Berlin

Ein letztes Zeugnis

Marceline Loridan-Ivens Foto: JFPAGA / Suhrkamp Verlag

Andächtige Stille legte sich am Montagabend über den großen Saal im Glashaus des Jüdischen Museums in Berlin. Auf einer Lesung mit anschließender Diskussion präsentierte die französische Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin Marceline Loridan-Ivens ihr neuestes Buch Und du bist nicht zurückgekommen, das kürzlich in deutscher Übersetzung beim Insel Verlag erschienen ist.

Das Werk ist ein knapp 100-seitiger Brief an den eigenen Vater, mit dem zusammen Loridan-Ivens 1944 von den Nazis in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt worden war. Während das Mädchen nach dem Krieg in die französische Heimat zurückkehrte, überlebte der Vater die grausamen Todesmärsche im Winter 1945 nicht. Nur wenige Kilometer trennten die beiden innerhalb des Lagers voneinander – dennoch blieben sie unüberwindbar. Das letzte Lebenszeichen des Vaters war ein heimlich überbrachter Brief, an dessen Inhalt sich Marceline Loridan-Ivans nicht mehr erinnern kann.

emotional Moderiert wurde der Abend von der Journalistin und Literaturwissenschaftlerin Rachel Salamander. Sie würdigte das Buch als »eines der letzten Zeugnisse der sogenannten Holocaust-Literatur«, das durch seine klare Sprache, Authentizität und Unmittelbarkeit zu einem einzigartigen Dokument werde. Gelesen wurden die deutschen Auszüge des Buches von der Schauspielerin Iris Berben, die mit ihrer Stimme auch die Hörbuchfassung des Werkes gestaltete.

In seinem Verlauf entwickelte sich die Lesung zu einer hoch emotionalen Angelegenheit, die Publikum wie Podiumsgäste gleichermaßen ergriff. Denn das Buch von Loridan-Ivens macht besonders deutlich, wie sehr die Überlebenden der Schoa auch 70 Jahre nach der Befreiung noch an die Erfahrung des Lagers gefesselt sind: Unerbittlich wirkte der Zivilisationsbruch von Auschwitz bis in die Gegenwart hinein und zerstörte Marceline Loridan-Ivans Familie. Allein zwei ihrer Geschwister nahmen sich das Leben, weil sie den Tod des Vaters nicht verkrafteten.

»Ich würde jetzt gerne um meinen Vater weinen, aber ich fürchte, das schaffe ich nicht mehr«, sagte Loridan-Ivens in Hinblick auf die eigene Unfähigkeit, auf das Geschehene zu reagieren. Berührt von der Stimmung im Jüdischen Museum rollten am Ende des Abends aber dennoch ein paar Tränen über die Wangen der zierlichen Autorin dieses eindrucksvollen Werkes.

Immobilie

Das jüdische Monbijou

Deutschlands derzeit teuerste Villa auf dem Markt steht auf Schwanenwerder und soll 80 Millionen Euro kosten. Hinter dem Anwesen verbirgt sich eine wechselvolle Geschichte

von Ralf Balke  22.12.2025

Erfurt

Die Menschen halfen einander

Pepi Ritzmann über ihre Kindheit in der Gemeinde, ihre Familie und Antisemitismus. Ein Besuch vor Ort

von Blanka Weber  22.12.2025

Geburtstag

Holocaust-Überlebender Leon Weintraub wird 100 Jahre alt

Dem NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau entkam Leon Weintraub durch eine Augenblicks-Entscheidung. Heute warnt er als Zeitzeuge in Schulklassen vor Rechtsextremismus. Am 1. Januar feiert er seinen 100. Geburtstag

von Norbert Demuth  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Aufgegabelt

Apfel-Beignets

Rezept der Woche

von Katrin Richter  20.12.2025

Porträt

Am richtigen Ort

Arie Oshri ist Koch, Dragqueen und lebt in seiner Wahlheimat Berlin

von Alicia Rust  20.12.2025

Umbenennung

Yad-Vashem-Straße in Berlin: Wegner will schnelle Umsetzung

Nach der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem soll ein Straßenabschnitt im Herzen von Berlin benannt werden. Der Regierende Bürgermeister hofft auf eine schnelle Umsetzung

von Jonas Grimm  18.12.2025