Glückwunsch

Die Liebe begann mit »Gasparone«

Gratulant: Moritz Neumann (l.) wunscht Monik Mlynarski zum 90. Geburtstag Mazel Tov. Foto: Rafael Herlich

»Wer als jüdisches Kind in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Deutschland oder angrenzenden Nachbarländern geboren wurde, der hatte zumeist eine nur begrenzte Lebenszeit«, beginnt Moritz Neumann seine Geburtstagsrede auf Monik Mlynarski. Der feierte am 21. März in Offenbach seinen 90. Geburtstag.

Obwohl dem Tod schon näher als dem erbärmlichen Rest lebendiger Qual, obwohl ein menschliches Skelett von gerade noch 35 Kilogramm, überlebte Mlynarski. »Die Geschichte seiner Rettung in buchstäblich letzter Minute markiert den Beginn seines zweiten Lebens«, erzählt der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen.

Sprachen Monik Mlynarski (genannt M.M.) wurde am 21. März 1923 in Modrjow nicht weit entfernt von Kattowitz und der deutschen Grenze in Polen geboren. Er besuchte das jüdische Fürstenberg-Gymnasium, wo er Polnisch und Deutsch lernte, zu Hause sprach man Jiddisch. Es war ein geordnetes Leben in einem traditionellen jüdischen Elternhaus und einer modernen Umgebung.

Als die Familie die Aufforderung erhielt, dass ein Mitglied sechs Wochen Arbeitslager abzuleisten habe, meldete er sich. »Doch aus den sechs Wochen wurden fast viereinhalb Jahre«, erzählt Mlynarski später. Nach der schweren Arbeit, bei der er auch Glück hatte und auf wohlmeinende Menschen traf, folgte der Horror des Todesmarsches.

Von 80.000 Menschen, die bei seiner Ankunft in Buchenwald dahinvegetierten, wurden 22.000 befreit. Die Hälfte starb kurz nach ihrer Befreiung an Krankheiten und Entkräftung. »Nachdem sein neues Leben begonnen hatte, verschlug es ihn nach Erfurt – und dort kam es zu einer folgenschweren Begegnung«, erzählt Neumann die Geschichte von Mlynarski weiter.

traumwelt Im Erfurter Kino lief der Film Gasparone mit Marika Rökk und Johannes Heesters. Wer wollte sich damals nicht zwei Stunden lang in eine Traumwelt inmitten der Trümmer entführen lassen? Mlynarski hatte eine der begehrten Karten ergattert. Als er in der langen Schlange der Wartenden hinter sich eine junge Frau schluchzen hörte, weil sie keine Karte hatte, überließ er ihr seine eigene. Den Film sah Monik Mlynarski damals nicht – aber dafür hatte er die Frau seines Lebens gefunden.

»Es wurde eine Ehe, die 65 Jahre dauerte. Es war für M. M. der schwerste Schlag seines Lebens, als seine geliebte Frau vor drei Jahren starb«, weiß Neumann. Überwunden hab er den Verlust noch nicht. Aber er habe das Glück, mit seiner Tochter in einem Haus zu wohnen. Und er hat seine ehrenamtliche Gemeindearbeit.

Seit 1985 leitet Mlynarski die Jüdische Gemeinde Bad Nauheim. Damit gehört er zu den dienstältesten Gemeinevorsitzenden. 1992 erhielt er als Anerkennung für seine ehrenamtliche Tätigkeit das Bundesverdienstkreuz.

Respekt Viele seien gekommen, so Neumann in seiner sehr bewegenden Geburtstagsrede, um »jenen Mann zu ehren, der um sich selbst nicht viel Aufhebens macht und der mit nicht erlahmendem Engagement seine Arbeit für die Allgemeinheit tut.« Mlynarski werde in seiner Gemeinde Bad Nauheim verehrt. »Er ist beliebt und hoch geschätzt, er wird respektiert.« Das gelte für die Mitglieder der jüdischen Gemeinde sowie für die Stadt.

Mehrere Bürgermeister aus unterschiedlichen Amtsperioden waren zum Fest gekommen. Erschienen war auch der Vorstandssprecher der Wiesbadener Gemeinde, Jakob Gutmark, und das an seinem eigenen 75. Geburtstag. Er habe auf seine Feier verzichtet, »um seinem Freund und Kollegen M.M. die Ehre erweisen zu können«, sagte Neumann. Mazel und Broche und Jeschar koach. ja/mn

Berlin

Für Sichtbarkeit

Wenzel Michalski wird Geschäftsführer des Freundeskreises Yad Vashem. Eine Begegnung

von Christine Schmitt  30.04.2025

Hanau

Das zarte Bäumchen, fest verwurzelt

Vor 20 Jahren gründete sich die jüdische Gemeinde – zum Jubiläum wurde eine neue Torarolle eingebracht

von Emil Kermann  30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

 30.04.2025

KZ-Befreiungen

Schüler schreibt über einzige Überlebende einer jüdischen Familie

Der 18-jährige Luke Schaaf schreibt ein Buch über das Schicksal einer Jüdin aus seiner Heimatregion unter dem NS-Terrorregime. Der Schüler will zeigen, »was Hass und Hetze anrichten können«

von Stefanie Walter  29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Berlin

Bebelplatz wird wieder zum »Platz der Hamas-Geiseln«

Das Gedenkprojekt »Platz der Hamas-Geiseln« soll laut DIG die Erinnerung an die 40 in Geiselhaft getöteten Israelis und an die 59 noch verschleppten Geiseln wachhalten

 28.04.2025

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an Warschauer Ghetto-Aufstand

Zum Abschluss der Namenslesung vor dem Jüdischen Gemeindehaus in der Berliner Fasanenstraße ist für den Abend ein Gedenken mit Totengebet und Kranzniederlegung geplant

 28.04.2025

Düsseldorf

Erinnerungen auf der Theaterbühne

»Blindekuh mit dem Tod« am Schauspielhaus stellt auch das Schicksal des Zeitzeugen Herbert Rubinstein vor

von Annette Kanis  27.04.2025

Hanau

Jüdische Gemeinde feiert Jubiläum

»Im Grunde genommen ist es mit das Größte und Schönste, was eine Gemeinde machen kann: eine neue Torarolle nach Hause zu bringen«, sagt Gemeinde-Geschäftsführer Oliver Dainow

 25.04.2025