Stuttgart

Geige, Cello, Kickboxen

Elina und Taisia, ihr habt beim Internatio­nalen Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerb erste Preise gewonnen, herzlichen Glückwunsch! Elina, du bist Cellistin, Taisia, du spielst Geige und konntest auch mit deinem selbst geschriebenen Song »Flower­garden« punkten. Bei diesem Auftritt hast du dich auf der Gitarre selbst begleitet. Worum geht es in dem Lied?
Taisia: Ich versuche Menschen und deren Gefühle mit der Natur zu versinnbildlichen. Jeder ist besonders – genau wie eine Blume in einem Garten.

Wie bist du zum Komponieren gekommen?
Taisia: Mit zehn Jahren habe ich das erste Mal einen Song geschrieben, um meinen ersten kleinen Liebeskummer zu verarbeiten. Dabei habe ich gemerkt, dass ich Dinge besser mit Musik als mit Worten ausdrücken kann. Deshalb habe ich mir zum Ziel gesetzt, auch durch Musik zu kommunizieren.

Elina, was für eine Melodie geht dir gerade durch den Kopf?
Elina: Heute habe ich den ganzen Tag schon einen Ohrwurm aus dem Schostakowitsch-Konzert, das ich am Sonntag beim Preisträgerkonzert gespielt habe.

Wie hast du das Cello für dich entdeckt?
Elina: Ich musste immer zum Geigenunterricht meiner großen Schwester in die Stuttgarter Musikschule mitkommen. Meine Mutter wünschte sich, dass ich auch Geige lerne. Jedoch meinte die Lehrerin, dass ich ein Instrument brauche, bei dem ich sitzen kann, während ich spiele. Deshalb schickte sie mich ins Nebenzimmer, zu einer Cello-Lehrerin. Bei ihr nehme ich immer noch Unterricht.

Warum solltest du ein Instrument lernen, das im Sitzen gespielt wird?
Elina: Ich denke, ich war zu unruhig. Ich bin die ganze Zeit herumgekrabbelt und habe Erde aus den Blumentöpfen gebuddelt oder mich unter dem Klavier versteckt. Und das ging der Geigenlehrerin wahrscheinlich ein bisschen auf die Nerven. Deswegen hat sie entschieden, dass es für mich besser wäre, wenn ich auch einmal zur Ruhe komme. Mit dem Cello lag sie genau richtig.

Was magst du am Cello?
Elina: Am meisten begeistert mich, dass es eben nicht nur – wie zum Beispiel bei der Geige – die hohen Töne gibt, die ans Herz gehen, sondern auch tiefe.

Und du, Taisia, wie bist du zu deinem Instrument, der Geige, gekommen?
Taisia: Bei mir war es etwas anders. Mein Vater ist 1. Konzertmeister an der Stuttgarter Oper. Als ich fünf war, hat er mir die Geige in die Hand gedrückt. Ich habe dann angefangen, auf ihr zu spielen. Der Anfang war hart, aber irgendwann hat es mir Spaß gemacht. Das ist bei jedem Ins­trument so und eigentlich auch bei allem, was man macht.

Neben der Geige spielst du auch Gitarre.
Taisia: Ja, und Schlagzeug, aber nur für mich zum Spaß. Dann singe ich natürlich auch noch. Und ich habe früher sehr viel Klavier gespielt, was ich jetzt nur noch hobbymäßig mache.

Wie haltet ihr es mit dem Üben?
Taisia: Ich muss eineinhalb bis zwei Stunden am Tag fürs Geigespielen einplanen, es funktioniert bloß nicht immer. Ich sollte es eigentlich regelmäßig einhalten, damit ich auch schnell weiterkomme und immer in Form bleibe. Sonst übe ich viel an den Wochenenden oder in den Ferien. Entweder nehme ich an einem Kurs teil oder versuche, jeden Tag drei Stunden zu spielen.

