Erst Hauptstraße, dann Hindenburgstraße, derzeit Ratsberger Straße – an diesen Adressen konnte die Jüdische Kultusgemeinde Erlangen in den vergangenen Jahren Räume anmieten. »Die einzigen Immobilien, die wir besitzen, sind der Jüdische Friedhof und das Taharahaus«, sagt Ester Limburg-Klaus, seit bald 20 Jahren Vorsitzende der Gemeinde.
Doch jetzt soll eine weitere Adresse hinzukommen: Nach langer Suche könnte die Kultusgemeinde nun vom Freistaat Bayern ein Grundstück für ihre geplante Synagoge erhalten. Der Ministerrat in München beschloss kürzlich, ihr ein Grundstück an der Bismarckstraße unentgeltlich zu überlassen – durch den Verzicht auf den Erbbauzins. Das teilte das bayrische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr mit.
Die Schirmherrschaft hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann übernommen. »Es ist, als ob die Sonne aufgegangen sei«, freut sich Limburg-Klaus, die die jahrelange Odyssee durch die Stadt miterlebt hat. Doch dies könnte nun ein Ende haben. Der Beschluss sende ein deutliches Zeichen der Verbundenheit an die jüdischen Mitglieder.
Ein finanzieller Kraftakt für die Gemeinde
Der Bau der Synagoge sei ein finanzieller Kraftakt für die Gemeinde. Indem der Freistaat ihr das Grundstück unentgeltlich überlässt, leiste er einen wichtigen Beitrag zur Förderung jüdischen Lebens in Bayern, hieß es. Der Gemeinde wurde eine Frist von vier Jahren bis Baubeginn eingeräumt. Die Finanzierung für das Projekt muss also bald stehen. Kostenpunkt: um die fünf Millionen Euro. Deshalb hat man eine Spendenaktion gestartet. »Wir werden auch Anträge beim sogenannten Synagogentopf des bayerischen Staates stellen.«
Etliche Jahre seien sie auf der Suche gewesen, hätten sich viele Gebäude angeschaut – um festzustellen, dass die notwendigen Umbaukosten für sie nicht zu stemmen seien, sagt Limburg-Klaus. Zuletzt war ein marodes Gebäude im Gespräch. »Aber wir hätten für die Sanierung einen zweistelligen Millionenbetrag einkalkulieren müssen.«
Schließlich kam ein unbebauter Platz an der Bismarckstraße im Universitätsviertel ins Spiel. »Es war unser Glück, dass er groß genug ist, um hier eine Synagoge und ein Gemeindezentrum zu bauen«, sagt Limburg-Klaus. Das Gotteshaus soll nach dem Arzt Jacob Herz benannt werden, der einst in Erlangen lebte und als Wohltäter bekannt war.
Die neue Synagoge soll mehr sein als ein Ort religiöser Praxis
»Wir sind eine kleine jüdische Gemeinde, wahrscheinlich die kleinste Gemeinde in ganz Bayern«, vermutet Limburg-Klaus. Trotzdem lege man Wert darauf, in der Öffentlichkeit präsent zu sein, beispielsweise durch eine »XXL Sukka« am Laubhüttenfest oder mit dem Aufstellen eines Chanukkaleuchters auf dem Hugenottenplatz.
»Die Jüdische Kultusgemeinde Erlangen ist ein fester und überaus bereichernder Teil unserer Stadtgesellschaft. Jüdisches Gemeindeleben, Brauchtum, Tradition, Kunst und Kultur, aber auch Geschichte und Gedenken wirken durch sie weit über die Stadtgrenzen hinaus äußerst positiv in die Mitte unserer Gesellschaft hinein«, teilt Minister Herrmann mit.
Die neue Synagoge soll dabei mehr sein als ein Ort religiöser Praxis, vielmehr verstehe man sie als Haus des Austauschs und der Kultur, als Ort, an dem Menschen aller Religionen und Hintergründe zusammenkommen, ergänzt Florian Janik, Oberbürgermeister der Stadt Erlangen. »Doch sie braucht einen Ort, an dem jüdisches Leben auf Dauer in Sicherheit und Würde gedeihen kann.«
Die Einheitsgemeinde heißt Juden aller Richtungen willkommen
»Synagogen sind Orte lebendigen Miteinanders und ein sichtbares Zeichen unserer gemeinsamen bayerischen Kultur«, betont Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) in einer Pressemitteilung.
»Als Einheitsgemeinde heißen wir Juden aller Richtungen bei uns herzlich willkommen«, meint Gemeindechefin Ester Limburg-Klaus. Die Mehrheit der etwa 120 Mitglieder kommt aus der ehemaligen Sowjetunion, etwa 40 Prozent sind deutschsprachige Juden und Juden aus aller Welt, die ihr Beruf oder das Studium nach Erlangen geführt hat.
Nach der Schoa gründete sich erst wieder 1997 eine neue Jüdische Kultusgemeinde in der Stadt. Seitdem bietet sie wieder Gottesdienste, Religionsunterricht, Kulturveranstaltungen und Dienstleistungen für die Mitglieder an – allerdings wie schon während der gesamten jüngeren jüdischen Geschichte Erlangens stets in gemieteten Räumlichkeiten. »Es wird Zeit, dass wir endlich ein eigenes Zuhause bekommen«, so die Vorsitzende.