Behördengängen

Bitte warten!

von Wladimir Struminski

Der Publikumsverkehr im Jerusalemer Bezirksbüro des Innenministeriums beginnt um 8 Uhr morgens. Der Andrang beginnt aber schon früher. »Wenn du um acht kommst«, verrät Aharon – er steht schon seit Viertel vor sieben vor der verschlossenen Tür der Amtsstube – »sind zwischen 50 und 100 Leute da. Da wartest du stundenlang, bis du an den Schalter kommst.« Darauf hat der Krankenpfleger keine Lust. Deshalb ist er heute ganz früh da. »Ich komme direkt von der Nachtschicht«, sagt der rüstige 64-Jährige und ist stolz, als Ers-
ter da zu sein.
Um sieben hat sich auf dem Trottoir be-
reits eine kleine Wartegemeinschaft gebildet. Der junge Mann mit der Sonnenbrille ist aus dem 40 Kilometer entfernten Modiin gekomen, weil sein verloren gegangener Personalausweis ersetzt werden muss. Er langweilt sich und ist froh, als ihm die junge Einwanderin aus Äthiopien den von ihr verschmähten Sportteil einer Zeitung an-
bietet. Eine alte Dame bittet, sich an die Mauer anlehnen zu dürfen. Das löst bei den anderen Mistrauen aus: Vielleicht will sich die Frau nur vormogeln?
Eine Stunde später ist es soweit. Die schwere Tür wird geöffnet. Zwei Sicherheitsleute prüfen, ob die Besucher bewaffnet sind. Danach rennt die Menschenmasse die Steintreppen hinauf. Vor dem War-
tesaal des Einwohnermeldeamtes hängt die Rolle mit Wartenummern. Den ersten Platz hat Aharon nicht halten können: Zwischen Erdgeschoss und zweitem Stock wurde er von Jüngeren und Flinkeren überholt. Dennoch klagt er nicht: Als Nummer 8 darf er wahrscheinlich in einer halben Stunde an einen der drei offenen Schalter treten. Andere haben es nicht so gut. Sie holen Zeitungen, Bücher oder Laptops hervor und richten sich auf langes Warten ein.
Die Zustände in der Jerusalemer Schlomzion-Hamalka-Straße sind keineswegs einmalig. Landesweit gilt: Wer etwas von einer Behörde benötigt, braucht Zeit, Kraft und starke Nerven. Die meisten Amtsstuben stehen dem Bürger nur vormittags offen, also in Stunden, die Mosche Normalverbraucher eigentlich an seinem eigenen Arbeitsplatz verbringen muss. Nachmittagssprech-
stunden sind eine noch immer seltene Ausnahme. So etwa bietet das Innenministerium zwei Mal wöchentlich seine Dienste auch ab 14 oder 14.30 Uhr an, doch werden dabei oft nur bestimmte Anliegen erledigt. In der Jerusalemer Außenstelle des Innenministeriums im Stadtteil Gilo etwa lässt sich nachmittags nur ein neuer Pass beantragen – und selbst dann muss der Kunde oft lange warten, bis einer der beiden diensthabenden Beamten frei wird. In manchen Ressorts ist der Publikumsempfang selbst vormittags Glückssache.
Den Trägheitsrekord kann, wie die Ta-
geszeitung Yedioth Ahronoth ermittelt hat, das Einwanderungsministerium im nördlichen Tirat Hakarmel für sich beanspruchen. Dort dürfen Immigranten nur mittwochs zwischen 8 und 13 erscheinen. In dem Negev-Städtchen Ofakim hat das Straßenverkehrsamt sonntags bis dienstags für jeweils vier Stunden geöffnet. Im Haifaer Bezirksgesundheitsamt steht die Abteilung für chronisch Kranke Bittgängern an zwei Tagen der Woche für insgesamt achteinhalb Stunden offen.
Im Zeitalter des Internets lassen sich viele Behördengänge durchaus auch on-
line erledigen oder zumindest erleichtern. Allgemeine Informationen oder Antragsformulare sind im Netz verfügbar. Auch Steuern, Abgaben und Bußgeldbescheide lassen sich am Computer begleichen. Al-
lerdings verlangen die meisten wichtigen Anliegen persönliche Präsenz. Zudem ha-
ben vor allem ältere Menschen, sozial Schwache, Neueinwanderer und andere besonders betreuungsbedürftige Gruppen nur begrenzten Zugriff auf das Internet. Der Griff zum Telefon schafft ebenfalls nicht immer die erhoffte Abhilfe. Das weiß jeder, der sich die Finger schon mal wund gewählt hat.
Der Grund für den mangelhaften Dienst am Bürger, so die betroffenen Ressorts, ist finanzieller Natur. »Das Verkehrsministerium«, meint stellvertretend für viele Pressesprecher Awner Owadja, »leidet unter Arbeitskräftemangel sowie einer ständigen Verknappung der Etatmittel und muss die Sprechstundenzeiten einschränken.«
Für Professor David Dery, Verwaltungsexperte am Sapir College in Sderot, ist das Übel systemimmanent. »Der Etat eines jeden Ministeriums wird bis in die kleinste Position hinein von der Haushaltsabteilung des Finanzministeriums festgelegt. Der jeweilige Minister hat nicht einmal das Recht, Haushaltsmittel seines Hauses innerhalb des gegebenen Etatrahmens zu verschieben – zum Beispiel, um die Bürgerbetreuung zu verbessern.« Grundlage für die drakonische Praxis ist das vor mehr als zwei Jahrzehnten verabschiedete Haushaltsgrundlagengesetz. Erklärtes Ziel des Parlaments war es damals, eigenmächtige Etatüberschreitungen durch ausgabenwütige Minister zu verhindern, doch schlug das Pendel dabei, glaubt Dery, zu stark in die andere Richtung aus. »Beamte des Finanzministeriums sorgen rigoros für Haushaltsdisziplin und versuchen, den Ministerien selbst den vom Parlament gebilligten Etat nicht voll auszuzahlen. Den gesamtwirtschaftlichen Schaden, den eine hinkende Staatsverwaltung verursacht, lassen sie außer Acht, weil entgangene Wirtschafts-leistung statistisch nicht erfasst wird.« Derys Empfehlung lautet: Größere Eigenständigkeit einzelner Ressorts bei der Haushaltsverwaltung. »Damit«, so Dery, »hätten die Ämter einen Anreiz für mehr Effizienz.« Und die Bürger Aussicht auf etwas weniger Behördenfrust.

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