Und du, Elina, kannst du dir einen Tag ohne Cello vorstellen?
Elina: Ja. Ich glaube, man braucht immer mal einen Tag Pause oder auch Urlaub. Bei mir ist es nicht so, dass ich täglich vier Stunden übe. Aber die Musik ist bei mir. Ich habe immer eine Melodie im Kopf, denke an irgendein Konzert. Allerdings spüre ich nicht den Druck, jeden Tag zu üben. Ich finde das eigentlich auch richtig so.

Es bleibt euch also auch noch Zeit für andere Aktivitäten.
Elina: Ich schwimme sehr gern. Dann spiele ich auch noch Klavier und konzentriere mich auf sehr viele weitere musikalische Themen, wie zum Beispiel Musiktheorie, Orchester und Dirigieren. Und ich lese auch gern.
Taisia: Ich versuche auch, noch etwas Sport in meinen Alltag zu bekommen. Ich gehe sehr viel spazieren, höre dabei Musik. Und ich probiere gerade Kickboxen aus.

Was bedeutet euch der Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerb?
Elina: Er ist etwas sehr Besonderes für mich, er gehört zu meiner Kultur. Mir gefällt auch, dass man zusätzlich ein jüdisches Stück spielen muss. Das ist eine sehr schöne und besondere Möglichkeit, neue Werke zu entdecken. Ich habe »Nigun« aus der Suite »Baal Shem – Three Pictures of Chassidic Life« von Ernest Bloch gewählt. Seine Musik liegt mir sehr, und ich spiele sie wahnsinnig gern. Ich finde auch die Atmosphäre beim Wettbewerb sehr angenehm – die Organisation ist super, und die Jury-Mitglieder hören sehr aufmerksam und offen zu. Das schätze ich sehr.
Taisia: Ich denke auch, dass der Wettbewerb eine tolle Möglichkeit bietet, vor Profis sein Können zu zeigen und auch das Können anderer zu sehen und einzuschätzen.

Habt ihr Lampenfieber vor einem Auftritt?
Taisia: Früher sehr viel, teilweise hatte ich davor sogar Tränen in den Augen. Aber jetzt? Inzwischen habe ich gelernt, mir selbst zu helfen. Ich wiederhole immer wieder einen Satz, wie zum Beispiel: »Das sind auch nur Menschen.« Und dann spiele ich auf der Bühne viel freier. Vor allem, wenn man auch daran denkt, dass man lieber Spaß haben soll, als sich bewertet zu fühlen.

Und du, Elina?
Elina: Ich habe eigentlich kein Lampenfieber, weil ich schon seit meiner Kindheit regelmäßig vor Publikum spiele. Das Vorspielen gehört für mich ganz natürlich dazu. Ich bin es gewohnt und fühle mich sicher. Vor größeren Konzerten bin ich manchmal etwas aufgeregt, aber sobald die Musik beginnt, ist die Aufregung sofort weg.

Und wenn du selbst nicht spielst – welche Musik hörst du dir gern an?
Elina: In den letzten Monaten tatsächlich nur Klassik, aber nicht unbedingt Cello. Ich finde orchestrale Musik sehr schön. Manchmal, wenn ich Lust auf etwas anderes habe, lege ich Popmusik auf.

Möchtet ihr eines Tages eine Profi-Laufbahn einschlagen?
Elina: Mein Traum ist, in einem großen, bekannten, guten Orchester als Solo-Cellistin zu spielen. Ich glaube, das würde mir am meisten Spaß machen. Und zusätzlich Solo-Konzerte geben und bei Kammermusiken mitspielen. Also, es wäre vielseitig.
Taisia: Ich möchte auf jeden Fall eine Solokarriere anstreben und Musik studieren. Bei der Geige bin ich mir aber nicht zu 100 Prozent sicher.

Was würde dich stattdessen interessieren?
Taisia: Ich würde gern das Songwriting vertiefen und weiterkomponieren. Ich möchte Menschen helfen, ihre Gefühle zu teilen.

Mit der 16-jährigen Elina Singer und der 15-jährigen Taisia Schuk, beide aus Stuttgart, sprach Christine Schmitt.

Der Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerb findet jährlich in Stuttgart statt. Mehr als 50 Nachwuchskünstler nahmen daran teil, darunter auch Musiker aus anderen Ländern.

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