Projekt

Schuld und Identität

Filmpremiere: Moderator Andrej Reisin (l.) fragt die jungen deutschen Projektteilnehmer nach ihren persönlichen Eindrücken. Foto: Moritz Piehler

Wie gehen wir mit der Vergangenheit um? Wie mit dem Erinnern und wie mit dem Vergessen? Mit diesen Fragen haben sich 18 junge Menschen aus Deutschland und Israel im Rahmen des Projekts »Remembering« intensiv befasst, wobei sie vor allem aufgefordert waren, das Thema aus sehr persönlicher Sicht zu beleuchten. Dabei herausgekommen ist ein spannendes Multimediaprojekt und 18 Kurzfilme, die am 9. November in Hamburg ihre Deutschlandpremiere hatten.

Begleitet von einem Team aus Journalisten, Filmemachern, Historikern und Pädagogen hatten sich die Jugendlichen daran gemacht, ihre eigene und damit auch die deutsch-israelische Geschichte zu erkunden. Einzige Vorbedingung war, dass sie sich schon früher Gedanken zum Thema Holocaust gemacht hatten und ihre Überlegungen auf persönlicher Ebene führten.

Schlüsselmomente Zweimal trafen sich die beiden Gruppen, erlernten gemeinsam die Grundlagen des Filmemachens und hatten vor allem je acht Tage in Workshops Zeit, einander kennenzulernen und auszutauschen. Für Projektleiterin Marion Ram war das erste Aufeinandertreffen eigentlich der Schlüsselmoment: »Als die beiden Gruppen nach zwei Stunden schon kaum noch auseinanderzuhalten waren, da wussten wir, dass es klappen würde«, erzählt Ram von der intensiven Zusammenarbeit.

Schließlich sei ein großes Ziel des Projektes die Verständigung zwischen beiden Gruppen gewesen, auch wenn natürlich die Unterschiede trotzdem sichtbar blieben. »Aber, so bitter das ist, durch die Geschichte sind unsere Länder nun einmal untrennbar miteinander verbunden«, sagt Ram, die während einer Israelreise auf die Idee zu dem Projekt gestoßen war.

Und so unterscheidet sich auch die Herangehensweise der beiden Gruppen an das Thema. Während sich in den israelischen Berichten und Filmen oft die Thematik Heimat, Identität und auch Nationalismus wiederfindet, suchten die deutschen Teilnehmer eher nach Antworten im familiären Umfeld. Mit dem Abstand von zwei Generationen ist die Anklage gegen die Eltern den Fragen mit einem echten Interesse gewichen: Was ist da eigentlich genau passiert, und wie konnte es passieren? Oder: Was hat das alles noch mit uns zu tun? Die Ergebnisse der persönlichen Recherchen wurden multimedial verarbeitet. So entstanden neben Filmen zahlreiche Interviews, Fotos und interaktive Karten, die auf der Projekthomepage zu finden sind. Die Initiatoren ihrerseits hoffen, dass die Resultate und das Konzept auch in anderen Projekten Anklang und Verwendung finden und an Schulen, Bildungsstätten oder Universitäten genutzt werden.

Auch für die diplomierte Filmemacherin Ram war es zunächst ein gewagtes Experiment: »Ich hatte vorher noch keine Erfahrungen mit Jugendarbeit oder ein Projekt von diesen Ausmaßen betreut.« Fast drei Jahre später konnte sie nun gemeinsam mit dem Team zunächst in Israel und dann auch im Hamburger Alabama-Kino den gelungenen Abschluss feiern. »Solange es Menschen gibt, die sich so intensiv mit Geschichte beschäftigen, ist das wichtig und gut«, lobte Ram das Engagement der jungen Teilnehmer. »Uns war von Beginn an klar, dass es nur mit freiwilligem Einsatz geht und mit den Mitteln der jungen Generation«, erzählt sie. Aber von Anfang an hätten alle Teilnehmer das Projekt sehr ernst genommen und sich intensiv damit befasst.

DDR Spannendes ist dabei zum Teil zutage getreten, wie die Geschichte des jüdischen Sozialisten Leon Löwenkopf, der sich zunächst der grausamen Verfolgung durch das Naziregime ausgesetzt sah, und dann auch in der DDR diffamiert und verfolgt wurde. Löwenkopf war der Urgroßonkel eines der jungen Nachwuchsfilmer, der sich nun auf die Spuren seines Ahnen begab. Eine israelische Teilnehmerin beschäftigte sich mit dem Thema »Holocaust-Witze« und interviewte auch ihre deutschen Pendants dazu.

Viele andere wandten sich dem Naheliegenden zu und führten Gespräche mit Groß- und Urgroßeltern. Immer wieder stießen die Jugendlichen dabei auf Mauern des Schweigens, mühsam aufrecht erhaltene Nachkriegsidentitäten, getragen von Verdrängung und Vergessen. Für manche sei es auch frustrierend gewesen, der eigenen Familiengeschichte trotz intensiver Beschäftigung nicht nähergekommen zu sein, berichtet Ram. Mehrere der deutschen Filme thematisieren dies auch ganz direkt. Das sind die Momente, die verdeutlichen, wie wichtig ein solches Projekt zum Thema Erinnern auch 77 nach der Pogromnacht ist.

www.remembering.today

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Auszeichnung

Düsseldorfer Antisemitismusbeauftragter erhält Neuberger-Medaille

Seit vielen Jahren setze sich Wolfgang Rolshoven mit großer Entschlossenheit gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens in Düsseldorf ein, hieß es

 16.09.2025

Erinnerung

Eisenach verlegt weitere Stolpersteine

Der Initiator des Kunst- und Gedenkprojekts, Gunter Demnig aus Köln, die Stolpersteine selbst verlegen

 16.09.2025

Porträt der Woche

Passion für Pelze

Anita Schwarz ist Kürschnerin und verdrängte lange das Schicksal ihrer Mutter

von Alicia Rust  16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in wiedereröffneter Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  16.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025

Essen

Festival jüdischer Musik mit Igor Levit und Lahav Shani

Der Festivalname »TIKWAH« (hebräisch für »Hoffnung«) solle »ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten« setzen, hieß es

 15.09.2025

Berlin

Margot Friedländer Preis wird verliehen

Die mit insgesamt 25.000 Euro dotierte Auszeichnung gehe an Personen, die sich für Toleranz, Menschlichkeit, Freiheit und Demokratie einsetzen

 15.09.2025