Ehrung

Berlin sagt Danke

Die deutsche Hauptstadt sagt Danke. Sie haben uns ein unschätzbares Geschenk gemacht, indem Sie Berlin eine Chance gegeben haben und wiedergekommen sind.» Das sagte Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin, in seiner Ansprache im Roten Rathaus am Dienstagmittag. Erstmalig zeichnete die Stadt mit Inge Deutschkron und Margot Friedländer zwei Frauen gemeinsam mit der Ehrenbürgerwürde aus.

Unter den Gästen waren unter anderem Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), die ehemaligen Bürgermeister von Berlin Walter Momper und Klaus Wowereit (beide SPD), Politiker des Bundestages und des Abgeordnetenhauses sowie der Israelische Botschafter, Jeremy Issacharoff, Gemeindechef Gideon Joffe und viele Mitglieder der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

NS-Zeit
In Berlin fand die Wannsee-Konferenz statt, hob Müller in seiner Rede hervor. «Die Nazi-Herrschaft markierte eine Zeit, in der Menschen verfolgt, entrechtet und ermordet wurden. Heute hat sich vieles in der Stadt geändert», so der Regierende Bürgermeister. Etliche Israelis würden nach Berlin ziehen. «Ich bin dankbar, dass jüdisches Leben wieder aufblüht.»

«Ihnen wurde entsetzliches Leid zugefügt», sagte Müller, an die beiden Schoa-Überlebenden Inge Deutschkron und Margot Friedländer gewandt. Und dennoch seien beide zurückgekommen, um als Zeitzeuginnen den Kampf gegen das Vergessen zu ihrem Lebensthema zu machen. Unermüdlich hätten sich beide um Aufklärung über das unermessliche Leid bemüht und in zahllosen Veranstaltungen für eine freiheitliche, demokratische und menschliche Gesellschaft geworben.

Berlin verdankt Inge Deutschkron zahlreiche Gedenkorte und Initiativen wie die Gedenkstätte «Stille Helden» im Haus der einstigen Blindenwerkstatt Otto Weidt sowie die Gedenkveranstaltung am «Gleis 17». Als Publizistin kam sie 1988 zurück aus Israel nach Deutschland. «Mein erster Gedanke war der an meine Eltern, als ich von der Ehrung erfuhr», hielt Deutschkron in ihrer Dankesrede fest, die von André Schmitz, Vorstandsmitglied der Inge Deutschkron Stiftung, vorgelesen wurde.

Sprache Deutschkrons Vater überlebte in England, ihre Mutter mit ihr im Versteck. «Die Menschen, die abgeholt wurden, sehe ich nachts noch vor mir», erklärte die 95-Jährige. «Ich fühle mich schuldig, weil ich überlebt habe.» Ihr Leben lang habe sie gekämpft, für die lückenlose Wahrheit, für das Recht und gegen Antisemitismus. «Berliner haben meine Mutter und mich versteckt, sodass wir leben konnten. Das Berlinerische ist die einzige Sprache, in der ich mich verständigen kann.»

«Sie sind ein Vorbild. Sie leben uns vor, die Stimme zu erheben, und stiften zu verantwortungsbewusstem Handeln an», sagte Michael Müller zu Margot Friedländer. Sie würde die Ohren und Herzen vor allem junger Menschen erreichen.

Und Friedländer antwortete: «Hitler, Goebbels und Göring waren auch Ehrenbürger der Stadt. Heute würden sie sich im Grab umdrehen, wenn sie denn eines hätten – zwei Jüdinnen werden Ehrenbürger.» Nie werde sie vergessen, dass ihr andere Menschen halfen, versteckt in Berlin zu überleben.

Deportation 1944 wurde Margot Friedländer von den Nazis entdeckt und nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte und emigrierte. Nachdem sie 64 Jahre in den USA gelebt hatte, fasste sie mit 88 den Entschluss, nach Berlin zurückzukehren. «Es ist meine Mission, für die zu sprechen, die nicht mehr sprechen können.» Die 96-Jährige hatte während der NS-Zeit ihre Familie verloren. Die Bernsteinkette, die von ihrer Mutter stammt, trug sie auch bei der Ehrung.

Musikalisch umrahmt wurde der Festakt vom Diplomatischen Streichquartett Berlin, das sich die Aufführung von Werken jüdischer Komponisten zum Schwerpunkt gemacht hatte. Die zweite Geige spielt Felix Klein, der seit Anfang Mai der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus ist. Als Überraschungsgast trat Max Raabe auf, der mit Margot Friedländer seit mehreren Jahren befreundet ist.

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025