Von freudigem Gesang und Tanz begleitet, brachte Rabbiner Shimon Großberg am Dienstagabend mit Gemeindemitgliedern und Gästen eine zweite Torarolle in die Hanauer Synagoge ein. An dem feierlichen Akt nahmen auch Vertreter der ortsansässigen Wallonisch-Niederländischen Kirche und der katholischen Pfarrgemeinde St. Elisabeth teil, die den Erwerb der Torarolle durch Spenden ermöglicht hatten.
Die etwa 200 Mitglieder zählende Jüdische Gemeinde Hanau hatte doppelt Grund zum Feiern: Denn vor 20 Jahren, am 17. April 2005, erlebte die einst von den Nationalsozialisten zerstörte Gemeinde in der hessischen Industriestadt ihre Wiederbegründung, die vor allem jüdischer Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion zu verdanken ist.
»Eigentlich darf man zurzeit gar nicht feiern«, bemerkte Oliver Dainow, Geschäftsführer der Hanauer Gemeinde, mit Verweis auf die Omerzeit zwischen Pessach und Schawuot. »Aber heute ist Rosch Chodesch, und da darf man feiern.« Kurz danach klatschte der Saal rhythmisch zu den Klängen von Roman Kuperschmidts Band, als Rabbiner Großberg und der Sofer den Raum betraten. Nun konnte die Torarolle unter der Begleitung wichtiger Unterstützer der Gemeinde zu Ende geschrieben werden.
Für den letzten Buchstaben bat Oliver Dainow schließlich Alfred Jacoby, den Architekten der Hanauer Synagoge und Vorstandsmitglied des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen, auf die Bühne. »Er hat unermüdlich für ein aktives jüdisches Leben gekämpft.« In seiner Ansprache würdigte Dainow den Einsatz des einstigen Landesverbandsvorsitzenden Moritz Neumann für die Wiederbegründung der Hanauer Gemeinde.
In der Stadt habe man anfangs oft den Begriff »russische Gemeinde« gehört, sagte Oliver Dainow.
In der Stadt habe man anfangs oft den Begriff »russische Gemeinde« gehört, so Dainow. »Heute ist sie zu einem festen Bestandteil der Stadt geworden.« Er dankte der Gründungsvorsitzenden Raja Grise, der seit 2011 amtierenden Vorsitzenden Irina Pisarevska und Rabbiner Shimon Großberg sowie dem Hanauer Magistrat und den beiden Kirchengemeinden, die die neue Torarolle ermöglicht haben.
Aus dem benachbarten Offenbach reiste Alfred Jacoby an, der als dortiger Gemeindevorsitzender geholfen hat, die Neugründung der Hanauer Gemeinde zu ermöglichen. Auch sein damaliger Vorstandskollege Mark Dainow kam zur Feier. »Diese Gemeinde ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Kraft des Neuanfangs«, sagte der Vizepräsident des Zentralrats der Juden. Jüdische Geschichte werde auch in kleineren Städten geschrieben, betonte Mark Dainow und gratulierte der Hanauer Gemeinde im Namen des Zentralrats. Er würdigte die von ihr betriebene Dialog- und Aufklärungsarbeit.
Hanaus Bürgermeister Maximilian Bieri (SPD) betonte den Wert von Bildungs- und Begegnungsprojekten. Als Geschenk an die Gemeinde verkündete Bieri die Pflanzung eines Baums im Hanauer Stadtwald: »Wir werden ihn hegen und pflegen.« Dass das »Bäumchen« Jüdische Gemeinde Hanau heute, 20 Jahre nach der Einpflanzung, gut dastehe, freue ihn besonders, sagte Alfred Jacoby. Er überbrachte einen herzlichen Gruß des Landesverbandsvorsitzenden Daniel Neumann »an die Vertreter der Stadt, die sich eingesetzt haben, auf die man zählen kann«.