Gollwitz

Wo Theorie zur Praxis wird

Mit einem Festakt hat die Jugendbegegnungsstätte Schloss Gollwitz in der Nähe von Brandenburg an der Havel am vergangenen Freitag ihr zehnjähriges Bestehen gefeiert. Unter den rund 150 geladenen Gästen waren neben Vertretern der Lokal- und Landespolitik auch die Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Juliane Seifert (SPD), der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben in Deutschland, Felix Klein, sowie der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster.

Das rund 70 Kilometer südwestlich von Berlin gelegene Schloss Gollwitz ist ein Ort der Begegnung für jüdische und nichtjüdische Jugendliche. Das in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbaute Anwesen wurde im April 2009 nach einer Komplettsanierung als Bildungseinrichtung eröffnet und bietet seither Raum für internationale Projekte und Workshops gegen Antisemitismus, Rassismus und für mehr gegenseitige Anerkennung.

Ministerpräsident Manfred Stolpe regte die Bildungseinrichtung an.

Fortbildung Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Jugendarbeit sowie auf Fortbildungen für Erwachsene. Die Idee zur Gründung der Bildungsstätte an diesem Ort geht auf den damaligen Ministerpräsidenten Brandenburgs, Manfred Stolpe (SPD), zurück. Dieser hatte sich zusammen mit einer Bürgerinitiative für den Aufbau der Begegnungsstätte samt dazugehöriger Stiftung eingesetzt, nachdem der Gollwitzer Gemeinderat 1997 gegen die von der Kreisverwaltung Potsdam-Mittelmark beschlossene Unterbringung von 60 sogenannten jüdischen Kontingentflüchtlingen aus der ehemaligen Sowjetunion in dem ehemaligen Herrenhaus votiert hatte.

In seiner Festrede betonte Zentralratspräsident Josef Schuster die Bedeutung der Arbeit der Begegnungsstätte. »Dass sich Juden in Deutschland heute wieder zu Hause fühlen können, hat auch mit Orten wie dem Schloss Gollwitz zu tun«, sagte Schuster.

Die Begegnungsstätte trage entscheidend dazu bei, der jungen Generation demokratische Werte wie Toleranz und Weltoffenheit zu vermitteln. »Die vielfältigen Bildungsprojekte, die seit nunmehr zehn Jahren auf Schloss Gollwitz stattfinden, leisten existenzielle Demokratiearbeit und damit einen wichtigen Dienst an unserer Gesellschaft«, sagte der Zentralratspräsident.

Schuster wies darauf hin, dass die Zahl der antisemitisch motivierten Übergriffe in der Bundesrepublik im vergangenen Jahr um rund 14 Prozent gestiegen ist. »Dennoch ist Deutschland weiterhin ein sicheres Land für Juden. Wir sitzen nicht auf gepackten Koffern, sondern schauen einmal nach, wo sie denn stehen.«

Dennoch plädierte der Zentralratspräsident dafür, das Erstarken des Rechtspopulismus in Europa nicht gleichgültig hinzunehmen und auch den Antisemitismus in migrantischen Communitys offen zu thematisieren. »Die Vermittlung freiheitlicher Werte muss bei der Integration eine ebenso wichtige Rolle spielen wie der Erwerb der deutschen Sprache«, forderte Schuster.

Jugendaustausch Höhepunkt der Jubiläumsveranstaltung war neben den musikalischen Darbietungen des Orchesters »Saitenschwung« die Vorstellung der Ergebnisse des Jugendaustauschprogramms »Clips for Europe«, das durch die Stiftung Schloss Gollwitz gefördert wurde.

Im Rahmen des Austauschs hatten sich Jugendgruppen aus Israel, Dänemark, Russland und Deutschland eine Woche lang in der Einrichtung in Brandenburg getroffen, um sich gemeinsam über ihre Ideen und politischen Visionen für die Europäische Union auszutauschen. Die dabei entstandenen Kurzvideos zu Themen wie Flucht, Umweltschutz und Digitalisierung wurden während der Veranstaltung den Festgästen vorgeführt.

Die »Clips for Europe« beschäftigten sich mit Flucht, Umweltschutz und Digitalisierung.

