Interview

»Wo immer wir gebraucht werden – wir sind da«

David Geballe bei seiner Amtseinführung in Köln-Wahn Foto: Bundeswehr/Ingo Tesche

Rabbiner Geballe, Sie sind seit September 2024 in der Luftwaffenkaserne in Köln-Wahn tätig und wurden am Montag durch Rabbiner Avichai Apel und Bundesmilitärrabbiner Zsolt Balla als erster Militärrabbiner in Köln eingeführt. Konnten Sie sich schon einarbeiten?
Ja. Ich konnte mich schon intensiv einarbeiten. Am Anfang gibt es ja viele Dinge, die man lernen muss. Es ist etwas anderes als Gemeindearbeit, auch wenn es Überschneidungspunkte gibt. Ich konnte schon viele Soldatinnen und Soldaten kennenlernen und mich mit der Struktur und den Abläufen der Bundeswehr vertraut machen. Natürlich habe ich mich den evangelischen und katholischen Kollegen vorgestellt. Diese Verbindungen sind sehr wichtig, weil es so ein Riesengebiet ist. Auch andere Akteure sind wichtig, das psychosoziale Netzwerk der Bundeswehr, darunter Sozial­arbeiter und Truppenärzte, mit denen man sich vernetzt. Es gibt noch sehr viel zu lernen, die Bundeswehr ist groß und vielfältig. Jeder Standort hat seine Eigenheiten.

Sie sind für Soldatinnen und Soldaten in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zuständig. Was sind Ihre Aufgaben?
Juristisch kann ich ganz einfach antworten. Nach dem Soldatengesetz hat jede Soldatin und jeder Soldat Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung. Das ist die Grundlage all dessen, was wir hier machen. Wir versuchen dieses allen Soldatinnen und Soldaten wie Zivilangestellten der Bundeswehr zu ermöglichen. Da kommt es nicht darauf an, ob und was jemand glaubt. Es kommen Soldatinnen und Soldaten mit einem Problem oder sei es einfach nur dem Wunsch zu sprechen, und es kommen jüdische Soldatinnen und Soldaten, die Fragen etwa zu koscherer Verpflegung haben – so gibt es seit Neuestem die koscheren Einsatz­rationen. Diese zu vermitteln, gehört auch zu unseren Aufgaben. Und der Lebenskundliche Unterricht (LKU), der für jede Soldatin und jeden Soldaten verpflichtend ist – wird von den militärischen Seelsorgern gegeben, ist aber religionsfrei. Bereits in Planung ist, dass der LKU auch einmal gemeinsam gehalten wird. Ich habe in diesem Fall mit evangelischen Kolleginnen und Kollegen Veranstaltungen zusammengelegt, das ist sehr reizvoll.

Es gibt bundesweit fünf Dependancen des Militärrabbinats. Welche Besonderheiten ergeben sich in der Außenstelle West, und welche Akzente möchten Sie setzen?
Die Außenstelle West ist ein sehr großes Gebiet mit vielen Liegenschaften der Bundeswehr. Es gibt Luftwaffenstandorte und Heereseinheiten bis hin zu Liegenschaften der Cybersecurity, das Spektrum ist sehr breit. Das geht mit einer gewissen Reisetätigkeit einher und eröffnet viele Möglichkeiten, mit Leuten in Kontakt zu treten und ins Gespräch zu kommen. Die Akzente sind klar, ähnlich wie bei allen anderen Kollegen: Es geht darum, da zu sein für die Soldatinnen und Soldaten – egal, welchen Hintergrund sie haben –, bekannt zu werden und ihnen zu helfen.

Werden Sie an Auslandsmissionen teilnehmen?
Die Seelsorgebegleitung endet nicht an der deutschen Grenze. Wir sind noch relativ jung und im Aufbauprozess. Aber es war bereits ein jüdischer Kollege mit der Marine unterwegs, und in diesem Jahr gehen womöglich zwei weitere Kollegen in einen Einsatz. Wo immer wir gebraucht werden – wir sind da, das ist unsere Aufgabe.

Lesen Sie auch

Sie sagten einmal, in Deutschland sei es wichtig, Wissen und Bildung zu vermitteln, um jüdisches Leben zu schützen. Inwieweit verfolgen Sie dieses Ziel auch bei der Truppe?
Das hat sich kein bisschen geändert, es ist ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit. Die Bundeswehr ist ja ein Spiegelbild der Gesellschaft – Stichwort Bürger in Uniform –, und viele Soldatinnen und Soldaten hatten bisher kaum aktive Berührungspunkte mit jüdischem Leben oder jüdischer Tradition. Daher ist es sehr wichtig, Wissen zu vermitteln, Vorurteile abzubauen und durch das Gespräch und den Dialog eine positive Zusammenarbeit zu fördern.

Mit dem Militärrabbiner und Oberrabbiner der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen sprach Helmut Kuhn.

Auszeichnung

Die Frau mit den Blumen

Zwei Jahre lang ging Karoline Preisler auf anti-israelische Demonstrationen, um auf das Schicksal der Geiseln aufmerksam zu machen. Jetzt erhält sie den Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden

von Michael Thaidigsmann  30.10.2025

Nachruf

Gestalter mit Weitblick

Für Jacques Marx war die Gemeindearbeit eine Lebensaufgabe. Eine persönliche Erinnerung an den langjährigen ehemaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen

von Michael Rubinstein  30.10.2025

Ehrung

Demokratiepreis für Graphic Novel über Schoa-Überlebende

Die Schoa-Überlebenden Emmie Arbel gewährte Zeichnerin Barbara Yelin vier Jahre lang Einblicke in ihr Leben

 30.10.2025

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Bildungsministerin Karin Prien erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  30.10.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 29.10.2025

Schwielowsee

Shlomo Afanasev ist erster orthodoxer Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg

Militärrabbiner gibt es bereits in Deutschland. Nun steigt der erste orthodoxe Rabbiner bei der Bundeswehr in Brandenburg ein

 29.10.2025

Essay

Vorsichtig nach vorn blicken?

Zwei Jahre lang fühlte sich unsere Autorin, als lebte sie in einem Vakuum. Nun fragt sie sich, wie eine Annäherung an Menschen gelingen kann, die ihr fremd geworden sind

von Shelly Meyer  26.10.2025

Stuttgart

Whisky, Workshop, Wirklichkeit

In wenigen Tagen beginnen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt die Jüdischen Kulturwochen. Das Programm soll vor allem junge Menschen ansprechen

von Anja Bochtler  26.10.2025

Porträt

Doppeltes Zuhause

Sören Simonsohn hat Alija gemacht – ist aber nach wie vor Basketballtrainer in Berlin

von Matthias Messmer  26.10.2025