Schule

»Wir brauchen Handwerkszeug«

Schmierereien und Bedrohungen erlebte Abiturientin Noga (r.) in ihrer Schule. Foto: Marco Limberg

Am Ende wurde Michael Rado aus Köln energisch und sagte: »Ich verlange, dass es verpflichtende Fortbildungen für alle Lehrer gibt, in denen sie lernen, wie sie auf antisemitische Taten und Sprüche in der Schule reagieren sollen.« Mehrere Eltern hatten zuvor beim Panel »Tatort Schulhof: Was tun gegen Antisemitismus in der Schule?« von ihren und den Erfahrungen ihrer Kinder berichtet.

Auch Abiturientin Noga Wank Avdar, die neben Uwe Becker, dem Beauftragten Hessens für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, der Soziologin Julia Bernstein und der Lehrerin Elisabeth Scheremet auf dem Podium saß, erzählte, was sie an einer nichtjüdischen Schule erlebt – vor allem seit dem 7. Oktober. »Manche Schüler sind mit einer Palästinenserflagge unterwegs. Auf den Toiletten liest man antisemitische Sprüche. Meiner Schwester wurde gesagt, dass es Israel doch gar nicht gebe«, so die Schülerin.

Schweigeminute für die Geiseln

Als eine Schweigeminute für die von der Hamas nach Gaza verschleppten Geiseln abgehalten werden sollte, bildete sich ein Mob. Wenn sie mit einer israelischen Flagge zur Schule kommen würde, würde sie das nicht unbeschadet überstehen. »Ich habe mich bisher immer als Jüdin geoutet, aber ich weiß nicht, ob ich es noch einmal machen werde«, sagte Elisabeth Scheremet. Auch Noga hatte in ihrer Schule erzählt, dass sie Jüdin ist. Daraufhin hätten sie zehn Jungs, mit denen sie vorher befreundet war, beschimpft. Dass es Religionsfreiheit in Deutschland gebe, könne sie deshalb nicht bestätigen.

Seit mehr als 1700 Jahren gebe es jüdisches Leben in Deutschland, aber die Juden würden nur auf die Schoa und den Nahostkonflikt reduziert, so Uwe Becker. Eine Unterrichtsstunde würde da nicht ausreichen, zumal wenn auf TikTok die Geschichte anders dargestellt werde. »Wir müssen die Lehrkräfte stärken und Multiplikatoren finden, die die Community erreichen.«

Ilona Katz aus Kassel schilderte einen Fall, bei dem eine Lehrerin es nach dem 7. Oktober gut meinte und zwei jüdische Kinder aufforderte, sich zu outen. »Seitdem werden sie ausgeschlossen und sind zu zweit auf dem Schulhof.« Sie möchte nun wissen, was man der Mutter raten soll. Julia Bernstein, die zum Thema Antisemitismus, insbesondere im schulischen Kontext, forscht, meinte, der Umstand, dass die Schüler sich zwangsweise erklären mussten, mache alles noch schlimmer. In der Hausordnung jeder Schule stünde, dass Gewalt unterbunden werden müsse. Darauf könne man sich beziehen.

»Was soll ich konkret tun?«

Eine Mutter aus Stuttgart meldete sich zu Wort. Auch ihr Sohn wurde antisemitisch beschimpft. Daraufhin wechselte er die Schule. Doch schon am dritten Tag seien vier muslimische Jungs auf ihn losgegangen. »Wir brauchen Handwerkszeug. Was soll ich konkret tun?«, fragte sie.

Julia Bernstein bemerkte abschließend, dass sie zwar gläubig sei, aber davon ausgehe, dass die Situation sich verschlechtern wird. »Wie sollte es besser werden?« Sie plädiere daher für eine Verschiebung des Fokus und dafür, jüdische Quellen für die eigene Unterstützung aufzugreifen.

Feiertage

Tradition im Paket

Das Familienreferat des Zentralrats der Juden verschickt die neuen Mischpacha-Boxen mit allerhand Wissenswertem rund um Rosch Haschana und Sukkot

von Helmut Kuhn  12.09.2025

Interview

»Berlin ist zu meiner Realität geworden«

Die Filmemacherin Shoshana Simons über ihre Arbeit, das Schtetl und die Jüdische Kunstschule

von Pascal Beck  11.09.2025

München

Ein Fundament der Gemeinde

Die Restaurierung der Synagoge an der Reichenbachstraße ist abgeschlossen. In den Erinnerungen der Mitglieder hat das Haus einen besonderen Platz

von Luis Gruhler  11.09.2025

Berlin

Soziale Medien: »TikTok-Intifada« und andere Probleme

Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich auf einer Fachtagung mit Hass im Netz: »Digitale Brücken, digitale Brüche: Dialog in Krisenzeiten«

 11.09.2025

Dialog

Brücken statt Brüche

Eine neue große Tagung der Denkfabrik Schalom Aleikum widmet sich der digitalen Kommunikation in Krisenzeiten

 11.09.2025

Dialog

Freunde wie Berge

Juden und Kurden verbindet eine jahrtausendealte Freundschaft. Um ein Zeichen der Gemeinsamkeit zu senden und sich des gegenseitigen Rückhalts zu versichern, kamen sie nun auf Einladung der WerteInitiative in Berlin zusammen

von Katrin Richter  10.09.2025

Literatur

»Es wird viel gelacht bei uns«

Der Historiker Philipp Lenhard und die Schriftstellerin Dana von Suffrin über den von ihnen gegründeten Jüdischen Buchklub, vergessene Klassiker und neue Impulse

von Luis Gruhler  09.09.2025

Ausstellung

Lesen, Schreiben, Sehen, Handeln, Überleben

Im Literaturhaus München wird das Leben der amerikanischen Denkerin und Publizistin Susan Sontag gezeigt

von Ellen Presser  09.09.2025

München

Spur der heiligen Steine

Es war ein Sensationsfund: Bei Baumaßnahmen am Isarwehr wurden Überreste der früheren Hauptsynagoge entdeckt. Der Schatz wird nun vom Jüdischen Museum erforscht

von Michael Schleicher  07.09.2025