Josef Schuster hat Charlotte Knobloch geehrt. Anlass war das 40-jährige Dienstjubiläum der Holocaust-Überlebenden als Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München. Als frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland ist sie auch Josef Schusters Vorgängerin.
In Zusammenhang mit der Gründung der Münchner Gemeinde sprach er von einer »unvorstellbaren Leistung«. »Es muss eine übermenschliche Kraft gewesen sein, die die Männer und Frauen am 15. Juli 1945 angetrieben hat«, die verantwortlich gewesen seien, so Schuster.
»Zeitgleich mit ihr entstehen auch überall im Land wieder jüdische Gemeinden«, so der Zentralratspräsident. »Diese zu gründen, in den Trümmern des jüdischen Lebens in Deutschland, in der blanken Hoffnungslosigkeit im Angesicht der Schoa, drückt eine Hoffnung in einer hoffnungslosen Zeit aus, die mich berührt und die mich beeindruckt.«
»Es ist Ihr Lebenswerk«
Schnell sei die Gemeinde gewachsen. Schuster wies darauf hin, dass sie heute die größte jüdische Gemeinde in der Bundesrepublik ist, mit fast 10.000 Mitgliedern. »Ihre Gründung – übrigens fünf Jahre vor der Gründung des Zentralrats, dessen 75-jähriges Jubiläum wir dieses Jahr feiern – war kein Wiederbeginn jüdischen Lebens in Deutschland; das war nach all dem Grauen nicht möglich.«
»Es geschieht, was kaum vorstellbar schien: Jüdisches Leben wird in Deutschland erneut möglich«, erklärte Josef Schuster. Ohne die Gemeinden wäre das nicht möglich gewesen. »Hier in München wird das besonders sichtbar: Die Einweihung der Ohel Jakob Synagoge am 9. November 2006 ist wahrlich ein historischer Tag gewesen«.
Dann wandte sich Schuster an Charlotte Knobloch: »Es ist Ihr Lebenswerk. Diese Gemeinde ist ohne Charlotte Knobloch und ihre Familie nicht zu denken. Mit Unterbrechungen war ihr Vater, Fritz Neuland seligen Angedenkens, von 1951 bis 1969 Präsident der IKG München und Oberbayern. Sie selbst ist es seit 1985 – 40 Jahre.«
2006 bis 2010
Bereits zuvor sei sie für die Gemeinde tätig gewesen und zwischenzeitlich auch vier Jahre Präsidentin des Zentralrats der Juden: »Ich verneige mich vor diesem Dienst an unserer jüdischen Gemeinschaft hier in Bayern, aber auch in Deutschland«, sagte Josef Schuster. »Als Zentralratspräsident blicke ich vor allem auf die Zeit von 2006 bis 2010, in der Sie auch unsere Dachorganisation geführt haben.«
Charlotte Knobloch werde die letzte Person sein, die den Zentralrat führte und die Schoa überlebt habe. Auch heute noch trägt sie die Bürde des »Erlebt-und-Überlebt-Habens« mit solcher Demut, »dass die große Verantwortung für die nachfolgenden Generationen greifbar wird – aufseiten der Opfer wie der Täter.«
Als Zentralratspräsidentin habe Charlotte Knobloch Deutschland wieder zu einem Begegnungsort für internationale jüdische Organisationen gemacht, die das Land lange Zeit gemieden hätten. »Als einer ihrer Nachfolger bin ich ihr zu Dank verpflichtet und habe größten Respekt vor dieser Leistung.«
Radikalität des Antisemitismus
Auch die Offenheit und Radikalität des Antisemitismus in diesem Land, die seit dem 7. Oktober 2023 erlebt werde, sprach Schuster an. Sie schockiere die jüdische Gemeinschaft. »Was wir wissen ist, dass das jüdische Leben in Deutschland auf unseren Gemeinden fußt; auf den Menschen, die sich hier treffen, die sich engagieren und die ihr Judentum ausüben – in der Form, wie sie es für richtig halten.«
»Dafür tritt auch der Zentralrat der Juden in Deutschland ein – es ist sein oberstes Ziel. Wir gehen hier nicht weg, denn wir gehören hierhin.« im