Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde von München Foto: IMAGO/Wolfgang Maria Weber

Charlotte Knobloch hat die Verleihung des Thomas-Dehler-Preises an den Imam Benjamin Idriz scharf kritisiert. In einem internen Brief an den Vorsitzenden der gleichnamigen Stiftung, den früheren FDP-Bundestagsabgeordneten Thomas Hacker, der der Jüdischen Allgemeinen vorliegt, nannte es die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern »schockierend, dass eine solche Situation überhaupt entstehen konnte«.

Allein die Tatsache, dass eine Person wie Idriz für den Preis in Betracht gezogen worden sei, sei für sie »ein bedenkliches Zeichen für die innere Dynamik des Thomas-Dehler-Preises«, schrieb Knobloch, die an diesem Mittwoch ihren 93. Geburtstag feiert. Sie unterstütze voll und ganz einen Aufruf des Münchner Professors Guy Katz, der die Thomas-Dehler-Stiftung aufgefordert hatte, die Auszeichnung den muslimischen Geistlichen zu überdenken.

Der Imam habe öffentlich immer wieder eine Geisteshaltung offenbart, die den Werten von Thomas Dehler zuwiderlaufe, so Knobloch weiter. Sie vertraue darauf, dass Hacker und die anderen Verantwortlichen sich auf die Werte besinnen und entsprechend entscheiden würden.

Am Mittwoch äußerte sich Charlotte Knobloch auch öffentlich zu dem Vorgang. Auf der Plattform X schrieb sie: »Ihre Entscheidung zur Verleihung des Thomas-Dehler-Preises überdenken kann (und sollte) nur die Thomas-Dehler-Stiftung selbst – sie gegen die eigene Überzeugung mittragen muss aber niemand. Die IKG-Präsidentin bedankte sich beim bayerischen FDP-Landesvorsitzenden Michael Ruoff.

Benjamin Idriz ist seit 30 Jahren Imam der Islamischen Gemeinde im oberbayerischen PenzbergFoto: imago images/Friedrich Stark

Der hatte sich am Dienstagabend im Namen des Landesverbandes klar von der Auswahl des diesjährigen Preisträgers durch die parteinahe Stiftung distanziert: «Die Thomas-Dehler-Stiftung ist von der FDP unabhängig und muss es auch sein, sie trifft ihre Entscheidungen ohne Einbindung der Partei», hatte Ruoff auf X geschrieben.

FDP-Landeschef: Idriz zieht Einzigartigkeit der Schoa in Zweifel

«Der Landesvorstand hat aber bereits am Wochenende das Gespräch mit dem Stiftungsvorstand gesucht und dabei zum Ausdruck gebracht, dass es erhebliche Zweifel an den Maßstäben des Preisträgers gibt, die dieser bei der Bewertung und teilweise Gleichsetzung des Holocausts und des Konflikts mit der Hamas in Gaza anlegt.»

Wer den Holocaust, den Völkermord in Srebrenica und die Situation in Gaza auf eine Ebene stelle und die Freilassung von Geiseln durch die Hamas mit der Freilassung von Straftätern durch Israel gleichsetze, ziehe die Einzigartigkeit der Schoa in Zweifel. Ruoff weiter: «Wir haben verstanden, dass die Thomas-Dehler-Stiftung mit Idriz einen Brückenbauer zwischen den Religionen auszeichnen will.»

Dann zitierte auch er Guy Katz mit den Worten: «Brücken müssen auf Wahrheit und Verantwortung gebaut werden. Wer an einer Seite steht und dennoch Narrative verbreitet, die antisemitische Muster reproduzieren, darf dafür nicht mit einem Preis für Liberalität ausgezeichnet werden.»

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Auch von FDP-Politikern außerhalb Bayerns kam Kritik. Wolfgang Kubicki, langjähriger Vize-Parteichef, schrieb auf X, die Beteiligten hätten «ahnen können, dass dem organisierten Liberalismus in Deutschland mit seiner klaren Haltung gegen jede Form des Antisemitismus durch diese Preisverleihung Schaden zugefügt wird». Er hätte, so Kubicki weiter, diesen Preisträger nicht ausgewählt, und bleibe dabei: «Das israelische Volk verdient in seinem Überlebenskampf jede Unterstützung.»

