Baden-Württemberg

Polizeirabbiner nehmen Arbeit auf

Rabbiner Shneur Trebnik (l.) ist für die Polizei in Württemberg, Moshe Flomenmann für die Polizei in Baden zuständig. Foto: Philipp Rothe, VK

Polizisten stehen an einem jüdischen Feiertag vor einer Synagoge. Sie sind zum Schutz der Gemeinde da. Doch was feiern die Menschen eigentlich? Was schütze ich hier? Dieses Wissen fehlt den Polizisten oftmals. Mit Beispielen wie diesem möchte Rabbiner Shneur Trebnik verdeutlichen, was sich durch seine neue Aufgabe künftig ändern soll.

Der Rabbiner der Ulmer Gemeinde ist seit Jahresanfang einer der zwei Polizeirabbiner für Baden-Württemberg. Das Land hat diese Stellen neu geschaffen und ist damit erst der dritte Staat weltweit, nach den USA und Israel, mit Rabbinern bei der Polizei, wie der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung, Michael Blume, betont. Auf Blumes Vorschlag hin hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU) Rabbiner Trebnik für Württemberg und Landesrabbiner Moshe Flomenmann aus Lörrach für den badischen Landesteil zu der neuen Aufgabe berufen.

bildungsplan Sie sollen den Polizisten in Baden-Württemberg Wissen über das heutige Judentum vermitteln, als Vertrauensperson dienen und wie auch die 19 christlichen Polizeiseelsorger im Land bei der psychosozialen Notfallversorgung helfen. Auch in der Ausbildung werden sich die Polizeirabbiner einbringen. Für die im März beginnenden Polizeianwärter arbeiten sie derzeit an einem Bildungsplan zu jüdischem Leben in Deutschland. 

Auch in der Ausbildung werden sich die Polizeirabbiner einbringen.

»Bislang sind wir mit der Polizei oft nur bei Sicherheitsfragen im Gespräch«, sagt Rabbiner Trebnik. Ihm sei es deshalb wichtig, auch die Vielfalt des Lebens der jüdischen Gemeinden aufzuzeigen. Er setze dazu auf unmittelbare Gespräche mit und nicht über jüdische Menschen. »Denn meine Erfahrung zeigt: Jedes Gespräch bewirkt etwas.«

Sein Ziel im Austausch mit der Polizei sei es deshalb vor allem, mögliche Vorurteile abzubauen und für Toleranz gegenüber Andersdenkenden zu sorgen. Oft sei beim Thema Juden nur von Antisemitismus oder israelischer Politik die Rede, sagt Trebnik. Die Menschen wüssten zu wenig über das Judentum, nicht nur bei der Polizei.

Sensibilität Das sieht auch Rabbiner Flomenmann so. »Es bestehen Berührungsängste, aus diesen kann Angst entstehen und daraus dann Hass.« Eine Folge könnten etwa antisemitische Chatgruppen sein, wie sie bei der Polizei bekannt wurden. Dabei ist er sich sicher, »wenn man mehr über das Judentum erfährt, entwickelt man auch eine andere Sensibilität für jüdische Themen und hat auch künftig einen besseren Zugang dazu«.

Er möchte deshalb erreichen, dass das Wissen über das Judentum in der Polizei möglichst breit gestreut ist. Es reiche nicht, wenn nur Polizisten in leitenden Funktionen etwa bei den Polizeipräsidien über das jüdische Leben in Deutschland Bescheid wüssten. Auch jeder Streifenpolizist sollte hier über Wissen verfügen, sagt Flomenmann. »Ich möchte das jüdische Leben nicht nur im Verstand, sondern auch im Gefühl vermitteln.«

Ziel im Austausch mit der Polizei ist es vor allem, mögliche Vorurteile abzubauen und für Toleranz gegenüber Andersdenkenden zu sorgen.

Dass dies mitunter keine leichte Aufgabe sein wird, ist Rabbiner Trebnik bewusst. »Vielleicht werden Gespräche mit Polizisten mit unterschiedlichen Meinungen enden. Doch mir ist wichtig, dass man andere Meinungen akzeptieren kann.« Denn auch er sagt: »Viele Bedrohungen von Juden beginnen unter dem Schutz der Meinungsfreiheit. Doch das kann schlimm enden.«

antisemitismusbeauftragter Der Antisemitismusbeauftragte Blume sieht in den zunächst für zwei Jahre berufenen Polizeirabbinern auch ein deutliches Zeichen für die Gesellschaft. Indem Baden-Württemberg nun auch Polizeirabbiner habe, spürten Polizistinnen und Polizisten, dass sie Teil von einem größeren »Wir« seien – einer Demokratie mit religiöser und ethnischer Vielfalt. »Das stärkt auch gegen Antisemitismus und Rassismus«, ist Blume überzeugt.

Nicht nur bei der Polizei, auch beim Militär wird das jüdische Leben künftig besser repräsentiert. Bereits im Mai 2020 hat der Bundestag beschlossen, jüdische Militärseelsorger bei der Bundeswehr zu schaffen. Bis zu zehn Seelsorger jüdischen Glaubens sollen künftig bei den deutschen Streitkräften arbeiten. 2021 feiert die Bundesrepublik zudem 1700 Jahre jüdisches Leben auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands mit Veranstaltungen über das ganze Jahr verteilt.

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Israel

Voigt will den Jugendaustausch mit Israel stärken

Es gebe großes Interesse, junge Menschen zusammenzubringen und Freundschaften zu schließen, sagt der thüringische Regierungschef zum Abschluss einer Israel-Reise

von Willi Wild  13.11.2025

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025

Jüdische Kulturtage Berlin

Broadway am Prenzlauer Berg

Vom Eröffnungskonzert bis zum Dancefloor werden Besucherrekorde erwartet

von Helmut Kuhn  13.11.2025

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025