Jubiläum

Religionen im Gespräch

Für Toleranz und Akzeptanz: Vertreter der jüdischen und der christlichen Community Foto: Claudia Irle-Utsch

Eine Handvoll Männer sitzt in einem Café. Die einen tragen Kippa, die anderen sind Imame. Sie sind miteinander im Gespräch. Vier Jahrzehnte zuvor haben in der Gegend evangelische und katholische Christen und Menschen jüdischen Glaubens einander die Hand gereicht – und diesen Brückenschlag manifestiert: Sie gründeten die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Wetterau und damit eine von heute mehr als 80 derartigen Vor-Ort-Initiativen, die unter dem Dach des Deutschen Koordinierungsrats mit jeweils eigener Prägung arbeiten.

Wie ein roter Faden zieht sich dabei das Motiv des Dialogs durch die gewachsene Struktur. Unermüdlich suchen die Verantwortlichen nach Wegen einer Verständigung, die auf gegenseitige Akzeptanz und Toleranz zielt, auf Respekt und Mitmenschlichkeit.

Der Koordinierungsrat hat seinen Sitz im hessischen Bad Nauheim. Er entstand »in einer Zeit der Sprachlosigkeit«, zitierte der evangelische Präsident, Pfarrer i.R. Friedhelm Pieper, seinen jüdischen Amtsvorgänger Henry G. Brandt im Pressegespräch. Den Anstoß zur Gründung sowohl einzelner Gesellschaften (wie 1948/49 in München, Wiesbaden, Frankfurt, Stuttgart und Berlin) als auch (im September 1949) des Dachverbands gaben Angehörige der amerikanischen Besatzungsmacht.

Sie verstanden diese Form eines dialogischen Miteinanders als Instrument zur politischen Bildung.

Sie verstanden diese Form eines dialogischen Miteinanders als Instrument zur politischen Bildung. Die Erziehungsabteilung der US-Militärregierung habe damals ihren Sitz in Bad Nauheim gehabt, so Pieper zur historischen Entwicklung des Koordinierungsrats. Der Verband schickte sich an, in der jungen deutschen Demokratie eine öffentlich wahrnehmbare Stimme zu sein – seit 1968 auch mit der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille.

Nach dem Grauen der Schoa galt es, in den frühen Jahren der Bundesrepublik Wege zu finden, auf denen trotz allem ein versöhnliches und versöhntes Miteinander möglich werden konnte. Heute ist die besondere Herausforderung, Position zu beziehen angesichts eines sich immer aggressiver äußernden Antisemitismus. Der Kampf gegen diesen Hass sei auch »ein Kampf für unsere Demokratie«, sagt Britta Weber. Sie ist Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Wetterau, die ihr 40-Jähriges im Verbund mit dem 75-jährigen Jubiläum des Deutschen Koordinierungsrats feiert.

Den Dialog zu suchen, das sei »der einzige Weg«, der »Fratze des Antisemitismus« zu begegnen, so Manfred de Vries. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Bad Nauheim wird deshalb nicht müde, wieder und wieder mit Schülerinnen und Schülern zu reden – im Rahmen des Programms »Meet a Jew«, aber auch gemeinsam mit Verantwortungsträgern der muslimischen Community. Vorurteile könnten sich nur auflösen, wenn man miteinander rede, unterstreicht de Vries. Er steht einer kleinen, aber sehr lebendigen jüdischen Gemeinde vor, die sichtbar ist nicht zuletzt dank der Ausstellung Jüdisches Leben in der Wetterau im Wetterau-Museum in Friedberg.

In einer mobilen Version tourt diese Schau regelmäßig durch die Region. »Wir zeigen Menschen«, betont Museumsleiter Johannes Kögler. Und so ist auf einem der Roll-ups auch Viatcheslav Ifraimov zu sehen, aus Russland stammendes Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde. Er saß bei jener Handvoll Männer am Tisch. Im Café. Mitten in Deutschland. Mit Kippa!

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025