Karneval

Wagen mit Botschaft

Insgesamt 12.000 Teilnehmer, verteilt auf 78 Wagen und Gruppen, die neun Kilometer Fußweg in gut sechs Stunden schaffen und dabei von mehr als einer Million Zuschauer bejubelt werden: So geht Karneval! Ganz zu schweigen von den vielen Menschen, die den Umzug am Fernseher oder in den sozialen Medien verfolgten. Und mittendrin im karnevalistischen Treiben beim Kölner Rosenmontagszug: der Festwagen und die Fußgruppe mit der Ordnungsnummer 57.

In der »Kölner Rosenmontagszeitung«, die in den Tagen vor dem Höhepunkt der fünften Jahreszeit den Tageszeitungen beilag, stand bei der Auflistung der Gruppen, Musikkapellen und Persiflagewagen unter dieser Nummer lediglich »Festkomitee des Kölner Karnevals von 1823 e.V.« – ein Platzhalter. Doch für wen?

Diese Frage wurde erst kurz vor Beginn des Umzugs beantwortet: Es handelte sich um den Festwagen und die Fußgruppe »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«. Der Wagen war bereits 2021 gebaut worden. Pandemiebedingt fand damals jedoch kein Rosenmontagsumzug statt, im vergangenen Jahr fiel er wegen des Ukraine-Kriegs aus.

erfolg »Dank der Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen und des Festkomitees Kölner Karneval können wir uns nun als Verein mit einem Festwagen und einer Fußgruppe am Rosenmontagszug in Köln beteiligen und zeigen: Wir sind Teil dieser Stadt und stolz darauf, dass wir alle gemeinsam traditionell Karneval feiern«, freute sich Ruth Schulhof-Walter, ehemaliges Vorstandsmitglied des Vereins, und ergänzte: »Genau so habe ich mir die Ergebnisse meiner Arbeit vorgestellt. Das ist ein Erfolg für alle, die daran beteiligt waren!«

Andrei Kovacs, ehemaliger leitender Geschäftsführer des Vereins »321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«, hob hervor: »Der organisierte Kölner Karneval hat eine 200-jährige Tradition; viele Juden haben ihn von Beginn an aktiv mitgestaltet. Mit dem Festwagen und unserer Fußgruppe zeigen jüdische und nichtjüdische Karnevalsfreunde: Juden leben seit mehr als 1700 Jahren in Köln – Schalom und Alaaf!« Rund 70 Menschen gehörten zur jüdischen Gruppe.

Etwa 20 befanden sich auf dem einer Menora nachempfundenen Wagen, aus dem ein siebenarmiger bunter Baum erwächst. »Schalömche un Alaaf! 1700 Jahre fest verwurzelt in Deutschland« lautet treffend die Aufschrift. 50 Jecken – ehemalige Vereinsmitarbeiter, Freunde, Förderer, Sponsoren sowie Mitglieder des jüdischen Karnevalsvereins »Kölsche Kippa Köpp« – liefen mit, gekleidet in glitzernde Paillettenjacketts und Zylinder sowie den diesjährigen Mottoschal »Ov krüzz oder quer«.

bedeutung Der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn, würdigte gegenüber der Jüdischen Allgemeinen die Bedeutung der Teilnahme mit den Worten: »Gerade im Jahr des 200. Jubiläums des Kölner Karnevals ist uns wieder einmal bewusst geworden, wie sehr auch das Festkomitee sich in der Nazi-Zeit hat instrumentalisieren lassen. Sogar im damaligen Rosenmontagszug wurde gegen jüdische Mitbürger gehetzt. Umso wichtiger ist es, dass wir heute daran erinnern, dass jüdisches Leben seit 1700 Jahren in Deutschland fest verwurzelt ist. Heute werden wir diese jahrhundertealte gemeinsame Geschichte miteinander feiern.«

Prominentester Teilnehmer auf dem Festwagen war der Botschafter des Staates Israel in Deutschland, Ron Prosor. »Karneval habe ich bereits in meiner Zeit an der israelischen Botschaft in Bonn kennen- und lieben gelernt.« Dort war der Diplomat von 1988 bis 1992 Botschaftssprecher. »Es war für mich eine unbeschreibliche Freude, auf diesem Wagen mitfahren zu dürfen und die Begeisterung der Menschen am Streckenrand zu erleben.« Die Teilnahme von Juden am Rosenmontagszug ist laut dem Botschafter auch ein Beleg dafür, »dass es wieder viele jüdische Gemeinden gibt, für die Deutschland eine Heimat ist«.

Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, genoss die Fahrt auf dem Festwagen durch die Rheinmetropole: »Wir haben sehr viel Empathie erfahren und oftmals begeisterten Zuspruch erhalten.« Lehrer, zudem Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln, fasst zusammen: »Das ist für uns ein tolles Zeichen!«

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025

Vertrag

Jüdische Gemeinde Frankfurt erhält mehr Gelder

Die Zuwendungen durch die Mainmetropole sollen bis 2031 auf 8,2 Millionen Euro steigen

von Ralf Balke  11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025

Hannover

Ministerium erinnert an 1938 zerstörte Synagoge

Die 1938 zerstörte Neue Synagoge war einst mit 1.100 Plätzen das Zentrum des jüdischen Lebens in Hannover. Heute befindet sich an dem Ort das niedersächsische Wissenschaftsministerium, das nun mit Stelen an die Geschichte des Ortes erinnert

 10.11.2025

Chidon Hatanach

»Wie schreibt man noch mal ›Kikayon‹?«

Keren Lisowski hat die deutsche Runde des Bibelquiz gewonnen. Jetzt träumt sie vom Finale in Israel

von Mascha Malburg  10.11.2025

München

Gelebte Verbundenheit

Jugendliche engagieren sich im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes in den Einrichtungen der Israelitischen Kultusgemeinde

von Esther Martel  09.11.2025

Sport

»Die Welt spielt gerade verrückt«

Alon Meyer über seine Wiederwahl zum Makkabi-Präsidenten in ganz besonderen Zeiten, den enormen Mitgliederzuwachs und die Zukunft des jüdischen Sportvereins

von Helmut Kuhn  09.11.2025

Erlangen

Bald ein eigenes Zuhause

Nach jahrzehntelanger Suche erhält die Jüdische Kultusgemeinde ein Grundstück für den Bau einer Synagoge

von Christine Schmitt  09.11.2025

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025