Buchpräsentation

Zwischen Berlin und Jerusalem

Noam Zadoff referierte von Innsbruck aus, wo er derzeit am Institut für Zeitgeschichte lehrt. Foto: screenshot

Im Jahr 2011 legte der gebürtige Israeli Noam Zadoff seine Dissertation Von Berlin nach Jerusalem und zurück. Gershom Scholem zwischen Israel und Deutschland an der Hebräischen Universität Jerusalem vor, wo Scholem selbst 1925, kurz nach ihrer Gründung, eine Lehrtätigkeit aufgenommen hatte.

Zadoff war bereits 2008 nach München gezogen, wirkte von 2011 bis 2014 am Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur, initiierte gemeinsam mit dem Lehrstuhlinhaber Michael Brenner das Zentrum für Israel-Studien. Nach einem Forschungs- und Lehraufenthalt an der Indiana University in Bloomington in den USA war er 2018/2019 Gastprofessor für Israel-Studien an der Ludwig-Maximilians-Universität.

Alija Inzwischen schritt die deutsche Übersetzung der Dissertation dank der Arbeit von Daphna Mach voran. Die Veröffentlichung im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht 2020 machte es für den Historiker Michael Brenner in Kooperation mit dem Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde möglich, Noam Zadoff zum Vortrag zu bitten. Immerhin gab es bei Gershom Scholem ausgehend von seiner Geburtsstadt Berlin – vor seiner Alija 1923 nach Palästina – noch eine wichtige Zwischenstation in München.

Scholem, der sich zum bedeutendsten säkularen Kabbala-Forscher des 20. Jahrhunderts entwickeln sollte, recherchierte in der Bayerischen Staatsbibliothek für seine Dissertation, die 1922 angenommen wurde. Seine Lebensabschnitts-Biografie, die er 1977 veröffentlichte, endet 1924. Zadoff wollte wissen, wie sich das Leben Scholems »im Spannungsbogen zwischen Berlin und Jerusalem« weiterentwickelte.

Fragen Zeit und Raum hatten an diesem Vortragsabend, der online stattfand, ohnehin ganz andere Wertigkeiten. Die Begrüßung von Ellen Presser kam aus München, Noam Zadoff referierte von Innsbruck aus, wo er derzeit am Institut für Zeitgeschichte eine Assistenzprofessur innehat, und Michael Brenner führte von Washington aus durch den Abend, während die Zuhörer von überallher ihre Fragen einbringen konnten.

Mit einem amüsanten Detail begann Zadoff seinen Einführungsvortrag. Sein Buch schmückt nämlich ein Doppelbild: ein lächelnder Gershom Scholem neben einem Gemälde mit stilisiertem Narrengesicht, gehalten von der dahinter verborgenen Fania Scholem, seiner zweiten Frau. Wann hätte man Scholem, der als autoritärer Geist galt, je lächeln gesehen? Zadoff zitierte ihn: »Das bin ich, wie ich im Jenseits aussehen werde.«

Realität Sonst nämlich gab es für den Gelehrten wahrlich nicht viel zu lachen. Schon 1929 soll er sich in den Elfenbeinturm seiner Forschung zurückgezogen haben, weil die Realität seiner neuen jüdischen Heimat abwich von den zionistischen Idealen seiner frühen Jahre.

Er litt zudem sehr an seinen Erkenntnissen, was der Holocaust der Judenheit angetan hatte, begab sich schon 1946 auf eine Reise nach Europa auf der Suche nach geraubten jüdischen Büchern. Ebenso setzte ihm zu, dass er sich mit Hannah Arendt anlässlich des Eichmann-Prozesses restlos überwarf.

Noam Zadoff: »Von Berlin nach Jerusalem und zurück. Gershom Scholem zwischen Israel und Deutschland«. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2020, 416 S., 55 €

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025

Vertrag

Jüdische Gemeinde Frankfurt erhält mehr Gelder

Die Zuwendungen durch die Mainmetropole sollen bis 2031 auf 8,2 Millionen Euro steigen

von Ralf Balke  11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025

Hannover

Ministerium erinnert an 1938 zerstörte Synagoge

Die 1938 zerstörte Neue Synagoge war einst mit 1.100 Plätzen das Zentrum des jüdischen Lebens in Hannover. Heute befindet sich an dem Ort das niedersächsische Wissenschaftsministerium, das nun mit Stelen an die Geschichte des Ortes erinnert

 10.11.2025

Chidon Hatanach

»Wie schreibt man noch mal ›Kikayon‹?«

Keren Lisowski hat die deutsche Runde des Bibelquiz gewonnen. Jetzt träumt sie vom Finale in Israel

von Mascha Malburg  10.11.2025

München

Gelebte Verbundenheit

Jugendliche engagieren sich im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes in den Einrichtungen der Israelitischen Kultusgemeinde

von Esther Martel  09.11.2025

Sport

»Die Welt spielt gerade verrückt«

Alon Meyer über seine Wiederwahl zum Makkabi-Präsidenten in ganz besonderen Zeiten, den enormen Mitgliederzuwachs und die Zukunft des jüdischen Sportvereins

von Helmut Kuhn  09.11.2025

Erlangen

Bald ein eigenes Zuhause

Nach jahrzehntelanger Suche erhält die Jüdische Kultusgemeinde ein Grundstück für den Bau einer Synagoge

von Christine Schmitt  09.11.2025

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025