Düsseldorf

Das kleinste Werbeplakat

Präsentieren die Sondermarke: Antisemitismusbeauftragter Felix Klein, Zentralratsvize Abraham Lehrer und Landtagspräsident André Kuper (v.l.) Foto: Schälte / Landtag NRW

Das hebräische Schriftzeichen für »Chai« wird in den kommenden Wochen und Monaten durch Deutschland und die Welt reisen. Es schmückt die Sonderbriefmarke zum Jubiläumsjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«. Am vergangenen Donnerstag wurde das 80-Cent-Postwertzeichen bei einem Festakt im Landtag Nordrhein-Westfalen offiziell vorgestellt.

Der edel anmutende Einband – in sattem Rot mit aufgedrucktem Bundesadler –, der virtuell von Bettina Hagedorn, Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, an Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, übergeben wurde, hatte einen federleichten, aber umso symbolischeren Inhalt. Die Kladde mit der Sonderbriefmarke verließ den in Berlin stehenden Bildschirm auf der rechten Seite und wurde von links auf den Bildschirm in Düsseldorf gereicht.

Die Live-Übertragung konnte auch in Israel und den USA mitverfolgt werden.

Was in Nicht-Corona-Zeiten eine Feierstunde mit Gästen, Applaus und Presse vor Ort gewesen wäre, wurde mit einer angemessen würdevollen und abwechslungsreichen Live-Übertragung auf der Internetseite des Landtags von NRW der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. So hatten sogar Zuschauer aus Israel und den USA den Festakt online verfolgt.

Abraham Lehrer war in mehrfacher Funktion einer der wenigen Vor-Ort-Gäste im Landtagsgebäude: als Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, als Vorstandsmitglied der Kölner Synagogen-Gemeinde und als Vorsitzender der Mitgliederversammlung des Vereins »321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland e.V.«, der das deutsch-jüdische Jubiläumsjahr mit seinen mehr als 1000 Veranstaltungen organisiert.

Briefe Lehrer zeigte sich in seiner Ansprache »dankbar für die Sonderbriefmarke, die textlich und farblich explizit jüdisches Leben in Deutschland in den Vordergrund stellt«. Und Lehrer ergänzte, er freue sich, wenn viele Menschen, die sich ja derzeit coronabedingt nicht nah sein könnten, die Gelegenheit nutzten, um Briefe zu schreiben und auf diese Weise auf das Festjahr aufmerksam zu machen.

Sichtbarer und ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft zu sein – diese Aspekte in Bezug auf jüdisches Leben in Deutschland klangen in allen Grußworten des digitalen Festakts an. Der Gastgeber, Landtagspräsident André Kuper, nannte die Präsentation mitten im Parlament des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes ein wichtiges Signal, dass jüdisches Leben fester Bestandteil des Zusammenlebens in Deutschland ist.

»Das Jubiläumsjahr führt uns trotz der Corona-Pandemie vor Augen, wie bunt und vielfältig jüdisches Leben ist. Ich wünsche mir, dass viele Menschen das Festjahr zum Anlass nehmen, jüdisches Leben in ihrer Nachbarschaft zu entdecken, und gerne auch die Sonderbriefmarke verwenden.«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Kuper dankte Abraham Lehrer stellvertretend für den Verein »321–2021« für das große Engagement. Die Briefmarke mit dem Schriftzug »Chai«, der für Leben und Lebensfreude steht, sei ein wunderbares Signal, auf das Jubiläum hinzuweisen und gegenwärtiges jüdisches Leben in Deutschland für die Menschen sichtbar zu machen.

Designer In einem Filmeinspieler wurde der Gestalter der Briefmarke, Detlef Behr, vorgestellt. Der Kölner Diplomdesigner hatte die Idee für die schlichte, farbenfrohe Gestaltung und die positive Aussage in den Worten »Chai – Auf das Leben!«. Mit seinem Entwurf hatte er die Ausschreibung gewonnen und die Herausforderung gemeistert, ein großes Thema auf wenigen Quadratzentimetern adäquat und attraktiv einzufangen.
Abraham Lehrer würdigte die künstlerische Gestaltung der Briefmarke. Die Themen des Vereins und des Festjahres seien gelungen in eine positive Aussage komprimiert worden.

Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, war persönlich aus Berlin gekommen, um eine der ersten Großveranstaltungen im Festjahr zu würdigen. »Diese Briefmarke ist ein Baustein von vielen, die dazu beitragen, jüdisches Leben in Deutschland sichtbarer zu machen.«
Er wünsche sich insbesondere von der jüngeren Generation Neugier und großes Interesse an den Veranstaltungen vor Ort. »Wir machen Angebote jetzt in diesem Jahr, vor allem auch für junge Leute, um zu sehen, jüdisches Leben kann cool sein.«

Rapp Ein Beispiel dafür war die musikalische Gestaltung des digitalen Festakts. Dieser wurde bereichert durch das Video des Rappers und Songwriters Ben Salomo. Der YouTuber und Buchautor stammt aus Israel und lebt seit seiner Kindheit in Berlin. Sein Song »Deduschka« entstand unmittelbar nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle. Ben Salomo spricht in diesem Lied seinen Großvater, so die Übersetzung des russischen Titels, an und singt von der Zerrissenheit, sich dort zu Hause zu fühlen, wo man sich gleichzeitig nicht sicher fühlt. Für seine Enkel wünscht er sich ein angstfreies Leben.

Vor allem junge Leute sollen im Jubiläumsjahr angesprochen werden.

Live-übertragung Dem Höhepunkt der Veranstaltung, der eigentlichen Übergabe der Briefmarke, gingen technische Probleme voraus. Zweier Anläufe bedurfte es, bis die aus Berlin zugeschaltete Staatssekretärin Bettina Hagedorn nicht nur zu sehen, sondern schließlich auch zu hören war. Ein wenig Spannung, ob die Technik beim dritten Mal funktionieren würde, erhöhte den Live-Charakter des Festakts, durch den Moderatorin Vivien Leue souverän führte.

Zukunft Eigentlich wollte Bundesfinanzminister Olaf Scholz die feierliche Übergabe persönlich vornehmen; sein Ministerium ist zuständig für die Herausgabe von Sonderbriefmarken. Aber dem Vizekanzler kam die aktuelle Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel dazwischen, sodass er im Bundestag anwesend sein musste. Staatssekretärin Hagedorn fasste die positive Aussage der Briefmarke zusammen: »Auf das Leben, auf die Zukunft, auf die Hoffnung – genau das kennzeichnet das jüdische Leben in Deutschland heute, es gedeiht, es blüht auf, es gehört zur Zukunft dieses Landes genauso wie zu seiner Geschichte.«

Neben der aktuellen Sonderbriefmarke gibt es bereits Postwertzeichen, die jüdische Persönlichkeiten wie Else Lasker-Schüler, Moses Mendelssohn und Hannah Arendt würdigen. Sie kann, wenn sie nun viel genutzt wird, dazu beitragen, jüdisches Leben in Deutschland als Selbstverständlichkeit, als Bestandteil der Gesellschaft, wahrzunehmen. Und so appellierte auch die Generalsekretärin des Vereins »321–2021«, Sylvia Löhrmann, in ihrem Grußwort: »Senden Sie das kleinste Werbeplakat in alle Welt und tragen Sie so zum Erfolg des Festjahres 2021 bei!«

Die Briefmarke im Wert von 80 Cent ist in den Verkaufsstellen der Deutschen Post AG erhältlich.

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025