Vergangene Woche bereits hatte die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) und der Verein «WerteInitiative. jüdisch-deutsche Positionen» die Preisvergabe kritisiert. Idriz, der seit 1995 Imam und Vorsitzender der Islamischen Gemeinde in der oberbayerischen Kleinstadt Penzberg ist, wurden in der Vergangenheit Kontakte zur islamistischen Muslimbruderschaft nachgesagt.

Das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» schrieb im Jahr 2010 über ihn: «Der bayerische Verfassungsschutz ist mindestens seit 2007 davon überzeugt, dass Idriz von Extremisten als eine Art trojanisches Pferd nach Penzberg geschleust wurde, um dort unter dem Deckmantel des toleranten Predigers die Islamisierung Deutschlands vorzubereiten.»

Der Journalist Eren Güvercin wirft Idriz ein «fragwürdiges Demokratieverständnis» vor, weil der Imam vor einiger Zeit gefordert hatte, die Wiederwahl von Recep Tayyip Erdogan zum türkischen Präsidenten als demokratische Entscheidung der türkischen Bürger zu respektieren.

«Gerade als deutscher Muslim mit demokratischer und liberaler Haltung kann man nicht die Augen davor verschließen, wie Erdogan als Vertreter eines politischen Islam die demokratischen Freiheiten in der Türkei abgeschafft hat. Erdogan missbraucht seit langen Jahren insbesondere den Islam für seine machtpolitische Agenda. Dazu muss man insbesondere als Theologe und Imam, aber auch als einfacher Muslim eine klare Haltung haben», sagte Güvercin dieser Zeitung.

Der Stiftungsvorsitzende Thomas Hacker wies die Kritik am Preisträger hingegen zurück. «Wir kennen Benjamin Idriz seit über zwanzig Jahren und würdigen seinen Einsatz für Zusammenarbeit in der Gesellschaft über Religionsgrenzen hinweg, für Frieden und Toleranz», schrieb er auf X.

Auf seiner Facebook-Seite hatte Idriz vor drei Wochen Gedanken zum Jahrestag der Massaker vom 7. Oktober 2023 veröffentlicht. Unter anderem schrieb er Folgendes: «Aus geschichtlicher Verantwortung heraus steht die deutsche Politik bedingungslos hinter Israel. Das ist aus historischer Perspektive nachvollziehbar, doch in seiner Konsequenz wirkt es oft schmerzhaft einseitig.» Das Postulat ‚Nie wieder‘ dürfe «kein exklusives moralisches Versprechen bleiben» und Deutschlands «historische Verantwortung nicht selektiv» sein.

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Er beobachte, dass viele Muslime in Deutschland das Gefühl hätten, übergangen und nicht gehört zu werden, so Idriz weiter. «Das Leid der Palästinenser wird kaum öffentlich thematisiert, und viele deutsche Bürgerinnen und Bürger mit palästinensischen Wurzeln, die Angehörige in Gaza verloren haben, blieben ohne sichtbare Anteilnahme. In dieser Sprachlosigkeit wuchs Misstrauen – zwischen Muslimen und Juden, zwischen muslimische Bürgerinnen und Bürgern und Politik.»

Namensgeber Thomas Dehler war mit Jüdin verheiratet

Die Preisverleihung ist für den Abend in München geplant. Die Laudatio auf Idriz soll die frühere Bundesjustizministerin und ehemalige Antisemitismusbeauftragte von Nordrhein-Westfalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), halten. Zu den Preisträgern der vergangenen Jahre gehören Alt-Bundespräsident Joachim Gauck, die Auschwitz-Überlebende und französische Politikerin Simone Veil (1927-2017) sowie einstige FDP-Chefs wie Hans-Dietrich Genscher, Otto Graf Lambsdorff, Martin Bangemann und Wolfgang Gerhardt.

Der Preis ist nach dem Juristen Thomas Dehler (1897-1967) benannt, der die FDP in Bayern nach 1945 mitbegründete und später für die Partei 18 Jahre lang im Bundestag saß. Dehler war mit Irma Frank, einer Jüdin, verheiratet. In der NS-Zeit weigerte er sich standhaft, sich von ihr zu trennen und betreute als Rechtsanwalt solange es ging auch jüdische Mandanten.

Mit dem nach Dehler benannten Preis, der seit 1985 vergeben wird, will die gleichnamige Stiftung eigenen Angaben zufolge Persönlichkeiten würdigen, die sich «Verdienste um die freiheitliche Ausgestaltung der inneren Einheit Deutschlands, die Stärkung des Rechtsstaats oder für Verdienste im Kampf gegen Vorurteile, Intoleranz und Hass» erworben hätten.

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