Leipzig

Doppelter Neuanfang

Die Veranstaltung fand im Rahmen des deutschen Vorsitzes der Internationalen Allianz zum Holocaust-Gedenken in Kooperation mit dem Rathaus der Stadt Leipzig statt. Foto: Screenshot: Jérôme Lombard

Wie hat sich jüdisches Leben in Ostdeutschland nach 1945 und 1989 entwickelt? Dieser Frage widmete sich eine Online-Podiumsdiskussion am Dienstagabend mit Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), Gemeinderabbiner Zsolt Balla, der Verlegerin Nora Pester, der Zeitzeugin und Autorin Lara Dämmig sowie der Vorsitzenden der Internationalen Allianz zum Holocaust-Gedenken, Botschafterin Michaela Küchler. Moderator war der Journalist Thomas Bille.

Die Veranstaltung fand im Rahmen des deutschen Vorsitzes der Internationalen Allianz zum Holocaust-Gedenken in Kooperation mit dem Rathaus der Stadt Leipzig statt.

»Eine prägende Erfahrung meiner Kindheit und Jugend war, dass wir niemandem sagen sollten, dass wir jüdisch sind«

Autorin Lara Dämmig

Jüdisches Leben habe in der DDR zumeist hinter verschlossenen Türen stattgefunden, erklärte Lara Dämmig zu Beginn. »Eine prägende Erfahrung meiner Kindheit und Jugend war, dass wir niemandem sagen sollten, dass wir jüdisch sind«, sagte Dämmig, die in der DDR aufgewachsen ist. In ihrer Familie habe es durchaus eine jüdische Identität gegeben. Diese wollte und konnte man aber nicht ohne Angst vor Repression nach außen zeigen.

Verlegerin Nora Pester erinnerte daran, dass die jüdischen Gemeinden in der DDR mit einem stetigen Mitgliederschwund zu kämpfen hatten. Zu den Juden, die bewusst an einem antifaschistischen Deutschland mitwirken wollten, kamen Schoa-Überlebende hinzu. Doch schon rasch nach der Staatsgründung verließen viele Rückkehrer die DDR wieder. Nach der stalinistischen Säuberungswelle von 1950 bis 1952 flüchtete etwa die Hälfte von ihnen aus der DDR.

Zuwanderung Die Leipziger Gemeinde, so Pester, hatte 1945 etwa 20 Mitglieder, 1947 dann 464 und zur Wendezeit 1989/90 weniger als 40. Durch die ab Anfang der 90er-Jahre einsetzende Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion wuchs die Gemeinde in Leipzig wie in allen größeren Städten wieder. Neue Gemeinden wie etwa in Dessau wurden gegründet.

»Die politische Wende brachte dem Judentum in Ost- und Westdeutschland einen neuen Aufbruch«, sagte Dämmig. Leipzigs Oberbürgermeister Jung bezeichnete es als »großes Zeichen des Vertrauens«, dass die meisten Kontingentflüchtlinge dauerhaft in Deutschland geblieben sind.

»Aus anfänglicher Skepsis und Sorge ist Verwurzelung und Heimaterfahrung geworden«, so der SPD-Politiker. Er freue sich sehr, dass seine Stadt heute eine vielfältige und wachsende jüdische Gemeinschaft habe. Ganz besonders hob er das Kultur- und Begegnungszentrum Ariowitsch-Haus hervor.

Verwurzelung »Meine Erfahrung ist, je stärker die Menschen in der Gemeinde verwurzelt sind, desto besser klappt es mit der Integration«, betonte Rabbiner Zsolt Balla.

Botschafterin Angela Küchler lobte Leipzig als multikulturelle Stadt. »Leipzig ist eine ostdeutsche und eine offene Stadt«, sagte sie. Die Entscheidung, die Sitzung ihrer Organisation zum Gedenken im November hier stattfinden zu lassen, sei deshalb ganz bewusst getroffen worden.

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025

Vertrag

Jüdische Gemeinde Frankfurt erhält mehr Gelder

Die Zuwendungen durch die Mainmetropole sollen bis 2031 auf 8,2 Millionen Euro steigen

von Ralf Balke  11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025

Hannover

Ministerium erinnert an 1938 zerstörte Synagoge

Die 1938 zerstörte Neue Synagoge war einst mit 1.100 Plätzen das Zentrum des jüdischen Lebens in Hannover. Heute befindet sich an dem Ort das niedersächsische Wissenschaftsministerium, das nun mit Stelen an die Geschichte des Ortes erinnert

 10.11.2025

Chidon Hatanach

»Wie schreibt man noch mal ›Kikayon‹?«

Keren Lisowski hat die deutsche Runde des Bibelquiz gewonnen. Jetzt träumt sie vom Finale in Israel

von Mascha Malburg  10.11.2025

München

Gelebte Verbundenheit

Jugendliche engagieren sich im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes in den Einrichtungen der Israelitischen Kultusgemeinde

von Esther Martel  09.11.2025

Sport

»Die Welt spielt gerade verrückt«

Alon Meyer über seine Wiederwahl zum Makkabi-Präsidenten in ganz besonderen Zeiten, den enormen Mitgliederzuwachs und die Zukunft des jüdischen Sportvereins

von Helmut Kuhn  09.11.2025

Erlangen

Bald ein eigenes Zuhause

Nach jahrzehntelanger Suche erhält die Jüdische Kultusgemeinde ein Grundstück für den Bau einer Synagoge

von Christine Schmitt  09.11.2025

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025