Frankfurt

»Reset« und Empowerment

Zusammen beim Jewish Women* Empowerment Summit Foto: Debi Simon

»So viele junge, intelligente, hübsche Frauen in diesem Raum!« Marina Gerner ist begeistert. Die Journalistin liest aus ihrem Buch Vagina Business, das sich mit Frauengesundheit befasst. Die Gäste des »Jewish Women* Empowerment Summit« in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main hören aufmerksam zu, diskutieren später angeregt.

Ein Ort, an dem man durchatmen kann, auch unter sich sein kann. Ohne Vorbehalte miteinander reden kann. Und an dem wichtige Diskurse stattfinden, hochkarätige Referentinnen sprechen und Erfahrungen vieler Frauen sich bündeln. Das ist der »Jewish Women*Empowerment Summit«, der nun bereits im siebten Jahr in der Frankfurter Jüdischen Gemeinde stattfand.

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Vier Tage lang trafen sich rund 100 junge Frauen und nichtbinäre Personen zwischen 18 und 40 Jahren zu diesem Kongress, der seit 2019 – auch in den Coronajahren – besteht und für viele zum festen Datum im Kalender geworden ist.

Sie kommen aus ganz Deutschland, in diesem Jahr auch aus Tschechien und der Schweiz. Netzwerken steht an erster Stelle. Und Inspiration, so wie zum Beispiel die Studentin Alexandra Krioukov berichtet. Die Berlinerin war bei einem der ersten Kongresse, noch ohne Idee, ob und wie sie sich engagieren könne. Heute ist sie Vizepräsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands, die als Mitveranstalterin des Kongresses fungiert, neben dem Zentralrat der Juden und der Zentralwohlfahrtsstelle ZWST.

Motto in diesem Jahr war »Reset« – im siebten Jahr eine Art Rückblick darauf, was mit dem jüdisch-feministischen Ansatz des Kongresses geschaffen wurde.

Die weiblichen und queeren Erfahrungsräume seien sichtbarer geworden, die jüdisch-feministischen Verortungen zu einem relevanten gesellschaftspolitischen Feld. Der Kongress begleitet und verstärkt diese Entwicklungen und trägt sie in jüdische Communities hinein. Im Jahr 2025 spielen, wie im vergangenen Jahr ebenfalls, die aktuellen weltpolitischen Krisen selbstverständlich eine Rolle.

Der Kongress will ein »safe space« sein.

Vor allem der 7. Oktober 2023, nach dem nichts mehr wie vorher ist. Nach diesem Datum geht auch durch die feministische Community ein Riss, jüdische Frauen fühlen sich oft vor den Kopf gestoßen, in Abwehrhaltungen gedrängt. Das muss man erst einmal aushalten – und das zehrt. Auch zu diesem Thema will der Kongress einen »safe space« bieten. Die starke Zäsur 2024 lenkte den Fokus auf Antisemitismus, sexualisierte Gewalt und Exklusion in feministischen Bündnissen, das kommt auch bei dieser Veranstaltung zum Tragen: Empowerment ist jetzt unmittelbar verknüpft mit Sicherheit, Resilienz und politischer Sichtbarkeit.

Das bestätigt auch Katrin Ikhilman, Frauenbeauftragte bei der Jüdischen Studierendenunion und Leiterin der neuen Jewish Women*Empowerment Taskforce. Auch sie möchte die jüdisch-weibliche Perspektive in den Mittelpunkt rücken, sowohl in der Außenwirkung wie auch nach innen. Kleine Gruppen an verschiedenen Universitäten treffen sich, berichtet Ikhilman, aber es werde auch erstmals ein großer gemeinsamer Frauen Schabbat in Berlin vorbereitet. Räume zu schaffen, im tatsächlichen wie auch im übertragenen Sinn: Auch das ist mit Empowerment gemeint.

Den Raum gab es in Frankfurt am vergangenen Wochenende, dessen Agenda sehr spannend und abwechslungsreich war. Den ersten Abend gestaltete die Journalistin Marina Gerner mit ihrer Lesung und dem Gespräch mit Laura Cazés von der ZWST. Gerner stellte ihren Bestseller vor, der sich um männerdominierte Medizin dreht. Von der Periode über Geburten bis hin zu den Wechseljahren – Beschwerden, die den weiblichen Körper betreffen, finden zu wenig Beachtung, werden oft bagatellisiert und missverstanden. 

Wie Gründerinnen der FemTech-Branche mit ihren Unternehmen bereits Veränderungen bewirken, zeigt Marina Gerner. Sie berichtete, mit welchen Problemen sie in den Vorstandsetagen auf der ganzen Welt zum Beispiel bei der Suche nach Investoren zu kämpfen haben, und zeigt auf, was sich ändern muss – sehr kurzweilig formuliert.

Stärkung jüdischer Frauen

Der zweite Tag befasste sich nach der Keynote der Antisemitismusforscherin Merle Stöver mit der Sichtbarkeit jüdisch-feministischer Positionen in einem Panel und in Kleingruppen. Unter dem Eindruck der anhaltenden Belastungen wie dem Angriff am 7. Oktober 2023 und dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine wird die Stärkung jüdischer Frauen und queerer Menschen und die Sichtbarmachung ihrer Positionen immer dringlicher. Dass es »so viele Möglichkeiten gibt, jüdisch zu sein«, war vielen jungen Frauen noch nicht bewusst: Hier gab es die Gelegenheit, von den Erfahrungen Gleichaltriger zu profitieren.

In »CoSpaces« stellten sich Organisationen wie »Hillel Deutschland«, eine jüdische Jugendorganisation, »Keshet«, die jüdische LGBTIQ*-Community oder die »Lost Jew Crew«, die Events für »säkulare, patrilineare, postsowjetische« und andere »Lost Jews« anbietet, vor. 

Sabena Donath, Direktorin der Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden, bezeichnete die Konferenz als etablierten, relevanten Teil des eigenen Bildungsprogramms. Man wolle hier eine Diskursmöglichkeit für junge Jüdinnen anbieten, die vorher gefehlt habe. Dass das Konzept ankommt, zeige, dass viele immer wieder dabei sind. An der Aktualität der Themen erweise sich, wie sich der Summit von der Selbstreflexion über Identität (2019) hin zu globalen, politischen und krisenbezogenen Themen (2024 und 2025) entwickelt hat – von feministischen Fragen zu akuter Krisenbewältigung.

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