Der Vorsitzende der Stiftung Schloss Gollwitz, Peter-Andreas Brandt, sagte, es seien Projekte wie die »Clips for Europe«, die die Jugendbegegnungsstätte zu einem besonderen Ort machten. »Gegen Hass und Hetze helfen Bildung und Begegnung mit Menschen aus anderen Ländern«, sagte Brandt. In Gollwitz führe man den Kampf gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit seit jetzt schon zehn Jahren, betonte Brandt. »Die Einrichtung ist eine Erfolgsgeschichte.«

Richtig freuen könne er sich über das Jubiläum aber dennoch nicht. »Leider sind Judenhass und Rassismus trotz unser aller Bemühungen immer noch nicht verschwunden«, konstatierte der Stiftungsvorsitzende.

In Gollwitz werde man die Bemühungen um Aufklärung und Toleranz energisch weiterführen und durch einen Erweiterungsbau neben dem historischen Schlossgebäude noch zusätzlich intensiveren, kündigte Brandt an.

»Gollwitz bedeutet zehn Jahre Einsatz gegen Antisemitismus.« Staatssekretärin Julia Seifert

Staatssekretärin Julia Seifert, die in Vertretung von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) zum Festakt gekommen war, erklärte, dass ihr Ministerium die Finanzierung der Begegnungsstätte Schloss Gollwitz auch in Zukunft unterstützen werde. »Zehn Jahre Schloss Gollwitz bedeuten zehn Jahre Einsatz gegen Antisemitismus und Ausgrenzung«, sagte Seifert.

Einrichtungen wie diese seien keineswegs selbstverständlich und ein »starkes Zeichen für die Zivilgesellschaft«, Diskriminierungen gleich welcher Couleur nicht unwidersprochen zu lassen. »Die Stiftung Schloss Gollwitz trägt ganz konkret dazu bei, dass viele kleine Schritte im Kampf gegen Antisemitismus gemacht werden«, sagte die Staatssekretärin.

Begegnungen Auch der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein dankte der Einrichtung und ihrer Leitung für das Engagement. »Sie leisten auf Schloss Gollwitz einen hervorragenden Beitrag für eine starke Zivilgesellschaft und eine lebendige Demokratie«, sagte Klein. »Ohne die engagierten Bürger in Gollwitz könnte die Einrichtung nicht am Laufen gehalten werden.«

Die persönliche Begegnung zwischen Juden und Nichtjuden schaffe – anders als bloße theoretische Seminare – eine emotionale Ebene, auf der man das Verständnis füreinander aufbauen könne. »Der Austausch mit Menschen aus Israel ist das beste Mittel gegen den auch in der deutschen Gesellschaft grassierenden antiisraelischen Antisemitismus«, sagte Klein.

Bayern

Merz kämpft in wiedereröffneter Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  15.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025

Essen

Festival jüdischer Musik mit Igor Levit und Lahav Shani

Der Festivalname »TIKWAH« (hebräisch für »Hoffnung«) solle »ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten« setzen, hieß es

 15.09.2025

Berlin

Margot Friedländer Preis wird verliehen

Die mit insgesamt 25.000 Euro dotierte Auszeichnung gehe an Personen, die sich für Toleranz, Menschlichkeit, Freiheit und Demokratie einsetzen

 15.09.2025

München

»In unserer Verantwortung«

Als Rachel Salamander den Verfall der Synagoge Reichenbachstraße sah, musste sie etwas unternehmen. Sie gründete einen Verein, das Haus wurde saniert, am 15. September ist nun die Eröffnung. Ein Gespräch über einen Lebenstraum, Farbenspiele und Denkmalschutz

von Katrin Richter  14.09.2025

Hamburg

»An einem Ort getrennt vereint«

In der Hansestadt soll die Bornplatzsynagoge, die in der Pogromnacht von den Nazis verwüstet wurde, wiederaufgebaut werden. Ein Gespräch mit dem Stiftungsvorsitzenden Daniel Sheffer über Architektur, Bürokratie und Räume für traditionelles und liberales Judentum

von Edgar S. Hasse  13.09.2025

Meinung

»Als Jude bin ich lieber im Krieg in der Ukraine als im Frieden in Berlin«

Andreas Tölke verbringt viel Zeit in Kyjiw und Odessa – wo man den Davidstern offen tragen kann und jüdisches Leben zum Alltag gehört. Hier schreibt er, warum Deutschland ihm fremd geworden ist

von Andreas Tölke  13.09.2025

Porträt der Woche

Das Geheimnis

Susanne Hanshold war Werbetexterin, Flugbegleiterin und denkt über Alija nach

von Gerhard Haase-Hindenberg  13.09.2025