Tiferet Israel

Zweites Zuhause

Nächstes Jahr in Jerusalem», singt Kantor Awraham Daus gegen Ende des Pessach-Gottesdienstes. Während der Feiertage amtiert er anstelle von Rabbiner Reuven Yaacobov in der sefardischen Synagoge Tiferet Israel in der Passauer Straße, während einer seiner Söhne statt seiner als Kantor im Einsatz ist.

Rabbiner Yaacobov, seit etwa zehn Jahren sefardischer Gemeinderabbiner, zieht es in diesem Jahr nach Israel. Doch kurz vor Pessach haben sich Daus und Yaacobov noch mit Schames Aleksandr Peysakhov in der Synagoge verabredet, um die restlichen Vorbereitungen für die Pessachtage zu treffen.

Voller Tatendrang steuert Aleksandr Peysakhov direkt auf die Küche zu, um einen blauen Müllsack zu holen. Denn zur Bestandsaufnahme gehört gründliches Aufräumen. «Die unteren Fenster wurden bereits geputzt», stellt der Rabbiner zufrieden fest.

Nun seien die oberen dran. Zudem sollen die Verkleidungen vor den Heizkörpern gestrichen werden und die Fensterbänke neue Farbe erhalten. «Zu Pessach muss alles sauber und ordentlich sein», sagt Yaacobov.

reis Der Gemeinderabbiner öffnet das Fach eines Beters an dessen Synagogenplatz und ist verwundert über seinen Fund. «Wir haben unseren Betern schon gesagt, dass sie aufräumen sollen, damit dann die Putzfrauen kommen können, um alles zu säubern.»

Dann zieht er eine Zeitung, einen Schlüssel und ein koscheres Bonbon heraus. «Sefardische Juden dürfen an Pessach ja fast alles essen – außer eben Brot», erläutert er. So sei Aschkenasen der Verzehr von Reis untersagt, sefardische Juden hingegen dürften ihn essen, erklärt der Rabbiner. Ferner sei es ihnen erlaubt, Kitniot zu sich zu nehmen – Hülsenfrüchte wie Mais, Erbsen, Bohnen und Kichererbsen.

Aschkenasischen Juden blieben an Pessach hingegen nur Fisch, Fleisch, Kohl, Kartoffeln, Karotten, Eier und Zwiebeln. «Wir sind ein Volk, das ein und dieselbe Sprache spricht, wir haben eine Tora. Aber unsere Bräuche sind verschieden», betont der 38-jährige Rabbiner.

diaspora Laut Yaacobov haben 2000 Jahre Diaspora das jüdische Leben verändert, so gebe es nun Aschkenasen und Sefarden – Juden aus Europa und Juden aus Ländern wie Marokko, dem Jemen, Syrien und dem Kaukasus.

Unterschiede finde man auch in der Liturgie: So seien die Gebete bei den Sefarden kürzer. «Der Ablauf des Gottesdienstes unterscheidet sich kaum von dem am Schabbat», sagt Daus. Es würden dieselben Gebete gesprochen, auch am Morgen. Einziger Unterschied: An Pessach ertönt zwischendurch das Wort «Mazzot».

Die Sefardische Synagoge wurde vor zehn Jahren eingeweiht, nachdem sich dem Minjan seit 2000 eine wachsende Beterschaft angeschlossen hatte, die meisten von ihnen kaukasische Juden. Mehr als 100 Beter kommen mittlerweile regelmäßig zu den Gottesdiensten. Somit werde die Synagoge schon wieder zu klein, sagt Yaacobov.

So hatten die Purim-Gottesdienste mit 300 Betern aufgrund des begrenzten Platzes in zwei Schichten stattfinden müssen. Nun gebe es Überlegungen, eine Wand abzutragen und die Frauenempore im dann geöffneten Nebenzimmer einzurichten. Spenden für den Umbau würden bereits gesammelt.

familiär Auch zu Pessach ist die Synagoge mit mehr als 120 Betern wieder gut besucht – und das, obwohl nach sefardischer Tradition die beiden Sederabende zu Hause gefeiert werden. So entspreche es zum Beispiel nicht der sefardischen Tradition, für den Sederabend Räume in einem Hotel oder Restaurant zu mieten. «Pessach ist ein Familienfest, da kommen die Kinder zu ihren Eltern, alle feiern zusammen», unterstreicht Kantor Daus.

Um auch jedem Beter einen Seder zu ermöglichen, wurden vorab Pessach-Pakete an Bedürftige verteilt. «Einmal hatten wir angeboten, den Seder in der Synagoge zu feiern, aber es kamen nur zwei Beter», berichtet Yaacobov. Daher bleibe auch die Küche über Pessach verriegelt. «Küche geschlossen – Chametz», steht auf einem Schild an der Küchentür.

Aleksandr Peysakhov, der am Schabbat meist stundenlang in der Küche steht, um den Kiddusch herzurichten, beschränkt sich zu Pessach darauf, Getränke sowie mit heißem Wasser gefüllte Thermoskannen für Tee und Kaffee bereitzustellen. Nach dem etwa 75-minütigen Gottesdienst freut sich Kantor Daus dann auch auf die Sederfeier zu Hause – mit Familie, Freunden, Mitarbeitern vom Sicherheitsdienst und Besuch aus Israel.

frühling «In Israel spürt man Pessach noch mehr – da werden wegen des Saubermachens die Möbel auf die Straße gestellt und die Wände gestrichen», sagt Rabbiner Yaacobov, während er aus einem weiteren Fach eine Parfümprobe, Werbezeitungen und einen Zahnstocher herausfischt.

«Für viele Beter ist die Synagoge ihr zweites Zuhause.» Nach Pessach beginne dann auch die Zeit, in der verstärkt Besucher, darunter viele Touristen, die Synagoge betreten – bei zunehmenden Frühlingstemperaturen dringen die sefardischen Gebete aus den geöffneten Fenstern nach draußen und ziehen neugierige Passanten an.

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