Biografien

Theodor und der Zauberer

Literaturnobelpreisträger Thomas Mann und Theodor Heuss, erstes Staatsoberhaupt der Bundesrepublik – diesen beiden deutschen Geistern und ihrem Verhältnis zum Judentum waren jüngst im Jüdischen Gemeindezentrum zwei Vorträge gewidmet. Interessante Parallele: Beide hegten – auch und gerade während des Nationalsozialismus – große Sympathien für ihre jüdischen Mitbürger. Beider Biografien hatten aber auch dunkle Flecken.

Bei Thomas Mann erkennen etliche Forscher vor und während des Ersten Weltkriegs ein ambivalentes Verhältnis zum Judentum: weit entfernt von aggressivem Antisemitismus, aber mit antijüdischen Tendenzen. Und Theodor Heuss, der nach 1945 das große Wort von der »Kollektivscham« prägte, wird vorgehalten, er habe einen »kulturellen Antisemitismus« gepflegt: hingezogen zu den assimilierten, erfolgreichen »Westjuden« in Deutschland, ablehnend gegenüber den angeblich unzivilisierten »Ostjuden«.

Patriziersohn Referent Dieter Borchmeyer konzentrierte sich in seinem sehr anspruchsvollen Vortrag auf Thomas Manns Joseph-Romane, deren vier Bände er das »Hauptwerk« des Lübecker Patriziersohns nannte. Erschienen zwischen 1933 und 1943, war in ihnen »von Anfang an der Widerspruch gegen den Faschismus angelegt«, so der emeritierte Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Heidelberg.

Die deutsche Kritik nahm schon die beiden ersten Bände, die noch in Berlin erscheinen konnten – Band 3 kam 1936 in Österreich heraus, der letzte 1943 in Schweden –, ungnädig auf. Von jüdischer Seite jedoch erfuhr Thomas Mann große Dankbarkeit, was ihn wiederum mit Freude erfüllte: Nichts sei ihm, sagte Borchmeyer, wichtiger gewesen als das.

Mitte der 30er-Jahre war Thomas Mann auf Geheiß der Nazis aus deutschen Zeitungen so gut wie verbannt. Sein 60. Geburtstag im Jahr 1935 fand schon keinerlei Niederschlag mehr – mit einer Ausnahme: In der Zeitschrift »Die Hilfe« erlaubte sich Theodor Heuss eine »positive Würdigung des verfemten Autors«, unterstrich Borchmeyer.

Aussöhnung In seinem Buch Theodor Heuss, die Schoah, das Judentum, Israel untersucht Karl-Josef Kuschel, emeritierter Theologieprofessor aus Tübingen, die Haltung genau dieses Theodor Heuss, der 1933 im Reichstag – gegen innere Widerstände – Hitlers Ermächtigungsgesetz zugestimmt hatte und nach 1945 wie kaum ein anderer deutscher Politiker für die Aussöhnung mit Israel eintrat.

Kuschel nennt Heuss’ Position während der NS-Zeit »nicht frei von Opportunismus«, seine Verdienste überwögen jedoch. Er betonte Heuss’ »einzigartig vielfältiges und freundschaftliches Verhältnis zu jüdischen Zeitgenossen, zum Judentum überhaupt, vor allem aber sein unbeirrtes öffentliches Eintreten für eine selbstkritische Erinnerungskultur (…), seinen Einsatz für einen erneuerten christlich-jüdischen Dialog nach dem Krieg (...) und für eine Aussöhnung mit Israel«. In jedem Fall ist Kuschel mit seinem Buch eine hochinteressante und kenntnisreiche Charakterstudie des einst ersten Mannes im Staate gelungen, die souverän geschrieben und dadurch wunderbar zu lesen ist.

Eingeladen zu beiden Veranstaltungen hatte das Kulturzentrum der IKG, gemeinsam mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und – bei dem Vortrag über Thomas Mann – das Thomas-Mann-Forum sowie die Zauberberg-Stiftung zur Förderung der Thomas-Mann-Forschung.

Familie

Fast immer ganz nah

Auch wenn sie manchmal nerven: Ohne Schwestern oder Brüder macht das Leben vielen nur halb so viel Spaß. Denn Geschwister sind füreinander da. Das zeigt unsere Umfrage

von Christine Schmitt  04.08.2025

Berlin

Zusammen spielen

Im Deutsch-Jüdischen Theater arbeiten Christen, Juden und Muslime an einer szenischen Lesung zu Ehren von sechs jüdischen Persönlichkeiten. Ein Probenbesuch

von Alicia Rust  03.08.2025

Sprachen

Ein besonderes Lesefest

Nach ihrem Abschied aus dem aktiven Schuldienst engagiert sich Michaela Rychlá in der Erwachsenenbildung

von Vivian Rosen  03.08.2025

Kirche

»Es geht um Haltung«

Thomas Leu über Antisemitismus, Denkmalschutz und eine künstlerische Intervention an der Calber »Judensau«

von Tobias Kühn  03.08.2025

Gemeinden

»Wir werden hier beschützt«

Seit 1980 ist Michael Fürst Präsident des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen. Ein Gespräch übers Weitermachen, Demokratie und alte Bücher, die wieder aktuell sind

von Katrin Richter  03.08.2025

Porträt der Woche

Historikerin aus Leidenschaft

Shiran Shasha forscht zu antiken Gärten und sammelt Geld für eine Synagoge auf Kreta

von Gerhard Haase-Hindenberg  03.08.2025

Hannover

Ehrung für jüdischen Unternehmer Seligmann

Die Ehrentafel wird am 17. August am Musikzentrum Villa Seligmann angebracht,

 31.07.2025

Weimar

Mittelbau-Dora zeigt letzten Besitz von Häftlingen

Die Ausstellung »#StolenMemory« bilde einen wichtigen Bestandteil einer Kampagne der Arolsen Archives zur Rückgabe dieser persönlichen Gegenstände an die Angehörigen

 31.07.2025

Solidarität

»Wir lassen uns nicht einschüchtern«

Kurz vor Kabbalat Schabbat demonstrierten anti-israelische Gruppen in der Nähe der Synagoge. Hunderte Münchner bildeten daraufhin eine Menschenkette

von Luis Gruhler  31.07.2025