Neuanfang

Berliner Fußballverein entdeckt seine jüdischen Wurzeln neu

Johannes Refle will die 125 Jahre alte Historie des Vereins entstauben

Neuanfang

Berliner Fußballverein entdeckt seine jüdischen Wurzeln neu

Im Berliner Stadtteil Wedding spielt ein unterklassiger Amateurverein, dessen Geschichte mit einigen der bedeutendsten jüdischen Vereine der Stadt verbunden ist. Der junge Vorstand des Vereins will die eigene Geschichte jetzt aufarbeiten

von Jonas Grimm  25.08.2025 15:56 Uhr

»Wir sind ein Weddinger Kultverein«, sagt Johannes Refle, während er über die Kunstrasenplätze an der Ofener Straße blickt - Heimspielstätte des WFC Corso 99/Vineta e.V. Die erste Herrenmannschaft spielt in der Berliner Kreisliga B. Es könnte ein ganz gewöhnlicher Verein sein, wie mehr als 400 andere unter dem Dach des Berliner Fußball-Verbands. Aber Refle, 22 Jahre alt und seit April im Vorstand, weiß, wovon er spricht.

Wer sich der Geschichte des WFC Corso 99/Vineta nähern will, muss den Namen aufdröseln. Das »WFC«, der neueste Teil des Namens, stammt aus einer Fusion aus dem Jahr 1996 mit dem Weddinger FC 08. Dieser stieg in den 1980er Jahren immerhin in die damals viertklassige Landesliga Berlin auf. Der BSC Corso als »Mutterverein« gründete sich 1899. Im beginnenden 20. Jahrhundert entstand, ebenfalls in Berlin, der SC Hakoah. Schnell etablierte sich der jüdische Club im Berliner Fußball und fusionierte mit dem ersten jüdischen Sportverein Deutschlands, Bar Kochba. Die NS-Zeit setzte dem sportlichen Treiben jedoch ein jähes Ende.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der SC Hakoah neu gegründet - unter anderem durch Hans Rosenthal

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der SC Hakoah neu gegründet - unter anderem durch den späteren Entertainer und Moderator Hans Rosenthal (1925-1987). Man benannte sich 1953 in Vineta 05 um, 1972 folgte die Fusion mit Corso 99. Die jüdische Identität des Vereins geriet in Vergessenheit. Das wollen Refle und seine Mitstreiter ändern. Den Anstoß dazu gab der Berliner Fußball-Verband (BFV) im Jahr 2022: Der beauftragte als erster Landesverband in Deutschland eine wissenschaftliche Studie zur »Geschichte des Berliner Fußballs in der NS-Zeit«.

Bis die eigenen Ergebnisse der Recherche aufgearbeitet sind, wird es laut Refle noch mindestens ein Jahr dauern. Man befinde sich erst am Anfang des Prozesses. Dann wolle sich der Vorstand anschauen, was für Rückschlüsse man für heute aus der Geschichte des Vereins ziehen kann und wie man die Historie für die aktuellen Mitglieder des Vereins aufbereitet. Denn im Herzen des Wedding gelegen, ist der Verein ein Schmelztiegel wie der Stadtteil selbst. Im Planungsraum Glasgower Straße, wie das Bezirksamt Mitte das Gebiet rund um den Sportplatz bezeichnet, besitzen 58,1 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner einen Migrationshintergrund.

»Wir wollen Akzeptanz und Verständnis schaffen«, sagt Refle. Über das Thema Antisemitismus könne man für Jugendliche mit migrantischem Hintergrund eine Verbindung zu Diskriminierungserfahrungen schaffen, die auch sie erleben.

Kontakt mit TuS Makkabi

Der Weddinger Amateurverein stehe bereits mit TuS Makkabi im Kontakt, erklärt Refle. Als erster jüdischer Verein - und dazu noch aus der fünftklassigen Oberliga Nord - schaffte Makkabi es, sich in der Saison 2023/24 für den DFB-Pokal zu qualifizieren. Vorgängerverein des TuS Makkabi, in dessen direkter Tradition man sich dort sieht: Bar Kochba.

Neben Refle laufen langsam sowohl Männer als auch Frauen in ihren Zwanzigern auf den Platz, eine der drei Freizeitmannschaften, die der Verein unterhält. Die Jugendarbeit ist ihnen hier wichtig, man unterhalte alle Jugendklassen mit mindestens einer Mannschaft. Und, was Refle wichtig ist: »Wir sind der Verein mit den niedrigsten Jugendbeiträgen in Berlin«. Neben der Aufarbeitung der Vereinsgeschichte hat Refle auch sportliche Ziele im Blick: »Wenn alles gut läuft, sehe ich uns in fünf Jahren in der Bezirksliga , sagt Refle und grinst.

Hannover

Ministerium erinnert an 1938 zerstörte Synagoge

Die 1938 zerstörte Neue Synagoge war einst mit 1.100 Plätzen das Zentrum des jüdischen Lebens in Hannover. Heute befindet sich an dem Ort das niedersächsische Wissenschaftsministerium, das nun mit Stelen an die Geschichte des Ortes erinnert

 10.11.2025

Chidon Hatanach

»Wie schreibt man noch mal ›Kikayon‹?«

Keren Lisowski hat die deutsche Runde des Bibelquiz gewonnen. Jetzt träumt sie vom Finale in Israel

von Mascha Malburg  10.11.2025

München

Gelebte Verbundenheit

Jugendliche engagieren sich im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes in den Einrichtungen der Israelitischen Kultusgemeinde

von Esther Martel  09.11.2025

Sport

»Die Welt spielt gerade verrückt«

Alon Meyer über seine Wiederwahl zum Makkabi-Präsidenten in ganz besonderen Zeiten, den enormen Mitgliederzuwachs und die Zukunft des jüdischen Sportvereins

von Helmut Kuhn  09.11.2025

Erlangen

Bald ein eigenes Zuhause

Nach jahrzehntelanger Suche erhält die Jüdische Kultusgemeinde ein Grundstück für den Bau einer Synagoge

von Christine Schmitt  09.11.2025

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025

Hanau

Greifbare Geschichte

Ein neues 3D-Denkmal zeigt die alte Judengasse der hessischen Stadt

von Eugen El  09.11.2025

Potsdam

Mehr Geld für jüdische Gemeinden in Brandenburg

Brandenburg erhöht seine Förderung für jüdische Gemeinden auf 1,2 Millionen Euro

 09.11.2025

Namensgebung

Jüdische Pionierinnen

In Berlin erinnern künftig zwei Orte an Clara Israel, die erste Leiterin eines Jugendamts, und an Regina Jonas, die erste Rabbinerin der Welt

von Christine Schmitt  09.11.2025