Zacharias Frankel College

Vorbild: Regina Jonas

Nizan Stein Kokin ist die erste in Deutschland ausgebildete konservative Rabbinerin seit der Schoa. Foto: Tobias Barniske

Mit einer feierlichen Zeremonie ist am Sonntag im Berliner Gemeindezentrum Fasanenstraße die erste Absolventin des Zacharias Frankel College zur Rabbinerin ordiniert worden. Ein historischer Augenblick: Nizan Stein Kokin ist die erste in Deutschland ausgebildete konservative Rabbinerin seit der Schoa.

Masorti – so der hierzulande gebräuchliche Begriff für die vor allem in den USA stark vertretene konservative Religionsströmung – nimmt eine Position der Mitte ein, zwischen Orthodoxie und Reformbewegung. Das an der Universität Potsdam angesiedelte Zacharias Frankel College bildet damit als einziges die dritte Säule der Rabbinatsausbildung in Deutschland.

ausbildung Das wussten auch die Festredner im großen Gemeindesaal vor Gästen aus dem In- und Ausland, darunter zahlreiche Rabbiner und Rabbinerinnen des konservativen Spektrums, zu würdigen. Für Rabbiner Brad S. Artson, Dekan der Ziegler School of Rabbinic Studies in Los Angeles, ist es schlicht ein Wunder, dass diese Ausbildung in Europa, zumal in Deutschland, heute auf diese Weise möglich ist.

Zentralratsgeschäftsfüher Daniel Botmann gratulierte Stein Kokin von Herzen. Als Frau, die ihren Erfahrungshorizont in Deutschland, Israel und in den Vereinigten Staaten gesammelt habe, sei sie eine Brückenbauerin zwischen den Nationen. Auch wenn sie zunächst zu ihrem Mann nach Amerika gehe, zeige ihre Ausbildung die Vielfalt jüdisch religiöser Ausbildungen in Deutschland, sagte Botmann.

Mit den Ausbildungsstätten des Abraham Geiger Kollegs in Potsdam, des Hildesheimerschen Rabbinerseminars in Berlin, der bereits 1979 gegründeten Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg und jetzt zuletzt des 2013 eröffneten Zacharias Frankel College zeige sich die ganze Farbe des Judentums. Ein zeitgemäßes Konzept für religiöse Bildung – egal welcher Denomination – könne auf die heutigen Alltagsbedingungen junger Juden in Deutschland reagieren. Er spreche sich für eine religiöse Vielfalt unter einem Dach aus, das es aber jeden Tag zu verteidigen gelte, sagte Botmann.

Große Unterstützung erhielt das seit 2013 bestehende Frankel College von der Potsdamer Universität und der Politik. Das Zacharias Frankel College wurde in Zusammenarbeit mit der Leo Baeck Foundation aufgebaut und steht unter der religiösen Leitung der »Ziegler School of Rabbinic Studies« in Los Angeles.

Masorti bedeutet »traditionell«. Es wird großen Wert auf die Halacha gelegt. Zugleich ist Masorti egalitär und bietet Frauen die Möglichkeit, ein geistliches Amt zu übernehmen.

studium Nizan Stein Kokin, jahrelang engagiert in der jüdischen Bildungsarbeit, hegte schon lang den Wunsch, in der Gemeindearbeit aktiv zu sein und Gottesdienste mitzugestalten. Mit großer Leidenschaft hat sie sich in das Studium der biblischen und talmudischen Schriften vertieft, und am liebsten, so gestand sie, würde sie da gleich weitermachen.

Sie erinnerte an Regina Jonas, die 1935 zur weltweit ersten Rabbinerin ordiniert wurde. Sie sehe sich in ihrer Tradition, sagte Stein Kokin. Regina Jonas wurde mit nur 42 Jahren in Auschwitz ermordet – genau in dem Alter, in dem die Absolventin des Frankel College heute ist. »Es ist ein Privileg und ein Versprechen, als traditionelle und moderne Frau in die Fußstapfen von Regina Jonas zu treten«, so die frisch ordinierte Rabbinerin.

Stein Kokin, die mit ihrer Familie derzeit in Los Angeles lebt, sieht sich als erste in Europa ordinierte Masorti-Rabbinerin auch als Brückenbauerin zwischen beiden Kontinenten.

Lesen Sie mehr in der kommenden Ausgabe am Donnerstag.

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Israel

Voigt will den Jugendaustausch mit Israel stärken

Es gebe großes Interesse, junge Menschen zusammenzubringen und Freundschaften zu schließen, sagt der thüringische Regierungschef zum Abschluss einer Israel-Reise

von Willi Wild  13.11.2025

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025

Jüdische Kulturtage Berlin

Broadway am Prenzlauer Berg

Vom Eröffnungskonzert bis zum Dancefloor werden Besucherrekorde erwartet

von Helmut Kuhn  13.11.2025

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025