Buchbesprechung

In Lich und um Lich herum

Das Familienbuch der Chambré-Stiftung Foto: Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftung

»Mein Papa kam blutüberströmt zurück. Er hatte einst ein schönes Vaterland. Das ist bereits 55 Jahre zurück geschehen, und es steht mir vor der Seele, als ob es gestern wäre.« Im November 1988 schreibt Irma Lemberg aus New York einen Brief »an die hellwachen Schüler von Lich!«.

Der Brief gehört zu den beeindruckendsten Zeugnissen des opulent ausgestatteten Familienbuches Juden in Lich, Birklar, Langsdorf, Muschenheim und Ettingshausen. Lemberg berichtet in dem Schreiben von ihrem Leben in der oberhessischen Kleinstadt, wo seit dem 17. Jahrhundert Juden ansässig waren.

Detailliert Eine Familienchronik sei laut Herausgeber »kein schöngeistiges Buch«, sondern »ein genealogisches Sachbuch«, es ist über weite Strecken von eher sprödem Charakter. Sämtliche jüdische Familien, die seit dem 18. Jahrhundert in Lich und den umliegenden Dörfern lebten, werden so detailliert beschrieben, wie die Quellenlage dies zulässt – ebenso das jüdische Gemeindeleben.

Fotos aller erhaltenen Grabsteine von den jüdischen Friedhöfen aus Lich und den umliegenden Dörfern werden ergänzt durch die Übersetzungen der Grabinschriften aus dem Hebräischen ins Deutsche. Man kann nachlesen, dass die älteste nachweisbare Synagoge in Lich um das Jahr 1784 existiert haben muss, und nachverfolgen, wie es zum Neubau der Synagoge 1922 kam.

Antisemitismus In einem Beitrag über die Geschichte der Licher Familie Chambré lassen die Autoren keinen Zweifel daran, dass unter der Decke eines nachbarschaftlichen Miteinanders von Juden und Christen bereits im späten 19. Jahrhundert ein politisch organisierter Antisemitismus zu finden war, besonders in der Region Oberhessen.

Ohne die Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftung zu Lich wäre das Buch wohl kaum entstanden. Der Namensgeber, geboren 1909 in Lich, gestorben 1996 in New York, überlebte den Holocaust als Einziger seiner Familie. Seinem Erbe verdankt die Stiftung ihre finanzielle Basis.

44 Juden der Stadt Lich wurden Opfer des Holocaust. Das Familienbuch nennt ihre Namen sowie die ihrer Vorfahren, auch die Namen derer, die sich vor dem Morden retten konnten. Ihre Heimatstadt und Ernst-Ludwig Chambré haben sie dem Vergessen entrissen.

Hanno Müller, Friedrich Damrath, Monica Kingreen, Klaus Konrad-Leder: Juden in Lich, Birklar, Langsdorf, Muschenheim und Ettingshausen. Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftung, Lich 2010. 720 S., 20 €

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Aufgegabelt

Apfel-Beignets

Rezept der Woche

von Katrin Richter  20.12.2025

Porträt

Am richtigen Ort

Arie Oshri ist Koch, Dragqueen und lebt in seiner Wahlheimat Berlin

von Alicia Rust  20.12.2025

Umbenennung

Yad-Vashem-Straße in Berlin: Wegner will schnelle Umsetzung

Nach der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem soll ein Straßenabschnitt im Herzen von Berlin benannt werden. Der Regierende Bürgermeister hofft auf eine schnelle Umsetzung

von Jonas Grimm  18.12.2025

Fachtagung

Ein geschützter Raum

Was passiert, wenn alte Traumata angesichts neuen Terrors wieder hochkommen? In Frankfurt tauschten sich Therapeuten, Sozialarbeiter und Schoa-Überlebende aus

von Mascha Malburg  18.12.2025

Neuerscheinung

Mit Emre und Marie Chanukka feiern

Ein Pixi-Buch erzählt von einem jüdischen Jungen, der durch religiöse Feiertage Verständnis und Offenheit lernt

von Nicole Dreyfus  18.12.2025

Zahl der Woche

1437

Funfacts & Wissenswertes

 18.12.2025

Bildungsministerkonferenz

Publizist Friedman: Leben jüdischer Kinder schlecht wie nie seit 1945

Schulen als Bildungsorte für Demokratie und Menschenrechte, gegen Hass und Antisemitismus: Der Publizist Michel Friedman sieht hier große Defizite in Deutschland

 18.12.2025

Безопасность

»Ни одно еврейское мероприятие не должно быть отменено«

После трагедии в Сиднее президент Центрального совета евреев Германии Йозеф Шустер обращается с личным посланием ко всем евреям Германии: не позволяйте отнять у вас радость Хануки

von Йозеф Шустер  18.12.2025