Sport

»Wir wollen die Gesellschaft bewegen«

»Im Sport begegnen wir uns vorurteilsfrei.« Foto: Robert Poticha/MAKKABI Deutschland

Sport

»Wir wollen die Gesellschaft bewegen«

Gregor Peskin ist neuer Vorsitzender der Makkabi-Deutschland-Jugend. Ein Gespräch über Respekt, neue Räume für Resilienz und interreligiöse Zusammenarbeit

von Helmut Kuhn  23.10.2025 13:58 Uhr

Herr Peskin, Sie sind am vergangenen Samstag erneut zum Vorsitzenden der Jugend von Makkabi Deutschland gewählt worden. Sie haben die Organisation thematisch erheblich verändert. Was bieten Sie derzeit und in Zukunft an?
Wir bieten insbesondere erst mal Räume an für Jugendliche, sich ehrenamtlich zu engagieren, ihre Stimme zu nutzen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass ihre Stimme sehr wertvoll ist, unsere Demokratie bereichert, unseren Sport und unsere jüdische Gemeinschaft. Wir möchten ganz gezielt vielfältige Räume schaffen für Begegnung, um einfach Sport zu machen, aber gleichzeitig auch unter dem Aspekt, dass der Sport eine starke Brücke zur Demokratiestärkung ist. Im Sport begegnen wir uns vorurteilsfrei. Gemeinsam mit »Zusammen1« möchten wir unsere Jugendlichen und jungen Erwachsenen empowern. Das haben wir auch schon erfolgreich gestartet mit Empowerment Workshops, um zu zeigen: ›Ihr seid nicht allein, und ihr habt Leute, mit denen ihr sprechen könnt, wir zeigen euch ganz klare Tools, wie ihr gestärkt in diese Zivilgesellschaft rausgeht.‹ Wir haben aber auch ganz klar gesagt: Wir möchten uns öffnen. Wir möchten Raum schaffen für interkulturellen, interreligiösen Dialog und da einfach viele Berührungspunkte anbieten.

Ende September fand zusammen mit der Jugend von B’nai B’rith der »Battle of Chanichimot« statt. Dabei ging es ja nicht nur um Sport …
Wir haben knapp 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland und 13 Jugendzentren zusammengebracht. Natürlich gab es auch viel Sport, Fußball, Völkerball, Volleyball und Tischtennis. Wir haben aber gleichzeitig auch ganz gezielt unsere Empowerment-Workshopreihe fortgesetzt und den Jugendlichen Raum gegeben, ihre eigenen Workshops zu halten. Wir hatten Highlights wie die »Best of Chanichimot Kirmes« oder eine Silent Disco, und wir haben einfach versucht, so nahe wie möglich zu sein.

Sie sind selbst Schwimmer und Trainer. Was war Ihre erste Erfahrung mit Makkabi?
2019 bin ich zu den European Maccabi Games in Budapest mitgekommen. Wir waren damals die erste Junior-Schwimmstaffel aus Deutschland, haben Medaillen geholt. Das war der Beginn einer Erfolgsstory. Ich war auch bei der Makkabiah in Israel dabei, und dann ist das in der Vorstands­arbeit und als Schwimmtrainer nahtlos weitergegangen.

2019 wurde die Makkabi-Jugend gegründet. Was haben Sie seither erreicht?
Ich bin seit zwei Jahren Vorsitzender. Und freue mich jetzt, die nächsten zwei Jahre angehen zu dürfen. Seit unserer Wahl haben wir einfach superviel bewegt. Wir haben uns damals als komplett neuer Vorstand aufgestellt. Und dann kam der 7. Oktober 2023. Fünf Tage nach unserer Wahl hat dieser Tag unsere Arbeit natürlich komplett verändert. Aber wir haben ihr ganz klar unseren eigenen Stempel aufgedrückt. Wir haben viele Strukturen geschaffen und dafür gesorgt, dass die Makkabi-Deutschland-Jugend mehr wahrgenommen wird. Der Verein hat eine eigene Identität bekommen, viele Jugendliche und junge Erwachsene identifizieren sich mit uns, und wir können ein Sprungbrett für viele sein, um bei Makkabi anzufangen. Sei es in den Ortsvereinen, sei es bei Makkabi Deutschland, um dann als deutsche Nationalmannschaft zur Maccabiah zu fahren. Wir sind Ansprechpartner Nummer eins.

Sie haben nach dem 7. Oktober 2023 gesagt: »Wir müssen aufstehen für jüdische Resilienz, Stärke und Zusammenhalt.« Wie setzen Sie das in 40 Ortsvereinen um?
Also mein Motto ist: Wir dürfen vor der Situation Respekt haben, aber wir dürfen keine Angst haben. Denn Letzteres ist im Endeffekt immer das, was die Menschen, die uns hassen, erreichen möchten. Dementsprechend sagen wir ganz deutlich, und das schon zu ganz frühen Altersgruppen: Leute, seid stolz darauf, das Makkabi-Logo auf dem T-Shirt zu tragen und für euren Verein an den Start zu gehen. Wir freuen uns natürlich auch riesig, wenn wir so viele nichtjüdische Sportlerinnen und Sportler haben, die auch nach dem 7. Oktober 2023 weiterhin Fußball und Tennis spielen, andere Sportarten betreiben und sich nicht unterkriegen lassen – auch wenn sie ganz genau wissen, dass sie Anfeindungen ausgesetzt sein könnten.

Unlängst kam es erneut zu einem massiven Übergriff bei einem Fußballspiel von Makkabi in Köln. Wie gehen Sie mit dem wachsenden Problem des Antisemitismus um?
Ja, wir haben in den vergangenen zwei Jahren einen deutlichen Zuwachs an Antisemitismus bemerkt, aber auch einen großen Zuwachs an Mitgliedern. Dass die Mitgliederzahlen steigen, obwohl es Antisemitismus gibt, ist eine gute Nachricht. Wenn es Übergriffe gab, haben wir es meistens mit Menschen zu tun, die Zionismus und den Gazakrieg als Rechtfertigung genommen haben, um antisemitisch zu sein. Dementsprechend müssen wir viel in Bildung investieren. Wir treten dem Hass entgegen und fördern neben Sport ganz bewusst auch Bildung über die Grenzen unserer Community hinaus. Wir öffnen uns für Menschen, die nichtjüdisch sind, um zu informieren, denn der einzige Weg, um wirklich nachhaltig Veränderungen zu bewirken, ist Bildung und gleichzeitig auch die Begegnung.

Was sind Ihre nächsten Projekte und Ziele?
Wir haben unsere konstituierende Sitzung in den nächsten ein bis zwei Wochen und werden den Weg des interkulturellen Austauschs weitergehen und stärken. Wir möchten insgesamt aber in den nächsten zwei Jahren einfach größer, stärker, präsenter werden, mehr umsetzen, größer umsetzen, größer denken. Ich bin mir sicher, dass wir viel bewirken, deutlich mehr Menschen erreichen und bewegen können. Unser Ziel muss eine nachhaltige Veränderung in der Gesellschaft sein.

Das Gespräch führte Helmut Kuhn.

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Israel

Voigt will den Jugendaustausch mit Israel stärken

Es gebe großes Interesse, junge Menschen zusammenzubringen und Freundschaften zu schließen, sagt der thüringische Regierungschef zum Abschluss einer Israel-Reise

von Willi Wild  13.11.2025

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025

Jüdische Kulturtage Berlin

Broadway am Prenzlauer Berg

Vom Eröffnungskonzert bis zum Dancefloor werden Besucherrekorde erwartet

von Helmut Kuhn  13.11.2025

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025