxuriösen Villa im Grunewald, begegnet er einem offen, kommt selbst an die Tür: Mit dünnem, sorgfältig gestutztem Oberlippenbart sieht er aus wie in der Nachkriegszeit stehen geblieben. Ein bisschen, wie ein Zirkusdirektor. Der Letzte seiner Art, der letzte deutsche Film-Tycoon.

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