Berlin

»Papier ist geduldig«

Konstituierende Sitzung Ende Oktober: 736 Abgeordnete gehören dem neu gewählten Parlament jetzt an. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Fachleute appellieren an die künftige Bundesregierung, in ihrer Politik den Schutz und die Förderung jüdischen Lebens umzusetzen. Was das künftige Ampelbündnis im Koalitionsvertrag zu dem Thema festgehalten habe, müsse auch realisiert werden, sagte die frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Lala Süsskind, aber »Papier ist geduldig«. Sie äußerte sich am Donnerstagabend bei einer online übertragenen Podiumsdiskussion des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks in Berlin.

Sich solidarisch mit Israel zu zeigen, müsse konkret werden, ergänzte Süsskind. Organisationen, die sich gegen Antisemitismus oder Rassismus einsetzten, dürften keine Gelder gestrichen werden. Sie bräuchten stattdessen Planungssicherheit. Ähnlich äußerte sich die Wissenschaftlerin Dani Kranz, Mitglied im Beratungskreis des Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein. Menschen, die sich in entsprechender Projektarbeit engagierten, müssten häufig in existenzieller Unsicherheit leben.

Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP enthält einen eigenen Abschnitt zu jüdischem Leben. Dies hatten bereits der Zentralrat der Juden in Deutschland und der Antisemitismus-Beauftragte Klein gewürdigt.

Die neu gewählte Grünen-Bundestagsabgeordnete Marlene Schönberger sagte am Donnerstag, der Koalitionsvertrag sei eine gute Grundlage.

Er enthalte einen »klaren Fokus«, der auf der Bekämpfung von Antisemitismus und Verschwörungsmythen liege. Es sei ein Problem, dass Wissen über jüdisches Leben fehle. Sie verwies auf die jüngste Civey-Umfrage im Auftrag der Hanns-Seidel-Stiftung und der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland, wonach fast jeder zweite Deutsche bisher keine direkte Berührung mit jüdischem Leben hat.

Man müsse jedoch mehr über die Vielfalt innerhalb der jüdischen Kultur sprechen sowie Kunst, Kultur und wissenschaftliche Projekte fördern, fügte Schönberger hinzu. Mit Blick auf den Koalitionsvertrag ihres künftigen Ampelbündnisses sagte sie: »Die Basis ist gelegt, jetzt müssen die Worte mit Taten gefüllt werden.« Dazu gehöre auch, sich um die soziale Absicherung von jüdischen Zuwanderern zu kümmern.

Insgesamt müsse in der Gesellschaft ein Klima geschaffen werden, in dem Menschen gerne ihr Jüdischsein zeigten: »Das geht weit darüber hinaus, jüdische Einrichtungen zu schützen.« kna/ja

Geburtstag

Holocaust-Überlebende Renate Aris wird 90

Aris war lange stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Chemnitz und Präsidiumsmitglied des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden. 1999 gründete sie den ersten jüdischen Frauenverein in den ostdeutschen Bundesländern

 21.08.2025

Hannover

Im Haus der Sinne

Zum 100. Todestag wurde der jüdische Industrielle Siegmund Seligmann mit einer Stadttafel vor seiner Villa geehrt. Heute ist der Ort ein Bollwerk gegen die Sinnlosigkeit

von Sophie Albers Ben Chamo  21.08.2025

Gesellschaft

»Mein zweites Odessa«

Nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine flohen viele Jüdinnen und Juden nach Deutschland. Wir haben einige von ihnen gefragt, wie sie heute leben und was sie vermissen

von Christine Schmitt  21.08.2025

Interview

»Es war Liebe auf den ersten Blick«

Barbara und Reinhard Schramm sind seit fast 60 Jahren verheiratet. Ein Gespräch über lange Ehen, Glück und Engagement

von Blanka Weber  20.08.2025

Würdigung

Ein echter Freund

Der ehemalige Zentralratspräsident Dieter Graumann hat viel bewirkt für das jüdische Leben in Deutschland. Nun ist er 75 geworden. Eine persönliche Gratulation von TV-Moderatorin Andrea Kiewel

von Andrea Kiewel  20.08.2025

Weimar

Akkordeon und Drums

Seit 25 Jahren veranstaltet der Komponist Alan Bern den Yiddish Summer – auch diesmal mit vielen Bands und Workshop

von Blanka Weber  19.08.2025

Trauma

Familienforschung

Im Jüdischen Museum München ist die Ausstellung »Die Dritte Generation« zu sehen

von Ellen Presser  19.08.2025

München

Erhalten und sichtbar machen

Die ErinnerungsWerkstatt erforscht auf dem Neuen Israelitischen Friedhof jüdische Schicksale und bewahrt sie vor dem Vergessen

von Ellen Presser  18.08.2025

Münster

Wenn Musik tatsächlich verbindet

Wie ein Konzert die seit der Schoa getrennte Familie des berühmten Komponisten Alexander Olshanetsky wiedervereinte

von Alicia Rust  18.08.2025